Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.Th. IV. Sect. III. Num. V. Der Reformirten praxis beym Abendmahl. [Spaltenumbruch]
"ler und falsche Christen in der kirchen GOttes"zu ihrem eigen prall und gloriosität vorneh- "men/ brauchen auch sehr scheinlich dazu Got- "tes wort/ darauff sie nach ihrem eigenen wahn "gewaltig hoch dürffen herein prangen/ und "andere nicht allein anfeinden/ die besser nach "dem grunde gehen/ sondern auch noch wol ver- "folgen/ und um leib und leben bringen. Aber "was gibt GOttes Sohn unser theuerer Hei- "land solchen ruhmredigen vernunfft-schwer- "mern und Phantasten zur antwort? Jch hab "euch noch nie erkant/ weichet von mir ihr übel- "thäter. v. 23. Ubelthäter sind es/ sagt CHri- "stus/ die das wort GOttes nach ihrem dün- "ckel fein putzen/ und dahero damit pralen wol- "len/ als wenn es deswegen solche krafft in ih- "nen gewonnen/ weil sie es so artig nach ihrer "vernunfft gedrehet/ und dahero gewaltige tha- "ten ausgerichtet hätten in der welt. Denn "weil sie in ihrer spitzfindigkeit alles zu unter- "schreiben/ und ohne gnadengeist das wort in "ihrem munde führen/ mit den Aristotelischen "concepten und zeichen an der stirne ihrer ver- "nunfft/ und ihren eigenen verstand nach den "Heidnischen einbildungen sich darinn gefallen "lassen/ haben sie GOtt in seinem wort nicht er- "griffen/ und kan sie auch CHristus aus den "ursachen vor sein volck nicht achten/ weil sie "auff sich selbst beruhen/ auff sich sehen/ und "nur den titul und namen des worts GOttes "auff der zungen darum führen/ daß sie hoch mö- "gen gehalten/ und vor weltkluge leute angese- "hen oder angetragen werden/ darum bleiben "sie immerfort in der grössesten übelthat/ daß sie "ihren sonderlichen verstand zu GOttes wort "bringen wollen/ da sie doch im geist GOttes "den verstand daraus holen solten. Dieses ist "eine solche abscheuliche grobe sünde/ daß auch "CHristus dieselben/ die solches thun/ des- "wegen ewig von seinem angesicht stösset/ und "sie nicht kennen kan noch will. Denn GOtt "der Allmächtige will die gnade seiner krafft/ "dadurch wir zu kindern GOttes angenommen "werden/ darinn scheinen/ und das einige ver- "dienst CHristi allein suchen/ und im geiste fin- "den lassen/ nicht daß man mit metaphysischen "terminis und elenden Praedicaments-fündi- "chen den grossen gnaden-schatz darinn nach "seinem unverständigen kopffe mensuriren solle. "Vernunfft kan das nicht fassen/ singt die hei- "lige Christliche kirche. Vernunfft kennet "GOtt mit seinem worte nicht. Sie weiß "auch nicht/ daß es des wahren lebendigen Got- "tes wort sey/ wenn es nicht der geist GOttes "durch den glauben zu erkennen giebt aus gna- "den/ sondern wenn sie es nach ihrem Judicio "will richten/ welches sie nicht lassen kan/ ma- "chet sie nach aller ihrer besten kunst eine fabuley "daraus/ daß es nichts anders als eine thorheit "ihr giebt; darum denn die Heiden/ auch die "allerklügsten/ wenn sie von GOtt gehöret ha- "ben/ nicht auff das klare deutliche wort beru- "heten/ und dem geist Gottes bey sich raum ge- "ben wolten/ sondern es hönisch/ kindisch und "spöttisch gehalten/ und dahero allezeit ihre ei- "gene glossen und träume nach der vernunfft- "kunst mit enten/ concepten ihme angedrehet "haben/ daß es in der ungerechtigkeit hat müs- "sen auffgehalten/ Rom. I. und in eine lüge ver- "wandelt werden. Auch je klüger und ge- [Spaltenumbruch] schickter sich