groß, wie wichtig sind nicht alle! Wie innig mit unsrer Vollkommenheit und Glückseligkeit verbunden!
Wollen wir also unser Nachdenken auf die wichtigsten Gegenstände richten, so müssen wir oft über uns selbst nachdenken, über unsre Natur, unsre Kräfte, unsre Bestimmung, unsre Würde, über die seltsam scheinende Ver- mischung von Stärke und Schwäche, von Größe und Kleinheit, die dem Menschen eigen ist. Und welcher Stoff zum Nachdenken ist das nicht! Eben so würdig als schwer; eben so fruchtbar an Nutzen als an Vergnügen. Nie kann zwar der Mensch sein eigenes Wesen er- gründen; nie alle Wunder, die ihm der Bau seines Körpers und die Wirksamkeit seiner Seele darstellet, erforschen: aber nie beschäff- tiget er sich doch vergeblich mit sich selbst; nie kehret er ohne reichen Gewinn von diesem Ge- schäffte zurücke. Je richtiger er seine Stärke und seine Schwäche, seine Einschränkungen und Mängel und seine Vorzüge gegen einander abwiegen lernet: desto besser kann er die einen gebrauchen, und desto leichter und ruhiger die andern ertragen. Je bekannter er mit sich selbst wird: desto mehr Ursachen findet er, sich seines
Daseyns
Nachdenken über ſich ſelbſt.
groß, wie wichtig ſind nicht alle! Wie innig mit unſrer Vollkommenheit und Glückſeligkeit verbunden!
Wollen wir alſo unſer Nachdenken auf die wichtigſten Gegenſtände richten, ſo müſſen wir oft über uns ſelbſt nachdenken, über unſre Natur, unſre Kräfte, unſre Beſtimmung, unſre Würde, über die ſeltſam ſcheinende Ver- miſchung von Stärke und Schwäche, von Größe und Kleinheit, die dem Menſchen eigen iſt. Und welcher Stoff zum Nachdenken iſt das nicht! Eben ſo würdig als ſchwer; eben ſo fruchtbar an Nutzen als an Vergnügen. Nie kann zwar der Menſch ſein eigenes Weſen er- gründen; nie alle Wunder, die ihm der Bau ſeines Körpers und die Wirkſamkeit ſeiner Seele darſtellet, erforſchen: aber nie beſchäff- tiget er ſich doch vergeblich mit ſich ſelbſt; nie kehret er ohne reichen Gewinn von dieſem Ge- ſchäffte zurücke. Je richtiger er ſeine Stärke und ſeine Schwäche, ſeine Einſchränkungen und Mängel und ſeine Vorzüge gegen einander abwiegen lernet: deſto beſſer kann er die einen gebrauchen, und deſto leichter und ruhiger die andern ertragen. Je bekannter er mit ſich ſelbſt wird: deſto mehr Urſachen findet er, ſich ſeines
Daſeyns
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Nachdenken über ſich ſelbſt.
groß, wie wichtig ſind nicht alle! Wie innig
mit unſrer Vollkommenheit und Glückſeligkeit
verbunden!
Wollen wir alſo unſer Nachdenken auf die
wichtigſten Gegenſtände richten, ſo müſſen wir
oft über uns ſelbſt nachdenken, über unſre
Natur, unſre Kräfte, unſre Beſtimmung,
unſre Würde, über die ſeltſam ſcheinende Ver-
miſchung von Stärke und Schwäche, von
Größe und Kleinheit, die dem Menſchen eigen
iſt. Und welcher Stoff zum Nachdenken iſt
das nicht! Eben ſo würdig als ſchwer; eben
ſo fruchtbar an Nutzen als an Vergnügen. Nie
kann zwar der Menſch ſein eigenes Weſen er-
gründen; nie alle Wunder, die ihm der Bau
ſeines Körpers und die Wirkſamkeit ſeiner
Seele darſtellet, erforſchen: aber nie beſchäff-
tiget er ſich doch vergeblich mit ſich ſelbſt; nie
kehret er ohne reichen Gewinn von dieſem Ge-
ſchäffte zurücke. Je richtiger er ſeine Stärke
und ſeine Schwäche, ſeine Einſchränkungen
und Mängel und ſeine Vorzüge gegen einander
abwiegen lernet: deſto beſſer kann er die einen
gebrauchen, und deſto leichter und ruhiger die
andern ertragen. Je bekannter er mit ſich ſelbſt
wird: deſto mehr Urſachen findet er, ſich ſeines
Daſeyns
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Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/52>, abgerufen am 22.07.2024.
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