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[Zschokke, Heinrich]: Geister und Geisterseher oder Leben und frühes Ende eines Nekromantisten. Küstrin, 1789.

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Wilhelm Walter.
Berührung ihm schauerlich durch die Ohren
klirrte. Auch eine Thür fand er in einem
Winkel, die für ihn aber so wenig zur Aus-
flucht diensam war, als eine Eisenmauer.
Niemals hatte er sich noch in solcher Situa-
zion befunden; zwischen bestäubten Büchern
hatte er den grösten Theil seines Lebens hin-
durch vegetirt; sein Herz sehnte sich nimmer
nach Abentheuern und anizt auf einmal in
einer Sfäre, die, wer weis wie viel Delin-
quenten schon, beatmet hatten, verlassen und
sich keines rügeheischenden Verbrechens be-
wust! Hier sank gänzlich der durchaus er-
schütterte Stoizismus seines Geistes von sei-
ner Existenz herab, der sich doch in dem
Studierzimmer so standhaft erhalten hat-
te; -- Angsterpresste Thränen befluteten izt
die Wangen des hermetischen Weisen und in
banger Verzweiflung rang er die Hände,
welche einst durch magische Karaktere das
Geisterreich in Schrekken sezten.

Nachdem er genug geweint, genug ge-
iammert hatte, ohne daß er dadurch Hülfe

ge-
E 5

Wilhelm Walter.
Beruͤhrung ihm ſchauerlich durch die Ohren
klirrte. Auch eine Thuͤr fand er in einem
Winkel, die fuͤr ihn aber ſo wenig zur Aus-
flucht dienſam war, als eine Eiſenmauer.
Niemals hatte er ſich noch in ſolcher Situa-
zion befunden; zwiſchen beſtaͤubten Buͤchern
hatte er den groͤſten Theil ſeines Lebens hin-
durch vegetirt; ſein Herz ſehnte ſich nimmer
nach Abentheuern und anizt auf einmal in
einer Sfaͤre, die, wer weis wie viel Delin-
quenten ſchon, beatmet hatten, verlaſſen und
ſich keines ruͤgeheiſchenden Verbrechens be-
wuſt! Hier ſank gaͤnzlich der durchaus er-
ſchuͤtterte Stoizismus ſeines Geiſtes von ſei-
ner Exiſtenz herab, der ſich doch in dem
Studierzimmer ſo ſtandhaft erhalten hat-
te; — Angſterpreſſte Thraͤnen befluteten izt
die Wangen des hermetiſchen Weiſen und in
banger Verzweiflung rang er die Haͤnde,
welche einſt durch magiſche Karaktere das
Geiſterreich in Schrekken ſezten.

Nachdem er genug geweint, genug ge-
iammert hatte, ohne daß er dadurch Huͤlfe

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E 5
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[73/0076] Wilhelm Walter. Beruͤhrung ihm ſchauerlich durch die Ohren klirrte. Auch eine Thuͤr fand er in einem Winkel, die fuͤr ihn aber ſo wenig zur Aus- flucht dienſam war, als eine Eiſenmauer. Niemals hatte er ſich noch in ſolcher Situa- zion befunden; zwiſchen beſtaͤubten Buͤchern hatte er den groͤſten Theil ſeines Lebens hin- durch vegetirt; ſein Herz ſehnte ſich nimmer nach Abentheuern und anizt auf einmal in einer Sfaͤre, die, wer weis wie viel Delin- quenten ſchon, beatmet hatten, verlaſſen und ſich keines ruͤgeheiſchenden Verbrechens be- wuſt! Hier ſank gaͤnzlich der durchaus er- ſchuͤtterte Stoizismus ſeines Geiſtes von ſei- ner Exiſtenz herab, der ſich doch in dem Studierzimmer ſo ſtandhaft erhalten hat- te; — Angſterpreſſte Thraͤnen befluteten izt die Wangen des hermetiſchen Weiſen und in banger Verzweiflung rang er die Haͤnde, welche einſt durch magiſche Karaktere das Geiſterreich in Schrekken ſezten. Nachdem er genug geweint, genug ge- iammert hatte, ohne daß er dadurch Huͤlfe ge- E 5

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Zitationshilfe: [Zschokke, Heinrich]: Geister und Geisterseher oder Leben und frühes Ende eines Nekromantisten. Küstrin, 1789, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_geister_1789/76>, abgerufen am 07.05.2024.