einer hat bedüncket/ je mehr und" mehr es sich hat müssen verkehren und drehen" lassen/ und je mehr er sich dem geist GOttes" widersetzt/ daß ein mensch aus seinen eignen" kräfften ohne GOttes geist auch im wort selbst" nichts finden und suchen kan/ als den schatten" des todes/ welches ist die finsternis selbst. Denn" er reist es alles zu seinem vortheil zu sich/ und" bringetes auff das fleischliche/ weil er nichts" anders denn fleischliche ding verstehet/ und" nichts denn fleischlich urtheilen kan. Heuti-" ges tages gehet es noch also im Christenthum/" leider GOttes! (damit man ja die boßheit der" verderbten natur und vernunfft desto ähnli-" cher bey den menschen sehen möge) da ein je-" der klügling nicht auff GOttes wort allein se-" hen/ und schrifft mit schrifft im geist und glau-" ben erklären und deme nachtrachten will/ son-" dern da holet man aus dem verfluchten Hei-" denthum heraus die philosophischen termi-" nos und vernunffts-phrases, insonderheit" des verdammten Aristotelis, die müssen sich" nach ihren concepten über alle geistliche sachen/" auch über die glaubens-articul spannen und" ausdähnen lassen/ alsdenn werden gar heiß-" eifrige schlußreden nach dem fleisch daraus ge-" macht/ und muß alles in lügen verwandelt" seyn/ da es doch nach Pauli lehre heissen sol-" te/ daß die vernunfft solte gefangen liegen un-" ter dem gehorsam CHristi. Wenn alle schu-" len und Universitäten angesehen werden/ lie-" ber/ worinn wird meistlich die zarte jugend in-" formiret und unterrichtet? Treibet man das" nicht mit aller gewalt an allen orten/ daß die" jugend nur mög fleißig wol eingebildet fassen/" erschnappen/ lernen/ daß es mit des menschen" vernunfft/ nach dem kläglichen fall Adams/" solche grosse beschwerliche blindheit nicht habe/" wie die H. Schrifft andeutet/ sondern es kön-" ne unsere vernunfft durch ihr eigen vermögen" und kräffte gar wol dahin gebracht werden/" daß sie nicht allein durch etliche dazu dienliche" künste eine gnugsame vollkommenheit und" perfection zu diesem leben bequem acquiriren" und erlangen/ sondern auch sie könne sich mit" ihren tugenden und wissenschafften/ zu der" überschwenglichen erleuchtung des erkäntniß" GOttes bringen/ also GOtt gefallen/ sich" fein säuberlich expoliren/ daß sie in geistlichen" sachen fein artig dem geist GOttes und seinem" worte sich zu accommodiren/ und den glau-" bens-artickeln gantz fähig zu machen wisse?" NUM. V. Der Reformirten praxis beym Abendmahl. Daß die angeführten klagen über den ver- fectiren A. K. H. Vierter Theil. O o o
Th. IV. Sect. III. Num. V. Der Reformirten praxis beym Abendmahl. [Spaltenumbruch]
„ler und falſche Chriſten in der kirchen GOttes„zu ihrem eigen prall und glorioſitaͤt vorneh- „men/ brauchen auch ſehr ſcheinlich dazu Got- „tes wort/ darauff ſie nach ihrem eigenen wahn „gewaltig hoch duͤrffen herein prangen/ und „andere nicht allein anfeinden/ die beſſer nach „dem grunde gehen/ ſondern auch noch wol ver- „folgen/ und um leib und leben bringen. Aber „was gibt GOttes Sohn unſer theuerer Hei- „land ſolchen ruhmredigen vernunfft-ſchwer- „mern und Phantaſten zur antwort? Jch hab „euch noch nie erkant/ weichet von mir ihr uͤbel- „thaͤter. v. 23. Ubelthaͤter ſind es/ ſagt CHri- „ſtus/ die das wort GOttes nach ihrem duͤn- „ckel fein putzen/ und dahero damit pralen wol- „len/ als wenn es deswegen ſolche krafft in ih- „nen gewonnen/ weil ſie es ſo artig nach ihrer „vernunfft gedrehet/ und dahero gewaltige tha- „ten ausgerichtet haͤtten in der welt. Denn „weil ſie in ihrer ſpitzfindigkeit alles zu unter- „ſchreiben/ und ohne gnadengeiſt das wort in „ihrem munde fuͤhren/ mit den Ariſtoteliſchen „concepten und zeichen an der ſtirne ihrer ver- „nunfft/ und ihren eigenen verſtand nach den „Heidniſchen einbildungen ſich darinn gefallen „laſſen/ haben ſie GOtt in ſeinem wort nicht er- „griffen/ und kan ſie auch CHriſtus aus den „urſachen vor ſein volck nicht achten/ weil ſie „auff ſich ſelbſt beruhen/ auff ſich ſehen/ und „nur den titul und namen des worts GOttes „auff der zungen darum fuͤhren/ daß ſie hoch moͤ- „gen gehalten/ und vor weltkluge leute angeſe- „hen oder angetragen werden/ darum bleiben „ſie immerfort in der groͤſſeſten uͤbelthat/ daß ſie „ihren ſonderlichen verſtand zu GOttes wort „bringen wollen/ da ſie doch im geiſt GOttes „den verſtand daraus holen ſolten. Dieſes iſt „eine ſolche abſcheuliche grobe ſuͤnde/ daß auch „CHriſtus dieſelben/ die ſolches thun/ des- „wegen ewig von ſeinem angeſicht ſtoͤſſet/ und „ſie nicht kennen kan noch will. Denn GOtt „der Allmaͤchtige will die gnade ſeiner krafft/ „dadurch wir zu kindern GOttes angenommen „werden/ darinn ſcheinen/ und das einige ver- „dienſt CHriſti allein ſuchen/ und im geiſte fin- „den laſſen/ nicht daß man mit metaphyſiſchen „terminis und elenden Prædicaments-fuͤndi- „chen den groſſen gnaden-ſchatz darinn nach „ſeinem unverſtaͤndigen kopffe menſuriren ſolle. „Vernunfft kan das nicht faſſen/ ſingt die hei- „lige Chriſtliche kirche. Vernunfft kennet „GOtt mit ſeinem worte nicht. Sie weiß „auch nicht/ daß es des wahren lebendigen Got- „tes wort ſey/ wenn es nicht der geiſt GOttes „durch den glauben zu erkennen giebt aus gna- „den/ ſondern wenn ſie es nach ihrem Judicio „will richten/ welches ſie nicht laſſen kan/ ma- „chet ſie nach aller ihrer beſten kunſt eine fabuley „daraus/ daß es nichts anders als eine thorheit „ihr giebt; darum denn die Heiden/ auch die „allerkluͤgſten/ wenn ſie von GOtt gehoͤret ha- „ben/ nicht auff das klare deutliche wort beru- „heten/ und dem geiſt Gottes bey ſich raum ge- „ben wolten/ ſondern es hoͤniſch/ kindiſch und „ſpoͤttiſch gehalten/ und dahero allezeit ihre ei- „gene gloſſen und traͤume nach der vernunfft- „kunſt mit enten/ concepten ihme angedrehet „haben/ daß es in der ungerechtigkeit hat muͤſ- „ſen auffgehalten/ Rom. I. und in eine luͤge ver- „wandelt werden. Auch je kluͤger und ge- [Spaltenumbruch] ſchickter ſich einer hat beduͤncket/ je mehr und“ mehr es ſich hat muͤſſen verkehren und drehen“ laſſen/ und je mehr er ſich dem geiſt GOttes“ widerſetzt/ daß ein menſch aus ſeinen eignen“ kraͤfften ohne GOttes geiſt auch im wort ſelbſt“ nichts finden und ſuchen kan/ als den ſchatten“ des todes/ welches iſt die finſternis ſelbſt. Deñ“ er reiſt es alles zu ſeinem vortheil zu ſich/ und“ bringetes auff das fleiſchliche/ weil er nichts“ anders denn fleiſchliche ding verſtehet/ und“ nichts denn fleiſchlich urtheilen kan. Heuti-“ ges tages gehet es noch alſo im Chriſtenthum/“ leider GOttes! (damit man ja die boßheit der“ verderbten natur und vernunfft deſto aͤhnli-“ cher bey den menſchen ſehen moͤge) da ein je-“ der kluͤgling nicht auff GOttes wort allein ſe-“ hen/ und ſchrifft mit ſchrifft im geiſt und glau-“ ben erklaͤren und deme nachtrachten will/ ſon-“ dern da holet man aus dem verfluchten Hei-“ denthum