Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich möchte eigentlich nur wissen, wie das alberne Histörchen in die Welt hineingekommen wäre! sprach ein junger Rathsherr. Die Sage ist auch so dürr, wie ein Gerippe; kein näherer Umstand davon bekannt, daß sich daraus allenfalls eine Romanze oder Ballade schaffen ließe, damit es doch zu etwas tauge.

Umgekehrt, entgegnete Waldrich, die Sage vom todten Gaste, wie man sie ehemals kannte, und wie ich sie in meiner Kindheit einmal von einem alten Jäger erzählen hörte, ist zu lang und für unsere heutigen Tage zu langweilig; darum hat man sie vergessen, und recht daran gethan.

Wie, wissen Sie die Geschichte noch? fragten schnell Mehrere.

Ich erinnere mich ihrer noch dunkel! erwiderte Waldrich.

O, Sie müssen uns erzählen! riefen die Mädchen., und drängten sich zu ihm. Bitte, bitte, Sie müssen uns erzählen!

Da half kein Widerstand, kein Entschuldigen. Zu den Frauenzimmern traten die Herren und baten. Man rückte die Stühle zusammen.

Waldrich, gern oder ungern, mußte sich bequemen, die Sage mitzutheilen, wie er sie vom alten Jäger empfangen hatte. Er schmückte, um damit einigermaßen zu unterhalten, die Geschichte so gut aus, als er es sogleich aus dem Stegreife konnte.

Ich möchte eigentlich nur wissen, wie das alberne Histörchen in die Welt hineingekommen wäre! sprach ein junger Rathsherr. Die Sage ist auch so dürr, wie ein Gerippe; kein näherer Umstand davon bekannt, daß sich daraus allenfalls eine Romanze oder Ballade schaffen ließe, damit es doch zu etwas tauge.

Umgekehrt, entgegnete Waldrich, die Sage vom todten Gaste, wie man sie ehemals kannte, und wie ich sie in meiner Kindheit einmal von einem alten Jäger erzählen hörte, ist zu lang und für unsere heutigen Tage zu langweilig; darum hat man sie vergessen, und recht daran gethan.

Wie, wissen Sie die Geschichte noch? fragten schnell Mehrere.

Ich erinnere mich ihrer noch dunkel! erwiderte Waldrich.

O, Sie müssen uns erzählen! riefen die Mädchen., und drängten sich zu ihm. Bitte, bitte, Sie müssen uns erzählen!

Da half kein Widerstand, kein Entschuldigen. Zu den Frauenzimmern traten die Herren und baten. Man rückte die Stühle zusammen.

Waldrich, gern oder ungern, mußte sich bequemen, die Sage mitzutheilen, wie er sie vom alten Jäger empfangen hatte. Er schmückte, um damit einigermaßen zu unterhalten, die Geschichte so gut aus, als er es sogleich aus dem Stegreife konnte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="10">
        <pb facs="#f0061"/>
        <p>Ich möchte eigentlich nur wissen, wie das alberne Histörchen in die Welt hineingekommen wäre!      sprach ein junger Rathsherr. Die Sage ist auch so dürr, wie ein Gerippe; kein näherer Umstand      davon bekannt, daß sich daraus allenfalls eine Romanze oder Ballade schaffen ließe, damit es      doch zu etwas tauge.</p><lb/>
        <p>Umgekehrt, entgegnete Waldrich, die Sage vom todten Gaste, wie man sie ehemals kannte, und      wie ich sie in meiner Kindheit einmal von einem alten Jäger erzählen hörte, ist zu lang und für      unsere heutigen Tage zu langweilig; darum hat man sie vergessen, und recht daran gethan.</p><lb/>
        <p>Wie, wissen Sie die Geschichte noch? fragten schnell Mehrere.</p><lb/>
        <p>Ich erinnere mich ihrer noch dunkel! erwiderte Waldrich.</p><lb/>
        <p>O, Sie müssen uns erzählen! riefen die Mädchen., und drängten sich zu ihm. Bitte, bitte, Sie      müssen uns erzählen!</p><lb/>
        <p>Da half kein Widerstand, kein Entschuldigen. Zu den Frauenzimmern traten die Herren und      baten. Man rückte die Stühle zusammen.</p><lb/>
        <p>Waldrich, gern oder ungern, mußte sich bequemen, die Sage mitzutheilen, wie er sie vom alten      Jäger empfangen hatte. Er schmückte, um damit einigermaßen zu unterhalten, die Geschichte so      gut aus, als er es sogleich aus dem Stegreife konnte.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0061] Ich möchte eigentlich nur wissen, wie das alberne Histörchen in die Welt hineingekommen wäre! sprach ein junger Rathsherr. Die Sage ist auch so dürr, wie ein Gerippe; kein näherer Umstand davon bekannt, daß sich daraus allenfalls eine Romanze oder Ballade schaffen ließe, damit es doch zu etwas tauge. Umgekehrt, entgegnete Waldrich, die Sage vom todten Gaste, wie man sie ehemals kannte, und wie ich sie in meiner Kindheit einmal von einem alten Jäger erzählen hörte, ist zu lang und für unsere heutigen Tage zu langweilig; darum hat man sie vergessen, und recht daran gethan. Wie, wissen Sie die Geschichte noch? fragten schnell Mehrere. Ich erinnere mich ihrer noch dunkel! erwiderte Waldrich. O, Sie müssen uns erzählen! riefen die Mädchen., und drängten sich zu ihm. Bitte, bitte, Sie müssen uns erzählen! Da half kein Widerstand, kein Entschuldigen. Zu den Frauenzimmern traten die Herren und baten. Man rückte die Stühle zusammen. Waldrich, gern oder ungern, mußte sich bequemen, die Sage mitzutheilen, wie er sie vom alten Jäger empfangen hatte. Er schmückte, um damit einigermaßen zu unterhalten, die Geschichte so gut aus, als er es sogleich aus dem Stegreife konnte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:15:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:15:44Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/61
Zitationshilfe: Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/61>, abgerufen am 22.11.2024.