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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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II. Die Schriftlehre vom Urstande.
anthropologische Forschung auf merkwürdige Weise übereinkommt,
sofern sie die Annahme, als ob aus wilden Jagdvölkern von selbst,
d. h. ohne die civilisirende Beihilfe höherstehender Völker, jemals
seßhafte Ackerbaubetreiber oder auch friedliche Nomaden geworden
seien, mehr und mehr als irrthümlich und durch keinerlei geschicht-
liches Beispiel bezeugt erkennt.1) -- Was von ferneren civilisato-
rischen Fortschritten der Menschheit in der mosaischen Urgeschichte
angedeutet wird, hält sich zunächst für das vorsintfluthliche Zeitalter
überwiegend innerhalb des Bereichs jener frühzeitig zu gottlosem
Treiben entarteten Kainiten, deren Genealogie das 4. Kapitel der
Genesis bietet. Gerade diesem vornoachischen Ur-Heidenthum werden
mehrere vorzugsweise wichtige Errungenschaften des ältesten cul-
turellen Strebens zugeschrieben. Kain sammt seinem Sohne Hanoch
erscheint als ältester Städteerbauer, Lamech als Erfinder des
Waffenhandwerks und Kriegsrechts in seinen frühesten rohen An-
fängen. Von Lamechs Söhnen wird Jabal als Urheber des noma-
dischen Zelt- und Wanderlebens genannt, Jubal als Erfinder der
ältesten Musikinstrumente, Thubalkain als "Meister in allerlei Erz-
und Eisenwerk", d. h. als Erfinder der Metallgeräthe und des
Schmiedehandwerks. Treten als Objecte dieser vom Lamech-Sohne
erfundenen Schmiedekunst bedeutsamerweise schon beide Hauptwerk-
metalle: Erz und Eisen nebeneinander, nicht etwa (gemäß neueren
archäologischen Phantasieen) zuerst bloß das Erstere, hervor:2) so
scheint im Namen, der Schwester dieses biblischen Vulkanus:
Naama, "die Liebliche", eine Hinweisung anf die frühzeitige Ver-
werthung der metallbereitenden Kunst zur Bereitung auch zierlicher
Schmucksachen zur Hebung menschlicher Schönheit zu liegen (vgl.

1) Ueber die ethnologische Unbeweisbarkeit der herkömmlich angenommenen
Entwicklungsreihe: Jäger, Hirten, Ackerbauer s. unten, am Schlusse des die
sprach- religions- und culturgeschichtlichen Jnstanzen behandelnden Abschnitts.
2) Wegen der Unhaltbarkeit der fast ein Menschenalter hindurch verbreitet
gewesenen Stein-, Bronze- und Eisentheorie s. die unten, im vorletzten Abschnitte
folgenden Mittheilungen.

II. Die Schriftlehre vom Urſtande.
anthropologiſche Forſchung auf merkwürdige Weiſe übereinkommt,
ſofern ſie die Annahme, als ob aus wilden Jagdvölkern von ſelbſt,
d. h. ohne die civiliſirende Beihilfe höherſtehender Völker, jemals
ſeßhafte Ackerbaubetreiber oder auch friedliche Nomaden geworden
ſeien, mehr und mehr als irrthümlich und durch keinerlei geſchicht-
liches Beiſpiel bezeugt erkennt.1) — Was von ferneren civiliſato-
riſchen Fortſchritten der Menſchheit in der moſaiſchen Urgeſchichte
angedeutet wird, hält ſich zunächſt für das vorſintfluthliche Zeitalter
überwiegend innerhalb des Bereichs jener frühzeitig zu gottloſem
Treiben entarteten Kainiten, deren Genealogie das 4. Kapitel der
Geneſis bietet. Gerade dieſem vornoachiſchen Ur-Heidenthum werden
mehrere vorzugsweiſe wichtige Errungenſchaften des älteſten cul-
turellen Strebens zugeſchrieben. Kain ſammt ſeinem Sohne Hanoch
erſcheint als älteſter Städteerbauer, Lamech als Erfinder des
Waffenhandwerks und Kriegsrechts in ſeinen früheſten rohen An-
fängen. Von Lamechs Söhnen wird Jabal als Urheber des noma-
diſchen Zelt- und Wanderlebens genannt, Jubal als Erfinder der
älteſten Muſikinſtrumente, Thubalkain als „Meiſter in allerlei Erz-
und Eiſenwerk‟, d. h. als Erfinder der Metallgeräthe und des
Schmiedehandwerks. Treten als Objecte dieſer vom Lamech-Sohne
erfundenen Schmiedekunſt bedeutſamerweiſe ſchon beide Hauptwerk-
metalle: Erz und Eiſen nebeneinander, nicht etwa (gemäß neueren
archäologiſchen Phantaſieen) zuerſt bloß das Erſtere, hervor:2) ſo
ſcheint im Namen, der Schweſter dieſes bibliſchen Vulkanus:
Naama, „die Liebliche‟, eine Hinweiſung anf die frühzeitige Ver-
werthung der metallbereitenden Kunſt zur Bereitung auch zierlicher
Schmuckſachen zur Hebung menſchlicher Schönheit zu liegen (vgl.

