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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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IX. Das Alter des Menschengeschlechts.
Nilschlamme in einer Tiefe von 72 F. aufgefundnen Thonscherben
nach Horner 24 000 Jahre, die dänischen Küchenabfälle wegen der
in ihnen vorkommenden Knochenreste vom Auerhahn nach Steenstrup
u. AA. mindestens 4 000 Jahre, oder nach Lyell gar 16 000 Jahre
-- lauter gleich willkürliche Schätzungen, denen jetzt schon kein be-
sonnener Forscher mehr irgendwelchen Werth beilegt. 1)

Wohl der ärgste Schwindel auf dem hier in Rede stehenden
Gebiete ist eine Zeitlang mit den Pfahlbauten und den an sie
geknüpften Berechnungen des Alters der mitteleuropäischen Cultur-
völker getrieben worden. Mehrere der ersten Erforscher dieser zuerst
1854 im Züricher See, dann bald in den meisten übrigen Schweizer-
seen, vielen Seen Oberitaliens, Oesterreichs, Deutschlands etc. entdeckten
merkwürdigen Wasserwohnungen aus scheinbar vorhistorischer Zeit ver-
stiegen sich zu maaßlos hohen Schätzungen des Alters ihrer ein-
stigen Erbauer und Bewohner und fanden dafür Glauben in weiteren
Kreisen. Ferdinand Keller in Zürich, der eigentliche Begründer dieses
archäologischen Forschungsbereichs, legte dem untersten, seinem Jnhalte
nach anscheinend noch der Steinzeit angehörigen Stockwerke der
Pfahlbauten von Robenhausen ein Alter von 6720 Jahren bei.
Morlot suchte aus Anschwemmungen der Tiniere bei ihrer Mündung
in den Genfersee für die Pfahlbauten in den Umgebungen dieses Sees
ein Alter von 10--13 000 Jahren herauszurechnen. Etwas vorsichtiger
verfuhr Troyon in Lausanne sowie Gillieron, welcher Letztere einer
Pfahlwohnung zwischen dem Neuchateler und Bieler See ein Alter
von 6750 Jahren ertheilte. Für weit jenseits aller historischen Zeit
entstanden wurden die mitteleuropäischen Pfahlbauten während des
ersten Jahrzehnis nach ihrer Entdeckung auch von vielen sonst be-
sonnenen Alterthumsforschern gehalten. Namentlich auch für die in
Mecklenburg und andern Ostseeländern entdeckten Seewohnungen
dieser Art meinten Lisch und Virchow, übereinstimmend mit der

1) Vgl. überhaupt Reusch, Bibel und Ratur, 4. Aufl., S. 590 f.;
Güttler, a. a. O., S. 279 ff., u. m. "Gesch. der Beziehungen etc.," II, 587 ff.

IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts.
Nilſchlamme in einer Tiefe von 72 F. aufgefundnen Thonſcherben
nach Horner 24 000 Jahre, die däniſchen Küchenabfälle wegen der
in ihnen vorkommenden Knochenreſte vom Auerhahn nach Steenſtrup
u. AA. mindeſtens 4 000 Jahre, oder nach Lyell gar 16 000 Jahre
— lauter gleich willkürliche Schätzungen, denen jetzt ſchon kein be-
ſonnener Forſcher mehr irgendwelchen Werth beilegt. 1)

