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Zschackwitz, Johann Ehrenfried: Historisch-Genealogischer Schau-Platz. Lemgo, 1724.

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Sohn/ des Tuifconis, also genennet worden/ oder ob sie daher den Nahmen empfangen/ weil sie in einem ebenen Lande gewohnet/ wie denn noch jetzo die Marschländer denen Holsteinern dieses bedeuten/ lässet man dahin gestellet seyn. Immittelst ist gewiß/ daß die Marser Teutsche gewesen/ und stehen die gemeinen Traditiones von dem Tuiscone und seinen Söhnen nicht gantz und gar zu verwerffen. Denn gleichwie ein jedes Mährlein eine wahre Begebenheit zum Grunde haben muß; also ist es auch mit denen traditionibus oder Saagen bewand. Aus denen Fingern wie man zureden pfleget/ haben die alten sie nicht gesogen/ noch weniger muß man dafür halten/ als ob sie selbige etwan zur Lust erdichtet gehabt/ indem denen alten Völckern dergleichen Sinn-Lust-Spiele nicht aufzubürden stehen/ deren Leben und Gemüths-Eigenschafften von dergleichen Dingen weit entfernet waren / die auch nur vor Mußiggänger gehören. Noch weniger ist glaubwürdig/ oder wenigstens nur wahrscheinlich/ als ob etwan der alten Völcker ihre Geistliche dergleichen Dinge erfunden/ weil ebenfalls nicht abzusehen/ zu was Ende sie solches gethan haben solten. Folget also unstreitig/ daß sothane traditiones einigen Grund haben müssen/ ob sie schon mit vielerley Zusätzen verderbet/ und ihr wahrer Stoff durch dergleichen Einwendungen nicht wenig verunkänntlichet worden. Hieraus nun ist leichte zuschliessen/ ob die vom Beroso aufgezeichnete Geschichte und alterthümer so gantz und gar zuverwerffen/ und nur vor blosse Träumereyen eines Münchs von Viterbo zuhalten seyn/ wie zwar von vielen gelehrten zugeschehen pfleget. Daß ein Berosus in der Welt gewesen/ daß er antiquitatis Babylonicas geschrieben/ ist unstreitig wahr/ daß dessen Schrifft aber gantz und gar verlohren gegangen und diejenigen/ die wir jetzo haben/ der Annius Viterbiensis erdichtet haben solte/ ist ein Vorgeben/ das mehr in Facto, als in einem hinlänglichen Beweise beruhet. Jeder/ der die Welt mit etwas hintergehen will/ muß einen Endzweck/ und auch einen Nutzen davon haben. Das erster muste bey dem Annio bloß dahin aus kommen/ daß er ein Vergnügen gesuchet / denen Gelehrten mit falschen Dingen Mühe zu machen/ der Nutzen aber der ihm daraus zugewachsen/ würde so gering seyn/ daß kaum zu sagen oder abzusehen / worinn solcher hätte bestehen sollen. Allein woher will man darthun/ daß das erstere des Annii Endzweck gewesen? die Gelehrten/ die damahls lebeten/ nahmen des Annii seinen Berosum gleichwohl vor wahr an/ und wann ja einer oder der andere solchen verdächtig zumachen sich bemühete; so geschahe solches eben so leicht aus Mißgunst/ oder aus andern Ursachen: als aus einer vorgegebenen Liebe zur Wahrheit. Solten aber diese damahlige. Gelehrten nicht auch so viel Einsicht gehabt haben/ daß sie hätten zu unterscheiden vermocht/ ob der Annius sie mit einem selbst gezeugten Kinde betrigen

Vid Struv. de Doct Impost.

