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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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II. Die Schriftlehre vom Urstande.
sondern lediglich von der inneren Seite der Sache. Mit dem jeho-
vistischen Berichte vollends ist jene Beschränkung des Moments der
Gottbildlichkeit auf des Menschen äußere Naturstellung gänzlich un-
vereinbar. Ein ethisches Gebot Gottes erscheint hier mit der Ein-
setzung des Menschen in die naturbeherrschende Würde unmittelbar
verknüpft; und sofort nach Uebertretung dieses Gebots verliert der
Mensch die concentrirtere und idealere Form seines Regierens über
die Erdenschöpfung, die ihm als Paradiesesbeherrscher verliehen ge-
wesen war; die Naturbeherrschung im engeren Sinne hört auf, um
sogar einer theilweisen Knechtung, Gefährdung und Vergewaltigung
des menschlichen Daseins durch feindliche Elemente und Potenzen der
nachparadiesischen Erdennatur Platz zu machen. -- Jene socinianisch-
rationalistische Beschränkung der Gottbildlichkeit auf die äußere Na-
turstellung des Menschen erscheint also als unzulässig. Jmmerhin
verdient das Gewicht, welches beide schöpfungsgeschichtliche Urkunden,
und mit ihnen einhellig die poetische Schilderung in Psalm 8, auf
die naturbeherrschende Würde und Aufgabe unsres Geschlechts legen,
wohl beachtet zu werden. Das Herrschen über die niederen Crea-
turen ist offenbar nicht als etwas physisch-Aeußerliches gedacht, son-
dern als ein Stück ethischer Berufserfüllung, ja als der vornehmsten
religiös-ethischen Aufgaben und Pflichten eine. Die gottbildliche und
gottverwandte Menschheitsfamilie soll eben darin ihrem göttlichen
Urheber gleichen, daß sie wie dieser über das ganze Weltall, so über
ihre besondere Wohnstätte, die Erde herrscht. "Der Himmel
allenthalben ist des HErn: aber die Erde hat er den Menschen-
kindern gegeben" (Ps. 113, 16). Dasselbe liebreiche und erbar-
mungsvolle Herrscherwalten, das Gott in Bezug auf alle Schöpfungs-
bereiche insgesammt bethätigt, soll die Menschheit an der Erde und
den irdischen Naturgenossen üben lernen. Wie einst der Garten
Eden durch Adam, so soll der ganze Erdball durch Adams Geschlecht
bebauet und bewahret werden, bis daß alle Reiche dieser Welt
unsres Herrn und seines Christus geworden sind. Der Anfang
weist hier, trotz des Zwischeneinkommens der Sünde, mit zwingen-

II. Die Schriftlehre vom Urſtande.
ſondern lediglich von der inneren Seite der Sache. Mit dem jeho-
viſtiſchen Berichte vollends iſt jene Beſchränkung des Moments der
Gottbildlichkeit auf des Menſchen äußere Naturſtellung gänzlich un-
vereinbar. Ein ethiſches Gebot Gottes erſcheint hier mit der Ein-
ſetzung des Menſchen in die naturbeherrſchende Würde unmittelbar
verknüpft; und ſofort nach Uebertretung dieſes Gebots verliert der
Menſch die concentrirtere und idealere Form ſeines Regierens über
die Erdenſchöpfung, die ihm als Paradieſesbeherrſcher verliehen ge-
weſen war; die Naturbeherrſchung im engeren Sinne hört auf, um
ſogar einer theilweiſen Knechtung, Gefährdung und Vergewaltigung
des menſchlichen Daſeins durch feindliche Elemente und Potenzen der
nachparadieſiſchen Erdennatur Platz zu machen. — Jene ſocinianiſch-
rationaliſtiſche Beſchränkung der Gottbildlichkeit auf die äußere Na-
turſtellung des Menſchen erſcheint alſo als unzuläſſig. Jmmerhin
verdient das Gewicht, welches beide ſchöpfungsgeſchichtliche Urkunden,
und mit ihnen einhellig die poetiſche Schilderung in Pſalm 8, auf
die naturbeherrſchende Würde und Aufgabe unſres Geſchlechts legen,
wohl beachtet zu werden. Das Herrſchen über die niederen Crea-
turen iſt offenbar nicht als etwas phyſiſch-Aeußerliches gedacht, ſon-
dern als ein Stück ethiſcher Berufserfüllung, ja als der vornehmſten
religiös-ethiſchen Aufgaben und Pflichten eine. Die gottbildliche und
gottverwandte Menſchheitsfamilie ſoll eben darin ihrem göttlichen
Urheber gleichen, daß ſie wie dieſer über das ganze Weltall, ſo über
ihre beſondere Wohnſtätte, die Erde herrſcht. „Der Himmel
allenthalben iſt des HErn: aber die Erde hat er den Menſchen-
kindern gegeben‟ (Pſ. 113, 16). Daſſelbe liebreiche und erbar-
mungsvolle Herrſcherwalten, das Gott in Bezug auf alle Schöpfungs-
bereiche insgeſammt bethätigt, ſoll die Menſchheit an der Erde und
den irdiſchen Naturgenoſſen üben lernen. Wie einſt der Garten
Eden durch Adam, ſo ſoll der ganze Erdball durch Adams Geſchlecht
bebauet und bewahret werden, bis daß alle Reiche dieſer Welt
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weiſt hier, trotz des Zwiſcheneinkommens der Sünde, mit zwingen-