heraus die philoſophiſchen termi-“ nos und vernunffts-phraſes, inſonderheit“ des verdammten Ariſtotelis, die muͤſſen ſich“ nach ihren concepten uͤber alle geiſtliche ſachẽ/“ auch uͤber die glaubens-articul ſpannen und“ ausdaͤhnen laſſen/ alsdenn werden gar heiß-“ eifrige ſchlußreden nach dem fleiſch daraus ge-“ macht/ und muß alles in luͤgen verwandelt“ ſeyn/ da es doch nach Pauli lehre heiſſen ſol-“ te/ daß die vernunfft ſolte gefangen liegen un-“ ter dem gehorſam CHriſti. Wenn alle ſchu-“ len und Univerſitaͤten angeſehen werden/ lie-“ ber/ worinn wird meiſtlich die zarte jugend in-“ formiret und unterrichtet? Treibet man das“ nicht mit aller gewalt an allen orten/ daß die“ jugend nur moͤg fleißig wol eingebildet faſſen/“ erſchnappen/ lernen/ daß es mit des menſchen“ vernunfft/ nach dem klaͤglichen fall Adams/“ ſolche gꝛoſſe beſchweꝛliche blindheit nicht habe/“ wie die H. Schrifft andeutet/ ſondern es koͤn-“ ne unſere vernunfft durch ihr eigen vermoͤgen“ und kraͤffte gar wol dahin gebracht werden/“ daß ſie nicht allein durch etliche dazu dienliche“ kuͤnſte eine gnugſame vollkommenheit und“ perfection zu dieſem leben bequem acquiriren“ und erlangen/ ſondern auch ſie koͤnne ſich mit“ ihren tugenden und wiſſenſchafften/ zu der“ uͤberſchwenglichen erleuchtung des erkaͤntniß“ GOttes bringen/ alſo GOtt gefallen/ ſich“ fein ſaͤuberlich expoliren/ daß ſie in geiſtlichen“ ſachen fein artig dem geiſt GOttes und ſeinem“ worte ſich zu accommodiren/ und den glau-“ bens-artickeln gantz faͤhig zu machen wiſſe?„ NUM. V. Der Reformirten praxis beym Abendmahl. Daß die angefuͤhrten klagen uͤber den ver- fectiren A. K. H. Vierter Theil. O o o
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(damit man ja die boßheit der“<lb/> verderbten natur und vernunfft deſto aͤhnli-“<lb/> cher bey den menſchen ſehen moͤge) da ein je-“<lb/> der kluͤgling nicht auff GOttes wort allein ſe-“<lb/> hen/ und ſchrifft mit ſchrifft im geiſt und glau-“<lb/> ben erklaͤren und deme nachtrachten will/ ſon-“<lb/> dern da holet man aus dem verfluchten Hei-“<lb/> denthum heraus die <hi rendition="#aq">philoſophi</hi>ſchen <hi rendition="#aq">termi-“<lb/> nos</hi> und vernunffts-<hi rendition="#aq">phraſes,</hi> inſonderheit“<lb/> des verdammten <hi rendition="#aq">Ariſtotelis,</hi> die muͤſſen ſich“<lb/> nach ihren <hi rendition="#aq">concept</hi>en uͤber alle geiſtliche ſachẽ/“<lb/> auch uͤber die glaubens-<hi rendition="#aq">articul</hi> ſpannen und“<lb/> ausdaͤhnen laſſen/ alsdenn werden gar heiß-“<lb/> eifrige ſchlußreden nach dem fleiſch daraus ge-“<lb/> macht/ und muß alles in luͤgen verwandelt“<lb/> ſeyn/ da es doch nach <hi rendition="#aq">Pauli</hi> lehre heiſſen ſol-“<lb/> te/ daß die vernunfft ſolte gefangen liegen un-“<lb/> ter dem gehorſam CHriſti. Wenn alle ſchu-“<lb/> len und <hi rendition="#aq">Univerſi</hi>taͤten angeſehen werden/ lie-“<lb/> ber/ worinn wird meiſtlich die zarte jugend <hi rendition="#aq">in-“<lb/> formir</hi>et und unterrichtet? Treibet man das“<lb/> nicht mit aller gewalt an allen orten/ daß die“<lb/> jugend nur moͤg fleißig wol eingebildet faſſen/“<lb/> erſchnappen/ lernen/ daß es mit des menſchen“<lb/> vernunfft/ nach dem klaͤglichen fall Adams/“<lb/> ſolche gꝛoſſe beſchweꝛliche blindheit nicht habe/“<lb/> wie die H. 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Th. IV. Sect. III. Num. V. Der Reformirten praxis beym Abendmahl.
„ler und falſche Chriſten in der kirchen GOttes
„zu ihrem eigen prall und glorioſitaͤt vorneh-
„men/ brauchen auch ſehr ſcheinlich dazu Got-
„tes wort/ darauff ſie nach ihrem eigenen wahn
„gewaltig hoch duͤrffen herein prangen/ und
„andere nicht allein anfeinden/ die beſſer nach
„dem grunde gehen/ ſondern auch noch wol ver-
„folgen/ und um leib und leben bringen. Aber
„was gibt GOttes Sohn unſer theuerer Hei-
„land ſolchen ruhmredigen vernunfft-ſchwer-
„mern und Phantaſten zur antwort? Jch hab
„euch noch nie erkant/ weichet von mir ihr uͤbel-
„thaͤter. v. 23. Ubelthaͤter ſind es/ ſagt CHri-
„ſtus/ die das wort GOttes nach ihrem duͤn-
„ckel fein putzen/ und dahero damit pralen wol-
„len/ als wenn es deswegen ſolche krafft in ih-
„nen gewonnen/ weil ſie es ſo artig nach ihrer
„vernunfft gedrehet/ und dahero gewaltige tha-
„ten ausgerichtet haͤtten in der welt. Denn
„weil ſie in ihrer ſpitzfindigkeit alles zu unter-
„ſchreiben/ und ohne gnadengeiſt das wort in
„ihrem munde fuͤhren/ mit den Ariſtoteliſchen
„concepten und zeichen an der ſtirne ihrer ver-
„nunfft/ und ihren eigenen verſtand nach den
„Heidniſchen einbildungen ſich darinn gefallen
„laſſen/ haben ſie GOtt in ſeinem wort nicht er-
„griffen/ und kan ſie auch CHriſtus aus den
„urſachen vor ſein volck nicht achten/ weil ſie
„auff ſich ſelbſt beruhen/ auff ſich ſehen/ und
„nur den titul und namen des worts GOttes
„auff der zungen darum fuͤhren/ daß ſie hoch moͤ-
„gen gehalten/ und vor weltkluge leute angeſe-
„hen oder angetragen werden/ darum bleiben
„ſie immerfort in der groͤſſeſten uͤbelthat/ daß ſie
„ihren ſonderlichen verſtand zu GOttes wort
„bringen wollen/ da ſie doch im geiſt GOttes
„den verſtand daraus holen ſolten. Dieſes iſt
„eine ſolche abſcheuliche grobe ſuͤnde/ daß auch
„CHriſtus dieſelben/ die ſolches thun/ des-
„wegen ewig von ſeinem angeſicht ſtoͤſſet/ und
„ſie nicht kennen kan noch will. Denn GOtt
„der Allmaͤchtige will die gnade ſeiner krafft/
„dadurch wir zu kindern GOttes angenommen
„werden/ darinn ſcheinen/ und das einige ver-
„dienſt CHriſti allein ſuchen/ und im geiſte fin-
„den laſſen/ nicht daß man mit metaphyſiſchen
„terminis und elenden Prædicaments-fuͤndi-
„chen den groſſen gnaden-ſchatz darinn nach
„ſeinem unverſtaͤndigen kopffe menſuriren ſolle.
„Vernunfft kan das nicht faſſen/ ſingt die hei-
„lige Chriſtliche kirche. Vernunfft kennet
„GOtt mit ſeinem worte nicht. Sie weiß
„auch nicht/ daß es des wahren lebendigen Got-
„tes wort ſey/ wenn es nicht der geiſt GOttes
„durch den glauben zu erkennen giebt aus gna-
„den/ ſondern wenn ſie es nach ihrem Judicio
„will richten/ welches ſie nicht laſſen kan/ ma-
„chet ſie nach aller ihrer beſten kunſt eine fabuley
„daraus/ daß es nichts anders als eine thorheit
„ihr giebt; darum denn die Heiden/ auch die
„allerkluͤgſten/ wenn ſie von GOtt gehoͤret ha-
„ben/ nicht auff das klare deutliche wort beru-
„heten/ und dem geiſt Gottes bey ſich raum ge-
„ben wolten/ ſondern es hoͤniſch/ kindiſch und
„ſpoͤttiſch gehalten/ und dahero allezeit ihre ei-
„gene gloſſen und traͤume nach der vernunfft-
„kunſt mit enten/ concepten ihme angedrehet
„haben/ daß es in der ungerechtigkeit hat muͤſ-
„ſen auffgehalten/ Rom. I. und in eine luͤge ver-
„wandelt werden. Auch je kluͤger und ge-
ſchickter ſich einer hat beduͤncket/ je mehr und“
mehr es ſich hat muͤſſen verkehren und drehen“
laſſen/ und je mehr er ſich dem geiſt GOttes“
widerſetzt/ daß ein menſch aus ſeinen eignen“
kraͤfften ohne GOttes geiſt auch im wort ſelbſt“
nichts finden und ſuchen kan/ als den ſchatten“
des todes/ welches iſt die finſternis ſelbſt. Deñ“
er reiſt es alles zu ſeinem vortheil zu ſich/ und“
bringetes auff das fleiſchliche/ weil er nichts“
anders denn fleiſchliche ding verſtehet/ und“
nichts denn fleiſchlich urtheilen kan. Heuti-“
ges tages gehet es noch alſo im Chriſtenthum/“
leider GOttes! (damit man ja die boßheit der“
verderbten natur und vernunfft deſto aͤhnli-“
cher bey den menſchen ſehen moͤge) da ein je-“
der kluͤgling nicht auff GOttes wort allein ſe-“
hen/ und ſchrifft mit ſchrifft im geiſt und glau-“
ben erklaͤren und deme nachtrachten will/ ſon-“
dern da holet man aus dem verfluchten Hei-“
denthum heraus die philoſophiſchen termi-“
nos und vernunffts-phraſes, inſonderheit“
des verdammten Ariſtotelis, die muͤſſen ſich“
nach ihren concepten uͤber alle geiſtliche ſachẽ/“
auch uͤber die glaubens-articul ſpannen und“
ausdaͤhnen laſſen/ alsdenn werden gar heiß-“
eifrige ſchlußreden nach dem fleiſch daraus ge-“
macht/ und muß alles in luͤgen verwandelt“
ſeyn/ da es doch nach Pauli lehre heiſſen ſol-“
te/ daß die vernunfft ſolte gefangen liegen un-“
ter dem gehorſam CHriſti. Wenn alle ſchu-“
len und Univerſitaͤten angeſehen werden/ lie-“
ber/ worinn wird meiſtlich die zarte jugend in-“
formiret und unterrichtet? Treibet man das“
nicht mit aller gewalt an allen orten/ daß die“
jugend nur moͤg fleißig wol eingebildet faſſen/“
erſchnappen/ lernen/ daß es mit des menſchen“
vernunfft/ nach dem klaͤglichen fall Adams/“
ſolche gꝛoſſe beſchweꝛliche blindheit nicht habe/“
wie die H. Schrifft andeutet/ ſondern es koͤn-“
ne unſere vernunfft durch ihr eigen vermoͤgen“
und kraͤffte gar wol dahin gebracht werden/“
daß ſie nicht allein durch etliche dazu dienliche“
kuͤnſte eine gnugſame vollkommenheit und“
perfection zu dieſem leben bequem acquiriren“
und erlangen/ ſondern auch ſie koͤnne ſich mit“
ihren tugenden und wiſſenſchafften/ zu der“
uͤberſchwenglichen erleuchtung des erkaͤntniß“
GOttes bringen/ alſo GOtt gefallen/ ſich“
fein ſaͤuberlich expoliren/ daß ſie in geiſtlichen“
ſachen fein artig dem geiſt GOttes und ſeinem“
worte ſich zu accommodiren/ und den glau-“
bens-artickeln gantz faͤhig zu machen wiſſe?„
NUM. V.
Der Reformirten praxis beym
Abendmahl.
Daß die angefuͤhrten klagen uͤber den ver-
derbten zuſtand unter denen Reformirten auch
von vielen andern unter ihnen ſeithero noch im-
mer wiederholet worden/ iſt unter andern aus
eines Predigers zu Duißburg R. Copperi
zweyen ſchreiben an das Conſiſtorium daſelbſt
zu ſehen/ ſo er anno 1682. und 83. in puncto
wegen ſchuldiger pflicht der Prediger bey ad-
miniſtration des Abendmahls abgehen laſſen/
und anno 1695. durch den druck publiciret wor-
den/ woraus ich nur folgendes zur nachricht
hieher ſetzen will: Anfangs der irrigen einbil-
dung und vorgeben etlicher/ als wenn ich af-
fectiren
A. K. H. Vierter Theil. O o o
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Zitationshilfe: | Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/781>, abgerufen am 22.02.2025. |