Sohn/ des Tuifconis, also genennet worden/ oder ob sie daher den Nahmen empfangen/ weil sie in einem ebenen Lande gewohnet/ wie denn noch jetzo die Marschländer denen Holsteinern dieses bedeuten/ lässet man dahin gestellet seyn. Immittelst ist gewiß/ daß die Marser Teutsche gewesen/ und stehen die gemeinen Traditiones von dem Tuiscone und seinen Söhnen nicht gantz und gar zu verwerffen. Denn gleichwie ein jedes Mährlein eine wahre Begebenheit zum Grunde haben muß; also ist es auch mit denen traditionibus oder Saagen bewand. Aus denen Fingern wie man zureden pfleget/ haben die alten sie nicht gesogen/ noch weniger muß man dafür halten/ als ob sie selbige etwan zur Lust erdichtet gehabt/ indem denen alten Völckern dergleichen Sinn-Lust-Spiele nicht aufzubürden stehen/ deren Leben und Gemüths-Eigenschafften von dergleichen Dingen weit entfernet waren / die auch nur vor Mußiggänger gehören. Noch weniger ist glaubwürdig/ oder wenigstens nur wahrscheinlich/ als ob etwan der alten Völcker ihre Geistliche dergleichen Dinge erfunden/ weil ebenfalls nicht abzusehen/ zu was Ende sie solches gethan haben solten. Folget also unstreitig/ daß sothane traditiones einigen Grund haben müssen/ ob sie schon mit vielerley Zusätzen verderbet/ und ihr wahrer Stoff durch dergleichen Einwendungen nicht wenig verunkänntlichet worden. Hieraus nun ist leichte zuschliessen/ ob die vom Beroso aufgezeichnete Geschichte und alterthümer so gantz und gar zuverwerffen/ und nur vor blosse Träumereyen eines Münchs von Viterbo zuhalten seyn/ wie zwar von vielen gelehrten zugeschehen pfleget. Daß ein Berosus in der Welt gewesen/ daß er antiquitatis Babylonicas geschrieben/ ist unstreitig wahr/ daß dessen Schrifft aber gantz und gar verlohren gegangen und diejenigen/ die wir jetzo haben/ der Annius Viterbiensis erdichtet haben solte/ ist ein Vorgeben/ das mehr in Facto, als in einem hinlänglichen Beweise beruhet. Jeder/ der die Welt mit etwas hintergehen will/ muß einen Endzweck/ und auch einen Nutzen davon haben. Das erster muste bey dem Annio bloß dahin aus kommen/ daß er ein Vergnügen gesuchet / denen Gelehrten mit falschen Dingen Mühe zu machen/ der Nutzen aber der ihm daraus zugewachsen/ würde so gering seyn/ daß kaum zu sagen oder abzusehen / worinn solcher hätte bestehen sollen. Allein woher will man darthun/ daß das erstere des Annii Endzweck gewesen? die Gelehrten/ die damahls lebeten/ nahmen des Annii seinen Berosum gleichwohl vor wahr an/ und wann ja einer oder der andere solchen verdächtig zumachen sich bemühete; so geschahe solches eben so leicht aus Mißgunst/ oder aus andern Ursachen: als aus einer vorgegebenen Liebe zur Wahrheit. Solten aber diese damahlige. Gelehrten nicht auch so viel Einsicht gehabt haben/ daß sie hätten zu unterscheiden vermocht/ ob der Annius sie mit einem selbst gezeugten Kinde betrigen

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Sohn/ des                      Tuifconis, also genennet worden/ oder ob sie daher den Nahmen empfangen/ weil                      sie in einem ebenen Lande gewohnet/ wie denn noch jetzo die Marschländer denen                      Holsteinern dieses bedeuten/ lässet man dahin gestellet seyn. Immittelst ist                      gewiß/ daß die Marser Teutsche gewesen/ und stehen die gemeinen Traditiones                      von dem Tuiscone und seinen Söhnen nicht gantz und gar zu verwerffen. Denn                      gleichwie ein jedes Mährlein eine wahre Begebenheit zum Grunde haben muß; also                      ist es auch mit denen traditionibus oder Saagen bewand. Aus denen Fingern wie                      man zureden pfleget/ haben die alten sie nicht gesogen/ noch weniger muß man                      dafür halten/ als ob sie selbige etwan zur Lust erdichtet gehabt/ indem denen                      alten Völckern dergleichen Sinn-Lust-Spiele nicht aufzubürden stehen/ deren                      Leben und Gemüths-Eigenschafften von dergleichen Dingen weit entfernet waren /                      die auch nur vor Mußiggänger gehören. Noch weniger ist glaubwürdig/ oder                      wenigstens nur wahrscheinlich/ als ob etwan der alten Völcker ihre Geistliche                      dergleichen Dinge erfunden/ weil ebenfalls nicht abzusehen/ zu was Ende sie                      solches gethan haben solten. Folget also unstreitig/ daß sothane traditiones                      einigen Grund haben müssen/ ob sie schon mit vielerley Zusätzen verderbet/ und                      ihr wahrer Stoff durch dergleichen Einwendungen nicht wenig verunkänntlichet                      worden. Hieraus nun ist leichte zuschliessen/ ob die vom Beroso aufgezeichnete                      Geschichte und alterthümer so gantz und gar zuverwerffen/ und nur vor blosse                      Träumereyen eines Münchs von Viterbo zuhalten seyn/ wie zwar von vielen                      gelehrten <note place="foot">Vid Struv. de Doct Impost.</note> zugeschehen                      pfleget. Daß ein Berosus in der Welt gewesen/ daß er antiquitatis Babylonicas                      geschrieben/ ist unstreitig wahr/ daß dessen Schrifft aber gantz und gar                      verlohren gegangen und diejenigen/ die wir jetzo haben/ der Annius                      Viterbiensis erdichtet haben solte/ ist ein Vorgeben/ das mehr in Facto, als                      in einem hinlänglichen Beweise beruhet. Jeder/ der die Welt mit etwas                      hintergehen will/ muß einen Endzweck/ und auch einen Nutzen davon haben. Das                      erster muste bey dem Annio bloß dahin aus kommen/ daß er ein Vergnügen gesuchet                     / denen Gelehrten mit falschen Dingen Mühe zu machen/ der Nutzen aber der ihm                      daraus zugewachsen/ würde so gering seyn/ daß kaum zu sagen oder abzusehen /                      worinn solcher hätte bestehen sollen. Allein woher will man darthun/ daß das                      erstere des Annii Endzweck gewesen? die Gelehrten/ die damahls lebeten/ nahmen                      des Annii seinen Berosum gleichwohl vor wahr an/ und wann ja einer oder der                      andere solchen verdächtig zumachen sich bemühete; so geschahe solches eben so                      leicht aus Mißgunst/ oder aus andern Ursachen: als aus einer vorgegebenen Liebe                      zur Wahrheit. Solten aber diese damahlige. Gelehrten nicht auch so viel Einsicht                      gehabt haben/ daß sie hätten zu unterscheiden vermocht/ ob der Annius sie mit                      einem selbst gezeugten Kinde betrigen
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[431/0479] Sohn/ des Tuifconis, also genennet worden/ oder ob sie daher den Nahmen empfangen/ weil sie in einem ebenen Lande gewohnet/ wie denn noch jetzo die Marschländer denen Holsteinern dieses bedeuten/ lässet man dahin gestellet seyn. Immittelst ist gewiß/ daß die Marser Teutsche gewesen/ und stehen die gemeinen Traditiones von dem Tuiscone und seinen Söhnen nicht gantz und gar zu verwerffen. Denn gleichwie ein jedes Mährlein eine wahre Begebenheit zum Grunde haben muß; also ist es auch mit denen traditionibus oder Saagen bewand. Aus denen Fingern wie man zureden pfleget/ haben die alten sie nicht gesogen/ noch weniger muß man dafür halten/ als ob sie selbige etwan zur Lust erdichtet gehabt/ indem denen alten Völckern dergleichen Sinn-Lust-Spiele nicht aufzubürden stehen/ deren Leben und Gemüths-Eigenschafften von dergleichen Dingen weit entfernet waren / die auch nur vor Mußiggänger gehören. Noch weniger ist glaubwürdig/ oder wenigstens nur wahrscheinlich/ als ob etwan der alten Völcker ihre Geistliche dergleichen Dinge erfunden/ weil ebenfalls nicht abzusehen/ zu was Ende sie solches gethan haben solten. Folget also unstreitig/ daß sothane traditiones einigen Grund haben müssen/ ob sie schon mit vielerley Zusätzen verderbet/ und ihr wahrer Stoff durch dergleichen Einwendungen nicht wenig verunkänntlichet worden. Hieraus nun ist leichte zuschliessen/ ob die vom Beroso aufgezeichnete Geschichte und alterthümer so gantz und gar zuverwerffen/ und nur vor blosse Träumereyen eines Münchs von Viterbo zuhalten seyn/ wie zwar von vielen gelehrten zugeschehen pfleget. Daß ein Berosus in der Welt gewesen/ daß er antiquitatis Babylonicas geschrieben/ ist unstreitig wahr/ daß dessen Schrifft aber gantz und gar verlohren gegangen und diejenigen/ die wir jetzo haben/ der Annius Viterbiensis erdichtet haben solte/ ist ein Vorgeben/ das mehr in Facto, als in einem hinlänglichen Beweise beruhet. Jeder/ der die Welt mit etwas hintergehen will/ muß einen Endzweck/ und auch einen Nutzen davon haben. Das erster muste bey dem Annio bloß dahin aus kommen/ daß er ein Vergnügen gesuchet / denen Gelehrten mit falschen Dingen Mühe zu machen/ der Nutzen aber der ihm daraus zugewachsen/ würde so gering seyn/ daß kaum zu sagen oder abzusehen / worinn solcher hätte bestehen sollen. Allein woher will man darthun/ daß das erstere des Annii Endzweck gewesen? die Gelehrten/ die damahls lebeten/ nahmen des Annii seinen Berosum gleichwohl vor wahr an/ und wann ja einer oder der andere solchen verdächtig zumachen sich bemühete; so geschahe solches eben so leicht aus Mißgunst/ oder aus andern Ursachen: als aus einer vorgegebenen Liebe zur Wahrheit. Solten aber diese damahlige. Gelehrten nicht auch so viel Einsicht gehabt haben/ daß sie hätten zu unterscheiden vermocht/ ob der Annius sie mit einem selbst gezeugten Kinde betrigen Vid Struv. de Doct Impost.

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Zitationshilfe: Zschackwitz, Johann Ehrenfried: Historisch-Genealogischer Schau-Platz. Lemgo, 1724, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschackwitz_schauplatz_1724/479>, abgerufen am 23.11.2024.