Wohl der ärgſte Schwindel auf dem hier in Rede ſtehenden
Gebiete iſt eine Zeitlang mit den Pfahlbauten und den an ſie
geknüpften Berechnungen des Alters der mitteleuropäiſchen Cultur-
völker getrieben worden. Mehrere der erſten Erforſcher dieſer zuerſt
1854 im Züricher See, dann bald in den meiſten übrigen Schweizer-
ſeen, vielen Seen Oberitaliens, Oeſterreichs, Deutſchlands ꝛc. entdeckten
merkwürdigen Waſſerwohnungen aus ſcheinbar vorhiſtoriſcher Zeit ver-
ſtiegen ſich zu maaßlos hohen Schätzungen des Alters ihrer ein-
ſtigen Erbauer und Bewohner und fanden dafür Glauben in weiteren
Kreiſen. Ferdinand Keller in Zürich, der eigentliche Begründer dieſes
archäologiſchen Forſchungsbereichs, legte dem unterſten, ſeinem Jnhalte
nach anſcheinend noch der Steinzeit angehörigen Stockwerke der
Pfahlbauten von Robenhauſen ein Alter von 6720 Jahren bei.
Morlot ſuchte aus Anſchwemmungen der Tinière bei ihrer Mündung
in den Genferſee für die Pfahlbauten in den Umgebungen dieſes Sees
ein Alter von 10—13 000 Jahren herauszurechnen. Etwas vorſichtiger
verfuhr Troyon in Lauſanne ſowie Gillièron, welcher Letztere einer
Pfahlwohnung zwiſchen dem Neuchateler und Bieler See ein Alter
von 6750 Jahren ertheilte. Für weit jenſeits aller hiſtoriſchen Zeit
entſtanden wurden die mitteleuropäiſchen Pfahlbauten während des
erſten Jahrzehnis nach ihrer Entdeckung auch von vielen ſonſt be-
ſonnenen Alterthumsforſchern gehalten. Namentlich auch für die in
Mecklenburg und andern Oſtſeeländern entdeckten Seewohnungen
dieſer Art meinten Liſch und Virchow, übereinſtimmend mit der

1) Vgl. überhaupt Reuſch, Bibel und Ratur, 4. Aufl., S. 590 f.;
Güttler, a. a. O., S. 279 ff., u. m. „Geſch. der Beziehungen ꝛc.,‟ II, 587 ff.
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[309/0319] IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts. Nilſchlamme in einer Tiefe von 72 F. aufgefundnen Thonſcherben nach Horner 24 000 Jahre, die däniſchen Küchenabfälle wegen der in ihnen vorkommenden Knochenreſte vom Auerhahn nach Steenſtrup u. AA. mindeſtens 4 000 Jahre, oder nach Lyell gar 16 000 Jahre — lauter gleich willkürliche Schätzungen, denen jetzt ſchon kein be- ſonnener Forſcher mehr irgendwelchen Werth beilegt. 1) Wohl der ärgſte Schwindel auf dem hier in Rede ſtehenden Gebiete iſt eine Zeitlang mit den Pfahlbauten und den an ſie geknüpften Berechnungen des Alters der mitteleuropäiſchen Cultur- völker getrieben worden. Mehrere der erſten Erforſcher dieſer zuerſt 1854 im Züricher See, dann bald in den meiſten übrigen Schweizer- ſeen, vielen Seen Oberitaliens, Oeſterreichs, Deutſchlands ꝛc. entdeckten merkwürdigen Waſſerwohnungen aus ſcheinbar vorhiſtoriſcher Zeit ver- ſtiegen ſich zu maaßlos hohen Schätzungen des Alters ihrer ein- ſtigen Erbauer und Bewohner und fanden dafür Glauben in weiteren Kreiſen. Ferdinand Keller in Zürich, der eigentliche Begründer dieſes archäologiſchen Forſchungsbereichs, legte dem unterſten, ſeinem Jnhalte nach anſcheinend noch der Steinzeit angehörigen Stockwerke der Pfahlbauten von Robenhauſen ein Alter von 6720 Jahren bei. Morlot ſuchte aus Anſchwemmungen der Tinière bei ihrer Mündung in den Genferſee für die Pfahlbauten in den Umgebungen dieſes Sees ein Alter von 10—13 000 Jahren herauszurechnen. Etwas vorſichtiger verfuhr Troyon in Lauſanne ſowie Gillièron, welcher Letztere einer Pfahlwohnung zwiſchen dem Neuchateler und Bieler See ein Alter von 6750 Jahren ertheilte. Für weit jenſeits aller hiſtoriſchen Zeit entſtanden wurden die mitteleuropäiſchen Pfahlbauten während des erſten Jahrzehnis nach ihrer Entdeckung auch von vielen ſonſt be- ſonnenen Alterthumsforſchern gehalten. Namentlich auch für die in Mecklenburg und andern Oſtſeeländern entdeckten Seewohnungen dieſer Art meinten Liſch und Virchow, übereinſtimmend mit der 1) Vgl. überhaupt Reuſch, Bibel und Ratur, 4. Aufl., S. 590 f.; Güttler, a. a. O., S. 279 ff., u. m. „Geſch. der Beziehungen ꝛc.,‟ II, 587 ff.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/319>, abgerufen am 23.11.2024.