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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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IX. Das Alter des Menschengeschlechts.
von v. Pessl 3917, von Lepsius und Ebers 3892, von Bunsen
3623, von Seyffarth und Uhlemann 2782, von Wilkinson um
2700 u. s. f.! Von den letzten dieser Angaben darf aller Wahr-
scheinlichkeit nach eher angenommen werden, daß sie der geschichtlichen
Wahrheit nahe kommen, als von den ersteren. Wäre aber auch
eine der mittleren Zahlen als die ungefähr richtige festzuhalten, so
würde damit immer noch nichts der biblischen Chronologie zum
Umsturz Gereichendes aufgestellt sein. Denn als historisch im
strengen Sinne des Worts kann die Persönlichkeit des Urpharao
Menes, der bei solcher Annahme als Zeitgenosse des biblischen Adam
erscheinen würde, unmöglich betrachtet werden; er sowohl wie seine
Nachfolger aus der ersten und den heiden folgenden Dynastien, sind
von halbmythischem Helldunkel umgeben, das erst etwa 800 Jahre
nach Menes, unter den pyramidenerbauenden Herrschern der 4.
Dynastie, hellerem geschichtlichem Lichte zu weichen beginnt. Man
wird die Königsreihe von Menes bis auf Snefru den Begründer
der 4. Dynastie und Vorgänger des ersten Pyramidenerbauers Chufu
(Cheops), etwa als ägyptische Zeitgenossen der Makrobierpatriarchen
zwischen Adam und Noah, oder wenigstens eines Theils derselben,
denken dürfen. Mehrere Umstände scheinen für diese Combination
zu sprechen; so die an Henochs 365 Jahre erinnernde Einführung
des 365tägigen Sonnenjahrs unter Tosorthros, einem Könige der
3. Dynastie, welcher außerdem auch als Erfinder der Heilkunst und
der Schreibkunst gepriesen wurde; so die Andeutungen bei Manethos,
Ammianus Martellinus und Andren, wonach verschiedne Urkunden
und Baudenkmäler (Königsgräber, Pyramiden) des ältesten Aegypten
die Sintfluth überdauert hätten etc.; so auch manche Anklänge dieser
sagenhaften Urtraditionen des Nilvolks an das, was Berosus über
die babylonischen Urkönige von Aloros bis auf Xisuthros über-
liefert. -- Geht demzufolge das halbmythische Zeitalter der ägyp-
tischen Geschichte -- jene vor-pyramidale Epoche, von der wir
lediglich "halb Mähr halb Wahres" (Brugsch) wissen -- erst gegen
3000 v. Chr. oder auch noch etwas später zu Ende, so erscheint es

IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts.
von v. Peſſl 3917, von Lepſius und Ebers 3892, von Bunſen
3623, von Seyffarth und Uhlemann 2782, von Wilkinſon um
2700 u. ſ. f.! Von den letzten dieſer Angaben darf aller Wahr-
ſcheinlichkeit nach eher angenommen werden, daß ſie der geſchichtlichen
Wahrheit nahe kommen, als von den erſteren. Wäre aber auch
eine der mittleren Zahlen als die ungefähr richtige feſtzuhalten, ſo
würde damit immer noch nichts der bibliſchen Chronologie zum
Umſturz Gereichendes aufgeſtellt ſein. Denn als hiſtoriſch im
ſtrengen Sinne des Worts kann die Perſönlichkeit des Urpharao
Menes, der bei ſolcher Annahme als Zeitgenoſſe des bibliſchen Adam
erſcheinen würde, unmöglich betrachtet werden; er ſowohl wie ſeine
Nachfolger aus der erſten und den heiden folgenden Dynaſtien, ſind
von halbmythiſchem Helldunkel umgeben, das erſt etwa 800 Jahre
nach Menes, unter den pyramidenerbauenden Herrſchern der 4.
