Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.Nachdenken über die Tugend etc. viel ebener und angenehmer wäre, als sie inder That sind, wie verschieden ist nicht ihr Ausgang! Jener, der Pfad der Tugend, füh- ret zur Ehre, zum Ruhme, zum Leben, zur Glückseligkeit: dieser, der Weg des Lasters, zur Schande, zum Tode, zum Elende. Und wie kurz ist nicht die Bahn des Lebens! Wie bald ist sie durchlaufen! Schnell vorübergehend ist jene edle Mühe, womit der Tugendhafte das herrlichste Ziel erstrebet; und höchst flüch- tig, augenblicklich ist die betrügliche, niedrige Lust, die den Lasterhaften ins Verderben stür- zet. Nein, die äußern Reize des Lasters sol- len mich nicht blenden: die finstere Außenseite, die bescheidene, oft schüchterne Gestalt der Tu- gend soll mich nicht von ihrer Verehrung und von ihrem Dienst abschrecken. Nein, die Sün- de ist der Menschen Verderben, ihr gehorchen ist Knechtschaft und Sclaverey, ihr Sold ist Elend und Tod: nur die Tugend ist und giebt Leben und Freyheit, nur sie führet zu dauer- hafter, bleibender Glückseligkeit. Jhre We- ge sind liebliche Wege, und alle ihre Pfade sind Friede. Wenn wir so über die Tugend und das oft
Nachdenken über die Tugend ꝛc. viel ebener und angenehmer wäre, als ſie inder That ſind, wie verſchieden iſt nicht ihr Ausgang! Jener, der Pfad der Tugend, füh- ret zur Ehre, zum Ruhme, zum Leben, zur Glückſeligkeit: dieſer, der Weg des Laſters, zur Schande, zum Tode, zum Elende. Und wie kurz iſt nicht die Bahn des Lebens! Wie bald iſt ſie durchlaufen! Schnell vorübergehend iſt jene edle Mühe, womit der Tugendhafte das herrlichſte Ziel erſtrebet; und höchſt flüch- tig, augenblicklich iſt die betrügliche, niedrige Luſt, die den Laſterhaften ins Verderben ſtür- zet. Nein, die äußern Reize des Laſters ſol- len mich nicht blenden: die finſtere Außenſeite, die beſcheidene, oft ſchüchterne Geſtalt der Tu- gend ſoll mich nicht von ihrer Verehrung und von ihrem Dienſt abſchrecken. Nein, die Sün- de iſt der Menſchen Verderben, ihr gehorchen iſt Knechtſchaft und Sclaverey, ihr Sold iſt Elend und Tod: nur die Tugend iſt und giebt Leben und Freyheit, nur ſie führet zu dauer- hafter, bleibender Glückſeligkeit. Jhre We- ge ſind liebliche Wege, und alle ihre Pfade ſind Friede. Wenn wir ſo über die Tugend und das oft
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0072" n="50"/><fw place="top" type="header">Nachdenken über die Tugend ꝛc.</fw><lb/> viel ebener und angenehmer wäre, als ſie in<lb/> der That ſind, wie verſchieden iſt nicht ihr<lb/> Ausgang! Jener, der Pfad der Tugend, füh-<lb/> ret zur Ehre, zum Ruhme, zum Leben, zur<lb/> Glückſeligkeit: dieſer, der Weg des Laſters,<lb/> zur Schande, zum Tode, zum Elende. Und<lb/> wie kurz iſt nicht die Bahn des Lebens! Wie<lb/> bald iſt ſie durchlaufen! Schnell vorübergehend<lb/> iſt jene edle Mühe, womit der Tugendhafte<lb/> das herrlichſte Ziel erſtrebet; und höchſt flüch-<lb/> tig, augenblicklich iſt die betrügliche, niedrige<lb/> Luſt, die den Laſterhaften ins Verderben ſtür-<lb/> zet. Nein, die äußern Reize des Laſters ſol-<lb/> len mich nicht blenden: die finſtere Außenſeite,<lb/> die beſcheidene, oft ſchüchterne Geſtalt der Tu-<lb/> gend ſoll mich nicht von ihrer Verehrung und<lb/> von ihrem Dienſt abſchrecken. Nein, die Sün-<lb/> de iſt der Menſchen Verderben, ihr gehorchen<lb/> iſt Knechtſchaft und Sclaverey, ihr Sold iſt<lb/> Elend und Tod: nur die Tugend iſt und giebt<lb/> Leben und Freyheit, nur ſie führet zu dauer-<lb/> hafter, bleibender Glückſeligkeit. <hi rendition="#fr">Jhre We-<lb/> ge ſind liebliche Wege, und alle ihre<lb/> Pfade ſind Friede.</hi></p><lb/> <p>Wenn wir ſo über die Tugend und das<lb/> Laſter und ihre Folgen nachdenken, und ſolches<lb/> <fw place="bottom" type="catch">oft</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0072]
Nachdenken über die Tugend ꝛc.
viel ebener und angenehmer wäre, als ſie in
der That ſind, wie verſchieden iſt nicht ihr
Ausgang! Jener, der Pfad der Tugend, füh-
ret zur Ehre, zum Ruhme, zum Leben, zur
Glückſeligkeit: dieſer, der Weg des Laſters,
zur Schande, zum Tode, zum Elende. Und
wie kurz iſt nicht die Bahn des Lebens! Wie
bald iſt ſie durchlaufen! Schnell vorübergehend
iſt jene edle Mühe, womit der Tugendhafte
das herrlichſte Ziel erſtrebet; und höchſt flüch-
tig, augenblicklich iſt die betrügliche, niedrige
Luſt, die den Laſterhaften ins Verderben ſtür-
zet. Nein, die äußern Reize des Laſters ſol-
len mich nicht blenden: die finſtere Außenſeite,
die beſcheidene, oft ſchüchterne Geſtalt der Tu-
gend ſoll mich nicht von ihrer Verehrung und
von ihrem Dienſt abſchrecken. Nein, die Sün-
de iſt der Menſchen Verderben, ihr gehorchen
iſt Knechtſchaft und Sclaverey, ihr Sold iſt
Elend und Tod: nur die Tugend iſt und giebt
Leben und Freyheit, nur ſie führet zu dauer-
hafter, bleibender Glückſeligkeit. Jhre We-
ge ſind liebliche Wege, und alle ihre
Pfade ſind Friede.
Wenn wir ſo über die Tugend und das
Laſter und ihre Folgen nachdenken, und ſolches
oft
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |