Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Augen weit auf. Ihro Gnaden, stammelte er, kennen Sie das Mädchen schon? Warum nicht? Ist's doch gerade das niedlichste Kind in der ganzen Stadt! versetzte Herr von Hahn lächelnd, den es kitzelte, durch zufälliges dreistes Forschen die Liebeshändel der Polizei so schnell zu errathen. Den Polizeibedienten aber kitzelten die Fragen gar nicht; besonders däuchte ihm das schalkhafte Lächeln des bleichen, todtenhaften Antlitzes etwas Gräßliches, Höllisch-Boshaftes zu haben. Ihro Gnaden kennen Sie schon? Wie ist das möglich? Seit gestern erst sind Sie in der Stadt! Ich habe die Hausthür der Putzmacherin mit keinem Auge verlassen, und war ich nicht da, hatte ein Anderer Acht. Sichtbarer Weise kamen Sie nicht ins Haus. Guter Freund, ein artiges Mädchen ist leicht zu kennen, und die Häuser haben auch Hinterthüren. Der Schnurrbart stand mit verblüfftem Gesichte da, weil er sich in der That einer Hinterthüre erinnern mochte. Herr von Hahn dagegen ward durch die Verlegenheit des Polizeimanns immer muthwilliger und legte es darauf an, ihn ein wenig eifersüchtig zu machen. Also sie spielt nun, sagte er, die Spröde gegen Eure Zärtlichkeiten? Dacht' ich's doch! Die Narbe! Nein, gnädiger Herr, nicht die Narbe! Nichts für ungut, Sie selbst! Was, ich? Laßt Euch das nicht von mir träumen. Augen weit auf. Ihro Gnaden, stammelte er, kennen Sie das Mädchen schon? Warum nicht? Ist's doch gerade das niedlichste Kind in der ganzen Stadt! versetzte Herr von Hahn lächelnd, den es kitzelte, durch zufälliges dreistes Forschen die Liebeshändel der Polizei so schnell zu errathen. Den Polizeibedienten aber kitzelten die Fragen gar nicht; besonders däuchte ihm das schalkhafte Lächeln des bleichen, todtenhaften Antlitzes etwas Gräßliches, Höllisch-Boshaftes zu haben. Ihro Gnaden kennen Sie schon? Wie ist das möglich? Seit gestern erst sind Sie in der Stadt! Ich habe die Hausthür der Putzmacherin mit keinem Auge verlassen, und war ich nicht da, hatte ein Anderer Acht. Sichtbarer Weise kamen Sie nicht ins Haus. Guter Freund, ein artiges Mädchen ist leicht zu kennen, und die Häuser haben auch Hinterthüren. Der Schnurrbart stand mit verblüfftem Gesichte da, weil er sich in der That einer Hinterthüre erinnern mochte. Herr von Hahn dagegen ward durch die Verlegenheit des Polizeimanns immer muthwilliger und legte es darauf an, ihn ein wenig eifersüchtig zu machen. Also sie spielt nun, sagte er, die Spröde gegen Eure Zärtlichkeiten? Dacht' ich's doch! Die Narbe! Nein, gnädiger Herr, nicht die Narbe! Nichts für ungut, Sie selbst! Was, ich? Laßt Euch das nicht von mir träumen. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="15"> <p><pb facs="#f0135"/> Augen weit auf. Ihro Gnaden, stammelte er, kennen Sie das Mädchen schon?</p><lb/> <p>Warum nicht? Ist's doch gerade das niedlichste Kind in der ganzen Stadt! versetzte Herr von Hahn lächelnd, den es kitzelte, durch zufälliges dreistes Forschen die Liebeshändel der Polizei so schnell zu errathen. Den Polizeibedienten aber kitzelten die Fragen gar nicht; besonders däuchte ihm das schalkhafte Lächeln des bleichen, todtenhaften Antlitzes etwas Gräßliches, Höllisch-Boshaftes zu haben.</p><lb/> <p>Ihro Gnaden kennen Sie schon? Wie ist das möglich? Seit gestern erst sind Sie in der Stadt! Ich habe die Hausthür der Putzmacherin mit keinem Auge verlassen, und war ich nicht da, hatte ein Anderer Acht. Sichtbarer Weise kamen Sie nicht ins Haus.</p><lb/> <p>Guter Freund, ein artiges Mädchen ist leicht zu kennen, und die Häuser haben auch Hinterthüren.</p><lb/> <p>Der Schnurrbart stand mit verblüfftem Gesichte da, weil er sich in der That einer Hinterthüre erinnern mochte. Herr von Hahn dagegen ward durch die Verlegenheit des Polizeimanns immer muthwilliger und legte es darauf an, ihn ein wenig eifersüchtig zu machen. Also sie spielt nun, sagte er, die Spröde gegen Eure Zärtlichkeiten? Dacht' ich's doch! Die Narbe!</p><lb/> <p>Nein, gnädiger Herr, nicht die Narbe! Nichts für ungut, Sie selbst!</p><lb/> <p>Was, ich? Laßt Euch das nicht von mir träumen.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0135]
Augen weit auf. Ihro Gnaden, stammelte er, kennen Sie das Mädchen schon?
Warum nicht? Ist's doch gerade das niedlichste Kind in der ganzen Stadt! versetzte Herr von Hahn lächelnd, den es kitzelte, durch zufälliges dreistes Forschen die Liebeshändel der Polizei so schnell zu errathen. Den Polizeibedienten aber kitzelten die Fragen gar nicht; besonders däuchte ihm das schalkhafte Lächeln des bleichen, todtenhaften Antlitzes etwas Gräßliches, Höllisch-Boshaftes zu haben.
Ihro Gnaden kennen Sie schon? Wie ist das möglich? Seit gestern erst sind Sie in der Stadt! Ich habe die Hausthür der Putzmacherin mit keinem Auge verlassen, und war ich nicht da, hatte ein Anderer Acht. Sichtbarer Weise kamen Sie nicht ins Haus.
Guter Freund, ein artiges Mädchen ist leicht zu kennen, und die Häuser haben auch Hinterthüren.
Der Schnurrbart stand mit verblüfftem Gesichte da, weil er sich in der That einer Hinterthüre erinnern mochte. Herr von Hahn dagegen ward durch die Verlegenheit des Polizeimanns immer muthwilliger und legte es darauf an, ihn ein wenig eifersüchtig zu machen. Also sie spielt nun, sagte er, die Spröde gegen Eure Zärtlichkeiten? Dacht' ich's doch! Die Narbe!
Nein, gnädiger Herr, nicht die Narbe! Nichts für ungut, Sie selbst!
Was, ich? Laßt Euch das nicht von mir träumen.
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Zitationshilfe: | Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/135>, abgerufen am 16.02.2025. |