Dynaſtie, hellerem geſchichtlichem Lichte zu weichen beginnt. Man
wird die Königsreihe von Menes bis auf Snefru den Begründer
der 4. Dynaſtie und Vorgänger des erſten Pyramidenerbauers Chufu
(Cheops), etwa als ägyptiſche Zeitgenoſſen der Makrobierpatriarchen
zwiſchen Adam und Noah, oder wenigſtens eines Theils derſelben,
denken dürfen. Mehrere Umſtände ſcheinen für dieſe Combination
zu ſprechen; ſo die an Henochs 365 Jahre erinnernde Einführung
des 365tägigen Sonnenjahrs unter Toſorthros, einem Könige der
3. Dynaſtie, welcher außerdem auch als Erfinder der Heilkunſt und
der Schreibkunſt geprieſen wurde; ſo die Andeutungen bei Manethos,
Ammianus Martellinus und Andren, wonach verſchiedne Urkunden
und Baudenkmäler (Königsgräber, Pyramiden) des älteſten Aegypten
die Sintfluth überdauert hätten ꝛc.; ſo auch manche Anklänge dieſer
ſagenhaften Urtraditionen des Nilvolks an das, was Beroſus über
die babyloniſchen Urkönige von Aloros bis auf Xiſuthros über-
liefert. — Geht demzufolge das halbmythiſche Zeitalter der ägyp-
tiſchen Geſchichte — jene vor-pyramidale Epoche, von der wir
lediglich „halb Mähr halb Wahres‟ (Brugſch) wiſſen — erſt gegen
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[296/0306] IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts. von v. Peſſl 3917, von Lepſius und Ebers 3892, von Bunſen 3623, von Seyffarth und Uhlemann 2782, von Wilkinſon um 2700 u. ſ. f.! Von den letzten dieſer Angaben darf aller Wahr- ſcheinlichkeit nach eher angenommen werden, daß ſie der geſchichtlichen Wahrheit nahe kommen, als von den erſteren. Wäre aber auch eine der mittleren Zahlen als die ungefähr richtige feſtzuhalten, ſo würde damit immer noch nichts der bibliſchen Chronologie zum Umſturz Gereichendes aufgeſtellt ſein. Denn als hiſtoriſch im ſtrengen Sinne des Worts kann die Perſönlichkeit des Urpharao Menes, der bei ſolcher Annahme als Zeitgenoſſe des bibliſchen Adam erſcheinen würde, unmöglich betrachtet werden; er ſowohl wie ſeine Nachfolger aus der erſten und den heiden folgenden Dynaſtien, ſind von halbmythiſchem Helldunkel umgeben, das erſt etwa 800 Jahre nach Menes, unter den pyramidenerbauenden Herrſchern der 4. Dynaſtie, hellerem geſchichtlichem Lichte zu weichen beginnt. Man wird die Königsreihe von Menes bis auf Snefru den Begründer der 4. Dynaſtie und Vorgänger des erſten Pyramidenerbauers Chufu (Cheops), etwa als ägyptiſche Zeitgenoſſen der Makrobierpatriarchen zwiſchen Adam und Noah, oder wenigſtens eines Theils derſelben, denken dürfen. Mehrere Umſtände ſcheinen für dieſe Combination zu ſprechen; ſo die an Henochs 365 Jahre erinnernde Einführung des 365tägigen Sonnenjahrs unter Toſorthros, einem Könige der 3. Dynaſtie, welcher außerdem auch als Erfinder der Heilkunſt und der Schreibkunſt geprieſen wurde; ſo die Andeutungen bei Manethos, Ammianus Martellinus und Andren, wonach verſchiedne Urkunden und Baudenkmäler (Königsgräber, Pyramiden) des älteſten Aegypten die Sintfluth überdauert hätten ꝛc.; ſo auch manche Anklänge dieſer ſagenhaften Urtraditionen des Nilvolks an das, was Beroſus über die babyloniſchen Urkönige von Aloros bis auf Xiſuthros über- liefert. — Geht demzufolge das halbmythiſche Zeitalter der ägyp- tiſchen Geſchichte — jene vor-pyramidale Epoche, von der wir lediglich „halb Mähr halb Wahres‟ (Brugſch) wiſſen — erſt gegen 3000 v. Chr. oder auch noch etwas ſpäter zu Ende, ſo erſcheint es

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/306>, abgerufen am 03.05.2024.