Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Nun, Riekchen, rief der Alte, hat dir die Ueberraschung den Athem und dergleichen gestohlen? Gelt, der Papa weiß es anzustellen? Wer ist der Herr von Hahn? fragte Friederike mit dunkler Miene. Wer anders denn, als der Sohn meines alten ehemaligen Associe Hahn, des berühmten Banquiers? Könntest du für dich einen Andern erwarten? Der Alte hat bessere Geschäfte gemacht, als ich hier mit meiner Fabrik. Nun setzt er sich in Ruhe. Sein Sohn, der junge Hahn, übernimmt die ganze Sache des Alten, und du wirst die Henne des jungen Hahn. Frau Bantes gab, indem sie mit dem sich sanft hin und her bewegenden Kopfe eine stille Mißbilligung äußerte, den Brief an den Commandanten. Der Inhalt war folgender: "Zu Ihrem Geburtsfeste, mein schönes Fräulein, drängt sich, leider diesmal im Geiste nur, weil der Arzt bei rauher Witterung die Reise untersagt hat, ein Ihnen Unbekannter. Ach, daß ich sagen muß: Unbekannter! daß ich nicht statt dieser Zeilen selbst nach Herbesheim fliegen und dort um Ihre Hand flehen, und das, was unsere guten Väter in der Herzlichkeit ihrer Jugendfreundschaft wegen unserer Verbindung beschlossen haben, und was meine Sehnsucht so ungeduldig verlangt, vollenden kann! O, mein angebetetes Fräulein, mit der ersten mildern Witterung, wenn auch noch etwas kränklich, eile ich nach Herbes- Nun, Riekchen, rief der Alte, hat dir die Ueberraschung den Athem und dergleichen gestohlen? Gelt, der Papa weiß es anzustellen? Wer ist der Herr von Hahn? fragte Friederike mit dunkler Miene. Wer anders denn, als der Sohn meines alten ehemaligen Associé Hahn, des berühmten Banquiers? Könntest du für dich einen Andern erwarten? Der Alte hat bessere Geschäfte gemacht, als ich hier mit meiner Fabrik. Nun setzt er sich in Ruhe. Sein Sohn, der junge Hahn, übernimmt die ganze Sache des Alten, und du wirst die Henne des jungen Hahn. Frau Bantes gab, indem sie mit dem sich sanft hin und her bewegenden Kopfe eine stille Mißbilligung äußerte, den Brief an den Commandanten. Der Inhalt war folgender: „Zu Ihrem Geburtsfeste, mein schönes Fräulein, drängt sich, leider diesmal im Geiste nur, weil der Arzt bei rauher Witterung die Reise untersagt hat, ein Ihnen Unbekannter. Ach, daß ich sagen muß: Unbekannter! daß ich nicht statt dieser Zeilen selbst nach Herbesheim fliegen und dort um Ihre Hand flehen, und das, was unsere guten Väter in der Herzlichkeit ihrer Jugendfreundschaft wegen unserer Verbindung beschlossen haben, und was meine Sehnsucht so ungeduldig verlangt, vollenden kann! O, mein angebetetes Fräulein, mit der ersten mildern Witterung, wenn auch noch etwas kränklich, eile ich nach Herbes- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="7"> <pb facs="#f0040"/> <p>Nun, Riekchen, rief der Alte, hat dir die Ueberraschung den Athem und dergleichen gestohlen? Gelt, der Papa weiß es anzustellen?</p><lb/> <p>Wer ist der Herr von Hahn? fragte Friederike mit dunkler Miene.</p><lb/> <p>Wer anders denn, als der Sohn meines alten ehemaligen Associé Hahn, des berühmten Banquiers? Könntest du für dich einen Andern erwarten? Der Alte hat bessere Geschäfte gemacht, als ich hier mit meiner Fabrik. Nun setzt er sich in Ruhe. Sein Sohn, der junge Hahn, übernimmt die ganze Sache des Alten, und du wirst die Henne des jungen Hahn.</p><lb/> <p>Frau Bantes gab, indem sie mit dem sich sanft hin und her bewegenden Kopfe eine stille Mißbilligung äußerte, den Brief an den Commandanten. Der Inhalt war folgender:</p><lb/> <floatingText> <body> <div type="letter"> <p>„Zu Ihrem Geburtsfeste, mein schönes Fräulein, drängt sich, leider diesmal im Geiste nur, weil der Arzt bei rauher Witterung die Reise untersagt hat, ein Ihnen Unbekannter. Ach, daß ich sagen muß: Unbekannter! daß ich nicht statt dieser Zeilen selbst nach Herbesheim fliegen und dort um Ihre Hand flehen, und das, was unsere guten Väter in der Herzlichkeit ihrer Jugendfreundschaft wegen unserer Verbindung beschlossen haben, und was meine Sehnsucht so ungeduldig verlangt, vollenden kann! O, mein angebetetes Fräulein, mit der ersten mildern Witterung, wenn auch noch etwas kränklich, eile ich nach Herbes-<lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
Nun, Riekchen, rief der Alte, hat dir die Ueberraschung den Athem und dergleichen gestohlen? Gelt, der Papa weiß es anzustellen?
Wer ist der Herr von Hahn? fragte Friederike mit dunkler Miene.
Wer anders denn, als der Sohn meines alten ehemaligen Associé Hahn, des berühmten Banquiers? Könntest du für dich einen Andern erwarten? Der Alte hat bessere Geschäfte gemacht, als ich hier mit meiner Fabrik. Nun setzt er sich in Ruhe. Sein Sohn, der junge Hahn, übernimmt die ganze Sache des Alten, und du wirst die Henne des jungen Hahn.
Frau Bantes gab, indem sie mit dem sich sanft hin und her bewegenden Kopfe eine stille Mißbilligung äußerte, den Brief an den Commandanten. Der Inhalt war folgender:
„Zu Ihrem Geburtsfeste, mein schönes Fräulein, drängt sich, leider diesmal im Geiste nur, weil der Arzt bei rauher Witterung die Reise untersagt hat, ein Ihnen Unbekannter. Ach, daß ich sagen muß: Unbekannter! daß ich nicht statt dieser Zeilen selbst nach Herbesheim fliegen und dort um Ihre Hand flehen, und das, was unsere guten Väter in der Herzlichkeit ihrer Jugendfreundschaft wegen unserer Verbindung beschlossen haben, und was meine Sehnsucht so ungeduldig verlangt, vollenden kann! O, mein angebetetes Fräulein, mit der ersten mildern Witterung, wenn auch noch etwas kränklich, eile ich nach Herbes-
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Zitationshilfe: | Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/40>, abgerufen am 16.07.2024. |