Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.Wie muß man nachdenken? leget, was wohl aus dem, was er weiß, waser glaubet, aus diesem oder jenem Satze, aus dieser oder jener Lehre folge? was man dar- aus schließen könne? welche Aufschlüsse sie uns über andere Dinge geben? was für Anwen- dungen sich davon machen lassen? Also, was folget z. B. aus jenem Begriffe von der Mo- ralität des Menschen und seiner Handlungen? Es folget daraus, daß ich verpflichtet bin, mich selbst, meine Kräfte, meine Bestimmung, mei- ne Verhältnisse gegen andere, den Willen Got- tes in der Natur und in der Schrift immer bes- ser kennen zu lernen, und alle diese Dinge nie aus dem Gesichte zu verlieren. Es folget dar- aus, daß ich nicht blindlings, nicht unbedacht- sam, nicht nach bloßen Trieben handeln, nicht blos auf das, was mir angenehm oder unange- nehm ist, sehen, nicht gleich dem Thiere bey dem gegenwärtigen Augenblicke stehen, und dem ersten Anstoße oder Eindrucke folgen darf; sondern daß ich jede Sache überlegen, mich nur nach reifer Ueberlegung entschließen, mich ge- nau nach den mir vorgeschriebenen Gesetzen rich- ten, und das Gegenwärtige und Zukünftige mit einander verbinden muß, wenn ich als ein moralisches Geschöpf handeln, wenn ich von meinem
Wie muß man nachdenken? leget, was wohl aus dem, was er weiß, waser glaubet, aus dieſem oder jenem Satze, aus dieſer oder jener Lehre folge? was man dar- aus ſchließen könne? welche Aufſchlüſſe ſie uns über andere Dinge geben? was für Anwen- dungen ſich davon machen laſſen? Alſo, was folget z. B. aus jenem Begriffe von der Mo- ralität des Menſchen und ſeiner Handlungen? Es folget daraus, daß ich verpflichtet bin, mich ſelbſt, meine Kräfte, meine Beſtimmung, mei- ne Verhältniſſe gegen andere, den Willen Got- tes in der Natur und in der Schrift immer beſ- ſer kennen zu lernen, und alle dieſe Dinge nie aus dem Geſichte zu verlieren. Es folget dar- aus, daß ich nicht blindlings, nicht unbedacht- ſam, nicht nach bloßen Trieben handeln, nicht blos auf das, was mir angenehm oder unange- nehm iſt, ſehen, nicht gleich dem Thiere bey dem gegenwärtigen Augenblicke ſtehen, und dem erſten Anſtoße oder Eindrucke folgen darf; ſondern daß ich jede Sache überlegen, mich nur nach reifer Ueberlegung entſchließen, mich ge- nau nach den mir vorgeſchriebenen Geſetzen rich- ten, und das Gegenwärtige und Zukünftige mit einander verbinden muß, wenn ich als ein moraliſches Geſchöpf handeln, wenn ich von meinem
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Wie muß man nachdenken?
leget, was wohl aus dem, was er weiß, was
er glaubet, aus dieſem oder jenem Satze, aus
dieſer oder jener Lehre folge? was man dar-
aus ſchließen könne? welche Aufſchlüſſe ſie uns
über andere Dinge geben? was für Anwen-
dungen ſich davon machen laſſen? Alſo, was
folget z. B. aus jenem Begriffe von der Mo-
ralität des Menſchen und ſeiner Handlungen?
Es folget daraus, daß ich verpflichtet bin, mich
ſelbſt, meine Kräfte, meine Beſtimmung, mei-
ne Verhältniſſe gegen andere, den Willen Got-
tes in der Natur und in der Schrift immer beſ-
ſer kennen zu lernen, und alle dieſe Dinge nie
aus dem Geſichte zu verlieren. Es folget dar-
aus, daß ich nicht blindlings, nicht unbedacht-
ſam, nicht nach bloßen Trieben handeln, nicht
blos auf das, was mir angenehm oder unange-
nehm iſt, ſehen, nicht gleich dem Thiere bey
dem gegenwärtigen Augenblicke ſtehen, und
dem erſten Anſtoße oder Eindrucke folgen darf;
ſondern daß ich jede Sache überlegen, mich nur
nach reifer Ueberlegung entſchließen, mich ge-
nau nach den mir vorgeſchriebenen Geſetzen rich-
ten, und das Gegenwärtige und Zukünftige
mit einander verbinden muß, wenn ich als ein
moraliſches Geſchöpf handeln, wenn ich von
meinem
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