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Zschackwitz, Johann Ehrenfried: Historisch-Genealogischer Schau-Platz. Lemgo, 1724.

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als die Römer zu thun pflegten/ auch bey ihnen die Jugend nicht auf die Courteisie, (nach der jetzigen Art zu reden) zu gehen gewohnt/ wie bey den Römern/ daher saget er/ viri pariter ac foeminae literarum secreta ignorant, das ist/ weder das Manns-Volck/ noch das Frauen-Zimmer pflegen einander Liebes-Billetgen (denn das heissen literarum secreta) oder geheime Liebes-Brieffgen zuschreiben/ gleichwie bey denen Römern bräuchlich war/ darauf er dann fortfähret/ der Teutschen Sitten/ Gesetze und Gewohnheiten weiter zu beschreiben. Wie solte nun aus diesem loco erzwungen werden können/ als ob Tacitus denen Teutschen alles schriftliche aufzeichnen abgesprochen habe/ da nicht die geringste Wahrscheinlichkeit vorhanden ist / daß er an angezogenen Orte hiervon habe reden wollen/ oder solches auch nur im Sinne gehabt? Und obgleich hierwieder eingewendet werden mögte/ eben dieser Tacitus bezeige anderwerts/ und zwar auch de Morib. Germ. es sey bey denen Teutschen das auswendig lernen/ unicum annalium genus gewesen/ so fält doch darauf auch leichte zu antworten. Denn einmahl ist des Taciti Nachricht von Teutschland überaus jejun, und mager/ weil der Maan alles vom Hörensagen hatte / da ihm die Teutschen berichteten/ was sie wolten/ wie es etwan zu gehen pfleget/ wenn man von einem Lande Erkundigung einziehen/ und solches beschreiben wil/ daß man nur an der Gräntze betrachtet hat/ und sich lediglich auf eines andern sein Wahres oder Falsches verlassen muß. Hiernechst hat der Tacitus alles sonder Bedacht und reiffes Nachsinnen hingeschrieben/ was ihm etwan dieser oder jener von Teutschland vorgeschwatzet haben mag. Endlich/ wer wolte sich vernünftig einbilden können/ daß es Menschen von einem so fermen und unbeschreiblichen Gedächtnisse gebe/ die eine so ungeheure Menge Reime und Lieder/ und in welchen eine fast erstaunenswürdige Anzahl allerley/ einander oft nicht verwand seyende Thaten enthalten/ zu behalten vermögten? und die ein jeder von ihnen zu allen Zeiten gantz distincte wieder hersagen/ und auch hinwiederum andere lehren könne/ ohne daß ihm das geringste dran fehlen/ oder er auf einige Weise irren und etwa dies mit jenem confundiren solte? Solche Menschen muß man nicht in unser Welt/ sondern vieleicht im Monden/ oder in einem andern Gestirne suchen. Gleichwohl/ wenn des Taciti Worte ein Evangelium seyn solten/ müsten unsere Vorfahren dergleichen eiserne Gedächtnisse gehaht haben. Wer erkennet demnach nicht/ die abgeschmackte Folge/ die daraus nothwendig entstehen muß/ wenn man dem Tacito so schlechtweg glauben wil. Also ist gewiß/ daß die Druyden und Barden ihre gewisse Schrift und Buchstaben gehabt/ mit denen sie die Geschichte ihrer Vorfahren aufgezeichnet/ ob man gleich gar gerne einräumet/ daß ausser denen Druyden und Barden, von denen Teutschen sich sonst niemand um solche bekümmert gehabt/ jene auch selbige vermuthlich niemanden gelehret/ als der ein Druyde oder Barde gewesen. Wie aber diese Buchstaben ausgesehen/ ist

als die Römer zu thun pflegten/ auch bey ihnen die Jugend nicht auf die Courteisie, (nach der jetzigen Art zu reden) zu gehen gewohnt/ wie bey den Römern/ daher saget er/ viri pariter ac foeminae literarum secreta ignorant, das ist/ weder das Manns-Volck/ noch das Frauen-Zimmer pflegen einander Liebes-Billetgen (denn das heissen literarum secreta) oder geheime Liebes-Brieffgen zuschreiben/ gleichwie bey denen Römern bräuchlich war/ darauf er dann fortfähret/ der Teutschen Sitten/ Gesetze und Gewohnheiten weiter zu beschreiben. Wie solte nun aus diesem loco erzwungen werden können/ als ob Tacitus denen Teutschen alles schriftliche aufzeichnen abgesprochen habe/ da nicht die geringste Wahrscheinlichkeit vorhanden ist / daß er an angezogenen Orte hiervon habe reden wollen/ oder solches auch nur im Sinne gehabt? Und obgleich hierwieder eingewendet werden mögte/ eben dieser Tacitus bezeige anderwerts/ und zwar auch de Morib. Germ. es sey bey denen Teutschen das auswendig lernen/ unicum annalium genus gewesen/ so fält doch darauf auch leichte zu antworten. Denn einmahl ist des Taciti Nachricht von Teutschland überaus jejun, und mager/ weil der Maan alles vom Hörensagen hatte / da ihm die Teutschen berichteten/ was sie wolten/ wie es etwan zu gehen pfleget/ wenn man von einem Lande Erkundigung einziehen/ und solches beschreiben wil/ daß man nur an der Gräntze betrachtet hat/ und sich lediglich auf eines andern sein Wahres oder Falsches verlassen muß. Hiernechst hat der Tacitus alles sonder Bedacht und reiffes Nachsinnen hingeschrieben/ was ihm etwan dieser oder jener von Teutschland vorgeschwatzet haben mag. Endlich/ wer wolte sich vernünftig einbilden können/ daß es Menschen von einem so fermen und unbeschreiblichen Gedächtnisse gebe/ die eine so ungeheure Menge Reime und Lieder/ und in welchen eine fast erstaunenswürdige Anzahl allerley/ einander oft nicht verwand seyende Thaten enthalten/ zu behalten vermögten? und die ein jeder von ihnen zu allen Zeiten gantz distincte wieder hersagen/ und auch hinwiederum andere lehren könne/ ohne daß ihm das geringste dran fehlen/ oder er auf einige Weise irren und etwa dies mit jenem confundiren solte? Solche Menschen muß man nicht in unser Welt/ sondern vieleicht im Monden/ oder in einem andern Gestirne suchen. Gleichwohl/ wenn des Taciti Worte ein Evangelium seyn solten/ müsten unsere Vorfahren dergleichen eiserne Gedächtnisse gehaht haben. Wer erkennet demnach nicht/ die abgeschmackte Folge/ die daraus nothwendig entstehen muß/ wenn man dem Tacito so schlechtweg glauben wil. Also ist gewiß/ daß die Druyden und Barden ihre gewisse Schrift und Buchstaben gehabt/ mit denen sie die Geschichte ihrer Vorfahren aufgezeichnet/ ob man gleich gar gerne einräumet/ daß ausser denen Druyden und Barden, von denen Teutschen sich sonst niemand um solche bekümmert gehabt/ jene auch selbige vermuthlich niemanden gelehret/ als der ein Druyde oder Barde gewesen. Wie aber diese Buchstaben ausgesehen/ ist

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Zitationshilfe: Zschackwitz, Johann Ehrenfried: Historisch-Genealogischer Schau-Platz. Lemgo, 1724, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschackwitz_schauplatz_1724/28>, abgerufen am 19.04.2024.