Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ziehen Sie hinaus für die heilige Sache des armen deutschen Landes. Gott schütze Sie! Dies wünscht Ihre ehemalige Gespielin Friederike." Diese Gespielin Friederike war nun keine Andere, als die junge Tochter des Herrn Bantes. Der Himmel weiß, wie sie zum Briefversiegeln ihres Vaters gekommen war. Waldrich stand ganz begeistert da, mehr über das Heldenherz des deutschen Mädchens als über das Gold entzückt, welches Friederike vermuthlich aus ihrem eigenen Sparhafen dazu gelegt hatte. Er schrieb auf der Stelle nach Herbesheim an einen Freund, schloß ein paar dankbare Zeilen für das kleine Mädchen ein (er hatte aber vergessen, daß das kleine Mädchen wohl seit vier Jahren etwas gewachsen sein konnte), nannte es sogar seine deutsche Thusnelde und wanderte stolz, wie ein zweiter Hermann, dem Rheine und den Heeren zu. Das Incognito. Ich möchte hier gar nicht umständlich Waldrich's Hermannsthaten erzählen. Genug, er war dabei, wenn's galt. Napoleon ward glücklich entkaisert und nach Elba geschickt. Waldrich kehrte nicht zurück, wie die übrigen Freiwilligen, sondern ließ sich gefallen, als Oberlieutenant in ein Linien-Infanterie-Regiment zu treten. Das Leben gefiel ihm im Felde besser, als hinter den Actenschanzen der staubigen Schreibstube. Ziehen Sie hinaus für die heilige Sache des armen deutschen Landes. Gott schütze Sie! Dies wünscht Ihre ehemalige Gespielin Friederike.“ Diese Gespielin Friederike war nun keine Andere, als die junge Tochter des Herrn Bantes. Der Himmel weiß, wie sie zum Briefversiegeln ihres Vaters gekommen war. Waldrich stand ganz begeistert da, mehr über das Heldenherz des deutschen Mädchens als über das Gold entzückt, welches Friederike vermuthlich aus ihrem eigenen Sparhafen dazu gelegt hatte. Er schrieb auf der Stelle nach Herbesheim an einen Freund, schloß ein paar dankbare Zeilen für das kleine Mädchen ein (er hatte aber vergessen, daß das kleine Mädchen wohl seit vier Jahren etwas gewachsen sein konnte), nannte es sogar seine deutsche Thusnelde und wanderte stolz, wie ein zweiter Hermann, dem Rheine und den Heeren zu. Das Incognito. Ich möchte hier gar nicht umständlich Waldrich's Hermannsthaten erzählen. Genug, er war dabei, wenn's galt. Napoleon ward glücklich entkaisert und nach Elba geschickt. Waldrich kehrte nicht zurück, wie die übrigen Freiwilligen, sondern ließ sich gefallen, als Oberlieutenant in ein Linien-Infanterie-Regiment zu treten. Das Leben gefiel ihm im Felde besser, als hinter den Actenschanzen der staubigen Schreibstube. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0009"/> Ziehen Sie hinaus für die heilige Sache des armen deutschen Landes. Gott schütze Sie! Dies wünscht Ihre ehemalige Gespielin Friederike.“</p><lb/> <p>Diese Gespielin Friederike war nun keine Andere, als die junge Tochter des Herrn Bantes. Der Himmel weiß, wie sie zum Briefversiegeln ihres Vaters gekommen war. Waldrich stand ganz begeistert da, mehr über das Heldenherz des deutschen Mädchens als über das Gold entzückt, welches Friederike vermuthlich aus ihrem eigenen Sparhafen dazu gelegt hatte. Er schrieb auf der Stelle nach Herbesheim an einen Freund, schloß ein paar dankbare Zeilen für das kleine Mädchen ein (er hatte aber vergessen, daß das kleine Mädchen wohl seit vier Jahren etwas gewachsen sein konnte), nannte es sogar seine deutsche Thusnelde und wanderte stolz, wie ein zweiter Hermann, dem Rheine und den Heeren zu.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="2"> <head>Das Incognito.</head> <p>Ich möchte hier gar nicht umständlich Waldrich's Hermannsthaten erzählen. Genug, er war dabei, wenn's galt. Napoleon ward glücklich entkaisert und nach Elba geschickt. Waldrich kehrte nicht zurück, wie die übrigen Freiwilligen, sondern ließ sich gefallen, als Oberlieutenant in ein Linien-Infanterie-Regiment zu treten. Das Leben gefiel ihm im Felde besser, als hinter den Actenschanzen der staubigen Schreibstube.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0009]
Ziehen Sie hinaus für die heilige Sache des armen deutschen Landes. Gott schütze Sie! Dies wünscht Ihre ehemalige Gespielin Friederike.“
Diese Gespielin Friederike war nun keine Andere, als die junge Tochter des Herrn Bantes. Der Himmel weiß, wie sie zum Briefversiegeln ihres Vaters gekommen war. Waldrich stand ganz begeistert da, mehr über das Heldenherz des deutschen Mädchens als über das Gold entzückt, welches Friederike vermuthlich aus ihrem eigenen Sparhafen dazu gelegt hatte. Er schrieb auf der Stelle nach Herbesheim an einen Freund, schloß ein paar dankbare Zeilen für das kleine Mädchen ein (er hatte aber vergessen, daß das kleine Mädchen wohl seit vier Jahren etwas gewachsen sein konnte), nannte es sogar seine deutsche Thusnelde und wanderte stolz, wie ein zweiter Hermann, dem Rheine und den Heeren zu.
Das Incognito. Ich möchte hier gar nicht umständlich Waldrich's Hermannsthaten erzählen. Genug, er war dabei, wenn's galt. Napoleon ward glücklich entkaisert und nach Elba geschickt. Waldrich kehrte nicht zurück, wie die übrigen Freiwilligen, sondern ließ sich gefallen, als Oberlieutenant in ein Linien-Infanterie-Regiment zu treten. Das Leben gefiel ihm im Felde besser, als hinter den Actenschanzen der staubigen Schreibstube.
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Zitationshilfe: | Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/9>, abgerufen am 16.07.2024. |