Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.heim. Ich segne mein Schicksal. Ich mache es zur Aufgabe meines Lebens, daß auch Sie einst unser vereintes Schicksal segnen sollen. Nur um die Hand darf ich flehen; ich weiß es, nicht um das Herz. Dieses kann sich nur frei hingeben. Aber lassen Sie mir wenigstens die Hoffnung, es verdienen zu können. Wenn Sie wüßten, wie glücklich nur eine kleine Zeile von Ihrer Hand mich machen, -- wie die mich wunderreicher, als die Kunst meines Arztes, heilen und stärken würde -- Sie ließen mich nicht vergebens bitten. Erlauben Sie, daß ich mich, in Verehrung und Liebe, nennen darf Ihren Verlobten Eduard v. Hahn." Der Commandant sah ernst und starr auf den Brief. Er hatte gar nicht das Ansehen eines Lesenden, sondern eines Denkenden, oder, ich möchte lieber sagen, eines Träumenden. Inzwischen wollte Vater Bantes durchaus, Friederike solle ihre mädchenhafte Ziererei abthun und ihm einmal recht offen und ehrlich bekennen, daß sie sich freue. Aber, Papa, wie kann ich das? Ich habe diesen Herrn Banquier von Hahn in meinem Leben nicht gesehen. Närrchen, ich verstehe dich, natürlich. Aber ich kann dir darüber Trost und Frieden geben. Er ist ein feiner, schlanker, großer Jüngling, ein hübsches Milchgesicht. Etwas schwächlich war er schon ehemals; heim. Ich segne mein Schicksal. Ich mache es zur Aufgabe meines Lebens, daß auch Sie einst unser vereintes Schicksal segnen sollen. Nur um die Hand darf ich flehen; ich weiß es, nicht um das Herz. Dieses kann sich nur frei hingeben. Aber lassen Sie mir wenigstens die Hoffnung, es verdienen zu können. Wenn Sie wüßten, wie glücklich nur eine kleine Zeile von Ihrer Hand mich machen, — wie die mich wunderreicher, als die Kunst meines Arztes, heilen und stärken würde — Sie ließen mich nicht vergebens bitten. Erlauben Sie, daß ich mich, in Verehrung und Liebe, nennen darf Ihren Verlobten Eduard v. Hahn.“ Der Commandant sah ernst und starr auf den Brief. Er hatte gar nicht das Ansehen eines Lesenden, sondern eines Denkenden, oder, ich möchte lieber sagen, eines Träumenden. Inzwischen wollte Vater Bantes durchaus, Friederike solle ihre mädchenhafte Ziererei abthun und ihm einmal recht offen und ehrlich bekennen, daß sie sich freue. Aber, Papa, wie kann ich das? Ich habe diesen Herrn Banquier von Hahn in meinem Leben nicht gesehen. Närrchen, ich verstehe dich, natürlich. Aber ich kann dir darüber Trost und Frieden geben. Er ist ein feiner, schlanker, großer Jüngling, ein hübsches Milchgesicht. Etwas schwächlich war er schon ehemals; <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="7"> <floatingText> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0041"/> heim. Ich segne mein Schicksal. Ich mache es zur Aufgabe meines Lebens, daß auch Sie einst unser vereintes Schicksal segnen sollen. Nur um die Hand darf ich flehen; ich weiß es, nicht um das Herz. Dieses kann sich nur frei hingeben. Aber lassen Sie mir wenigstens die Hoffnung, es verdienen zu können. Wenn Sie wüßten, wie glücklich nur eine kleine Zeile von Ihrer Hand mich machen, — wie die mich wunderreicher, als die Kunst meines Arztes, heilen und stärken würde — Sie ließen mich nicht vergebens bitten. Erlauben Sie, daß ich mich, in Verehrung und Liebe, nennen darf Ihren Verlobten</p><lb/> <closer> <signed>Eduard v. Hahn.“</signed><lb/> </closer> </div> </body> </floatingText> <p>Der Commandant sah ernst und starr auf den Brief. Er hatte gar nicht das Ansehen eines Lesenden, sondern eines Denkenden, oder, ich möchte lieber sagen, eines Träumenden. Inzwischen wollte Vater Bantes durchaus, Friederike solle ihre mädchenhafte Ziererei abthun und ihm einmal recht offen und ehrlich bekennen, daß sie sich freue.</p><lb/> <p>Aber, Papa, wie kann ich das? Ich habe diesen Herrn Banquier von Hahn in meinem Leben nicht gesehen.</p><lb/> <p>Närrchen, ich verstehe dich, natürlich. Aber ich kann dir darüber Trost und Frieden geben. Er ist ein feiner, schlanker, großer Jüngling, ein hübsches Milchgesicht. Etwas schwächlich war er schon ehemals;<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
heim. Ich segne mein Schicksal. Ich mache es zur Aufgabe meines Lebens, daß auch Sie einst unser vereintes Schicksal segnen sollen. Nur um die Hand darf ich flehen; ich weiß es, nicht um das Herz. Dieses kann sich nur frei hingeben. Aber lassen Sie mir wenigstens die Hoffnung, es verdienen zu können. Wenn Sie wüßten, wie glücklich nur eine kleine Zeile von Ihrer Hand mich machen, — wie die mich wunderreicher, als die Kunst meines Arztes, heilen und stärken würde — Sie ließen mich nicht vergebens bitten. Erlauben Sie, daß ich mich, in Verehrung und Liebe, nennen darf Ihren Verlobten
Eduard v. Hahn.“
Der Commandant sah ernst und starr auf den Brief. Er hatte gar nicht das Ansehen eines Lesenden, sondern eines Denkenden, oder, ich möchte lieber sagen, eines Träumenden. Inzwischen wollte Vater Bantes durchaus, Friederike solle ihre mädchenhafte Ziererei abthun und ihm einmal recht offen und ehrlich bekennen, daß sie sich freue.
Aber, Papa, wie kann ich das? Ich habe diesen Herrn Banquier von Hahn in meinem Leben nicht gesehen.
Närrchen, ich verstehe dich, natürlich. Aber ich kann dir darüber Trost und Frieden geben. Er ist ein feiner, schlanker, großer Jüngling, ein hübsches Milchgesicht. Etwas schwächlich war er schon ehemals;
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Zitationshilfe: | Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/41>, abgerufen am 16.07.2024. |