Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.hatte und Reisegeld doch in allen Fällen wohlthut, an seinen Vormund um Erlaubniß, den Zug fürs Vaterland mitthun zu dürfen, und ersuchte um hundert Thaler Reisegeld. Sein Vormund, Herr Bantes, ein reicher Fabrikherr in der Stadt oder im Städtchen Herbesheim an der Aa, der ihn, wenn man so sagen will, erzogen hatte (Waldrich hatte mir als Knabe, bis zur Hochschule, bei ihm im Hause gelebt) -- Herr Bantes war ein alter, wunderlicher Herr. Dieser schickte ihm einen Brief mit fünfzehn Louisd'or in Gold, folgenden Inhalts: "Mein Freund, wenn Sie noch ein Jahr älter sind, können Sie über sich und den kleinen Rest Ihres Vermögens nach Belieben verfügen. Bis dahin bitte, Dero Zug fürs Vaterland einzustellen und Ihren Geschäften obzuliegen, um einst Amt und Brod zu bekommen, denn das wird Ihnen sehr nöthig sein. Ich weiß, was ich meiner Pflicht und Dero Vater, meinem Freunde sel., schuldig bin. Lassen Sie endlich Ihre Schwindeleien alle einmal fahren, und werden Sie solid. Ich schicke daher keinen Kreuzer. Bleibe Dero u. s. w." Die in ein Papier gewickelten fünfzehn Louisd'or standen mit diesem Briefe in seltsamem, doch gar nicht unangenehmem Widerspruch. Waldrich hätte sich ihn noch lange nicht und vielleicht nie erklärt, wäre sein Blick nicht auf das zu Boden gefallene Papier gerathen, worin das Geld eingeschlagen gewesen. Er nahm es. Es hieß: "Lassen Sie sich nicht abschrecken. hatte und Reisegeld doch in allen Fällen wohlthut, an seinen Vormund um Erlaubniß, den Zug fürs Vaterland mitthun zu dürfen, und ersuchte um hundert Thaler Reisegeld. Sein Vormund, Herr Bantes, ein reicher Fabrikherr in der Stadt oder im Städtchen Herbesheim an der Aa, der ihn, wenn man so sagen will, erzogen hatte (Waldrich hatte mir als Knabe, bis zur Hochschule, bei ihm im Hause gelebt) — Herr Bantes war ein alter, wunderlicher Herr. Dieser schickte ihm einen Brief mit fünfzehn Louisd'or in Gold, folgenden Inhalts: „Mein Freund, wenn Sie noch ein Jahr älter sind, können Sie über sich und den kleinen Rest Ihres Vermögens nach Belieben verfügen. Bis dahin bitte, Dero Zug fürs Vaterland einzustellen und Ihren Geschäften obzuliegen, um einst Amt und Brod zu bekommen, denn das wird Ihnen sehr nöthig sein. Ich weiß, was ich meiner Pflicht und Dero Vater, meinem Freunde sel., schuldig bin. Lassen Sie endlich Ihre Schwindeleien alle einmal fahren, und werden Sie solid. Ich schicke daher keinen Kreuzer. Bleibe Dero u. s. w.“ Die in ein Papier gewickelten fünfzehn Louisd'or standen mit diesem Briefe in seltsamem, doch gar nicht unangenehmem Widerspruch. Waldrich hätte sich ihn noch lange nicht und vielleicht nie erklärt, wäre sein Blick nicht auf das zu Boden gefallene Papier gerathen, worin das Geld eingeschlagen gewesen. Er nahm es. Es hieß: „Lassen Sie sich nicht abschrecken. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0008"/> hatte und Reisegeld doch in allen Fällen wohlthut, an seinen Vormund um Erlaubniß, den Zug fürs Vaterland mitthun zu dürfen, und ersuchte um hundert Thaler Reisegeld. Sein Vormund, Herr Bantes, ein reicher Fabrikherr in der Stadt oder im Städtchen Herbesheim an der Aa, der ihn, wenn man so sagen will, erzogen hatte (Waldrich hatte mir als Knabe, bis zur Hochschule, bei ihm im Hause gelebt) — Herr Bantes war ein alter, wunderlicher Herr.</p><lb/> <p>Dieser schickte ihm einen Brief mit fünfzehn Louisd'or in Gold, folgenden Inhalts: „Mein Freund, wenn Sie noch ein Jahr älter sind, können Sie über sich und den kleinen Rest Ihres Vermögens nach Belieben verfügen. Bis dahin bitte, Dero Zug fürs Vaterland einzustellen und Ihren Geschäften obzuliegen, um einst Amt und Brod zu bekommen, denn das wird Ihnen sehr nöthig sein. Ich weiß, was ich meiner Pflicht und Dero Vater, meinem Freunde sel., schuldig bin. Lassen Sie endlich Ihre Schwindeleien alle einmal fahren, und werden Sie solid. Ich schicke daher keinen Kreuzer. Bleibe Dero u. s. w.“</p><lb/> <p>Die in ein Papier gewickelten fünfzehn Louisd'or standen mit diesem Briefe in seltsamem, doch gar nicht unangenehmem Widerspruch. Waldrich hätte sich ihn noch lange nicht und vielleicht nie erklärt, wäre sein Blick nicht auf das zu Boden gefallene Papier gerathen, worin das Geld eingeschlagen gewesen. Er nahm es. Es hieß: „Lassen Sie sich nicht abschrecken.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0008]
hatte und Reisegeld doch in allen Fällen wohlthut, an seinen Vormund um Erlaubniß, den Zug fürs Vaterland mitthun zu dürfen, und ersuchte um hundert Thaler Reisegeld. Sein Vormund, Herr Bantes, ein reicher Fabrikherr in der Stadt oder im Städtchen Herbesheim an der Aa, der ihn, wenn man so sagen will, erzogen hatte (Waldrich hatte mir als Knabe, bis zur Hochschule, bei ihm im Hause gelebt) — Herr Bantes war ein alter, wunderlicher Herr.
Dieser schickte ihm einen Brief mit fünfzehn Louisd'or in Gold, folgenden Inhalts: „Mein Freund, wenn Sie noch ein Jahr älter sind, können Sie über sich und den kleinen Rest Ihres Vermögens nach Belieben verfügen. Bis dahin bitte, Dero Zug fürs Vaterland einzustellen und Ihren Geschäften obzuliegen, um einst Amt und Brod zu bekommen, denn das wird Ihnen sehr nöthig sein. Ich weiß, was ich meiner Pflicht und Dero Vater, meinem Freunde sel., schuldig bin. Lassen Sie endlich Ihre Schwindeleien alle einmal fahren, und werden Sie solid. Ich schicke daher keinen Kreuzer. Bleibe Dero u. s. w.“
Die in ein Papier gewickelten fünfzehn Louisd'or standen mit diesem Briefe in seltsamem, doch gar nicht unangenehmem Widerspruch. Waldrich hätte sich ihn noch lange nicht und vielleicht nie erklärt, wäre sein Blick nicht auf das zu Boden gefallene Papier gerathen, worin das Geld eingeschlagen gewesen. Er nahm es. Es hieß: „Lassen Sie sich nicht abschrecken.
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Zitationshilfe: | Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/8>, abgerufen am 16.02.2025. |