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[68/0078] II. Die Schriftlehre vom Urſtande. ſondern lediglich von der inneren Seite der Sache. Mit dem jeho- viſtiſchen Berichte vollends iſt jene Beſchränkung des Moments der Gottbildlichkeit auf des Menſchen äußere Naturſtellung gänzlich un- vereinbar. Ein ethiſches Gebot Gottes erſcheint hier mit der Ein- ſetzung des Menſchen in die naturbeherrſchende Würde unmittelbar verknüpft; und ſofort nach Uebertretung dieſes Gebots verliert der Menſch die concentrirtere und idealere Form ſeines Regierens über die Erdenſchöpfung, die ihm als Paradieſesbeherrſcher verliehen ge- weſen war; die Naturbeherrſchung im engeren Sinne hört auf, um ſogar einer theilweiſen Knechtung, Gefährdung und Vergewaltigung des menſchlichen Daſeins durch feindliche Elemente und Potenzen der nachparadieſiſchen Erdennatur Platz zu machen. — Jene ſocinianiſch- rationaliſtiſche Beſchränkung der Gottbildlichkeit auf die äußere Na- turſtellung des Menſchen erſcheint alſo als unzuläſſig. Jmmerhin verdient das Gewicht, welches beide ſchöpfungsgeſchichtliche Urkunden, und mit ihnen einhellig die poetiſche Schilderung in Pſalm 8, auf die naturbeherrſchende Würde und Aufgabe unſres Geſchlechts legen, wohl beachtet zu werden. Das Herrſchen über die niederen Crea- turen iſt offenbar nicht als etwas phyſiſch-Aeußerliches gedacht, ſon- dern als ein Stück ethiſcher Berufserfüllung, ja als der vornehmſten religiös-ethiſchen Aufgaben und Pflichten eine. Die gottbildliche und gottverwandte Menſchheitsfamilie ſoll eben darin ihrem göttlichen Urheber gleichen, daß ſie wie dieſer über das ganze Weltall, ſo über ihre beſondere Wohnſtätte, die Erde herrſcht. „Der Himmel allenthalben iſt des HErn: aber die Erde hat er den Menſchen- kindern gegeben‟ (Pſ. 113, 16). Daſſelbe liebreiche und erbar- mungsvolle Herrſcherwalten, das Gott in Bezug auf alle Schöpfungs- bereiche insgeſammt bethätigt, ſoll die Menſchheit an der Erde und den irdiſchen Naturgenoſſen üben lernen. Wie einſt der Garten Eden durch Adam, ſo ſoll der ganze Erdball durch Adams Geſchlecht bebauet und bewahret werden, bis daß alle Reiche dieſer Welt unſres Herrn und ſeines Chriſtus geworden ſind. Der Anfang weiſt hier, trotz des Zwiſcheneinkommens der Sünde, mit zwingen-

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/78>, abgerufen am 22.11.2024.