1) Ueber die ethnologiſche Unbeweisbarkeit der herkömmlich angenommenen
Entwicklungsreihe: Jäger, Hirten, Ackerbauer ſ. unten, am Schluſſe des die
ſprach- religions- und culturgeſchichtlichen Jnſtanzen behandelnden Abſchnitts.
2) Wegen der Unhaltbarkeit der faſt ein Menſchenalter hindurch verbreitet
geweſenen Stein-, Bronze- und Eiſentheorie ſ. die unten, im vorletzten Abſchnitte
folgenden Mittheilungen.
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[80/0090] II. Die Schriftlehre vom Urſtande. anthropologiſche Forſchung auf merkwürdige Weiſe übereinkommt, ſofern ſie die Annahme, als ob aus wilden Jagdvölkern von ſelbſt, d. h. ohne die civiliſirende Beihilfe höherſtehender Völker, jemals ſeßhafte Ackerbaubetreiber oder auch friedliche Nomaden geworden ſeien, mehr und mehr als irrthümlich und durch keinerlei geſchicht- liches Beiſpiel bezeugt erkennt. 1) — Was von ferneren civiliſato- riſchen Fortſchritten der Menſchheit in der moſaiſchen Urgeſchichte angedeutet wird, hält ſich zunächſt für das vorſintfluthliche Zeitalter überwiegend innerhalb des Bereichs jener frühzeitig zu gottloſem Treiben entarteten Kainiten, deren Genealogie das 4. Kapitel der Geneſis bietet. Gerade dieſem vornoachiſchen Ur-Heidenthum werden mehrere vorzugsweiſe wichtige Errungenſchaften des älteſten cul- turellen Strebens zugeſchrieben. Kain ſammt ſeinem Sohne Hanoch erſcheint als älteſter Städteerbauer, Lamech als Erfinder des Waffenhandwerks und Kriegsrechts in ſeinen früheſten rohen An- fängen. Von Lamechs Söhnen wird Jabal als Urheber des noma- diſchen Zelt- und Wanderlebens genannt, Jubal als Erfinder der älteſten Muſikinſtrumente, Thubalkain als „Meiſter in allerlei Erz- und Eiſenwerk‟, d. h. als Erfinder der Metallgeräthe und des Schmiedehandwerks. Treten als Objecte dieſer vom Lamech-Sohne erfundenen Schmiedekunſt bedeutſamerweiſe ſchon beide Hauptwerk- metalle: Erz und Eiſen nebeneinander, nicht etwa (gemäß neueren archäologiſchen Phantaſieen) zuerſt bloß das Erſtere, hervor: 2) ſo ſcheint im Namen, der Schweſter dieſes bibliſchen Vulkanus: Naama, „die Liebliche‟, eine Hinweiſung anf die frühzeitige Ver- werthung der metallbereitenden Kunſt zur Bereitung auch zierlicher Schmuckſachen zur Hebung menſchlicher Schönheit zu liegen (vgl. 1) Ueber die ethnologiſche Unbeweisbarkeit der herkömmlich angenommenen Entwicklungsreihe: Jäger, Hirten, Ackerbauer ſ. unten, am Schluſſe des die ſprach- religions- und culturgeſchichtlichen Jnſtanzen behandelnden Abſchnitts. 2) Wegen der Unhaltbarkeit der faſt ein Menſchenalter hindurch verbreitet geweſenen Stein-, Bronze- und Eiſentheorie ſ. die unten, im vorletzten Abſchnitte folgenden Mittheilungen.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/90>, abgerufen am 25.11.2024.