Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.I. Der Urstand nach kirchlicher Ueberlieferung. Phantasiekunststücken und zu den seltsamsten Verhandlungen überdas, was von den Gegenständen jenes Wissens etwa ausgenommen werden könne. Als Alfons Tostatus, einer der selbständigeren scholastischen Exegeten im 15. Jahrhundert, Adams Weisheit in natürlichen Dingen wenigstens so weit herabzusetzen gewagt hatte, daß er diejenige Salomo's, des Weisesten aller Menschen, für größer erklärte, widersprach man ihm von allen Seiten. Aehnlich erging es dem Cardinal Cajetan, als derselbe, überhaupt ein resoluter Gegner des exegetischen Herkommens, wenigstens die Gestirne des Himmels, die Tiefen des Meeres und das Jnnere der Erde von dem was Adam gewußt habe, auszunehmen versucht hatte. Alle widersprachen ihm hierin: die Exegeten Pererius, Pineda, Mersenne etc., wie die Dogmatiker Gregor von Valentin, Suarez u. AA. Jm großen Genesiscommentar des Minimenpaters Mersenne befindet sich ein längeres Kapitel, welches ausführlich "über die Wissenschaft Adams" handelt. Adam, so wird da gelehrt, trug die Keime sämmtlicher 100 Wissenschaften, die man überhaupt zu zählen hat, schon in sich; die 14 Classen oder Gruppen, in welche dieser Jn- begriff aller Wissenschaften nach Mersenne zerfallen, erinnern merk- würdig an jene 14 Vorzüge Adams nach Barcepha.1) Bei dem Jesuiten Suarez, -- demselben Meister in spitzfindigster dogmatischer Casuistik, welcher jener Frage wegen des Kindererzeugens Adams und Evas ohne Sündenfall ein ganzes Buch widmet und darin umständliche Untersuchungen auch darüber anstellt, ob es im sündlos verbliebenen Menschengeschlechte wohl unfruchtbare Männer oder Frauen gegeben haben, ob man im Paradiese wohl Städte, Ge- meinden und dgl. gegründet haben, ob wohl eine Vermannigfaltigung der Nahrungsmittel daselbst eingetreten sein würde, etc. -- wird die 1) Mar. Mersenne, Quaestiones celeberrimae in Genesin, Lutet.
Paris 1623. Vgl. meine Geschichte der Beziehungen zwischen Theol. u. Natur- wissenschaft, I, 654. -- Wegen Alfonsus Tostatus (Abulensis) und Cajetans s. Suarez, Comment. in D. Thom. etc. tract. II de creatione l. III, c. 9 (p. 147 ss.). I. Der Urſtand nach kirchlicher Ueberlieferung. Phantaſiekunſtſtücken und zu den ſeltſamſten Verhandlungen überdas, was von den Gegenſtänden jenes Wiſſens etwa ausgenommen werden könne. Als Alfons Toſtatus, einer der ſelbſtändigeren ſcholaſtiſchen Exegeten im 15. Jahrhundert, Adams Weisheit in natürlichen Dingen wenigſtens ſo weit herabzuſetzen gewagt hatte, daß er diejenige Salomo’s, des Weiſeſten aller Menſchen, für größer erklärte, widerſprach man ihm von allen Seiten. Aehnlich erging es dem Cardinal Cajetan, als derſelbe, überhaupt ein reſoluter Gegner des exegetiſchen Herkommens, wenigſtens die Geſtirne des Himmels, die Tiefen des Meeres und das Jnnere der Erde von dem was Adam gewußt habe, auszunehmen verſucht hatte. Alle widerſprachen ihm hierin: die Exegeten Pererius, Pineda, Merſenne ꝛc., wie die Dogmatiker Gregor von Valentin, Suarez u. AA. Jm großen Geneſiscommentar des Minimenpaters Merſenne befindet ſich ein längeres Kapitel, welches ausführlich „über die Wiſſenſchaft Adams‟ handelt. Adam, ſo wird da gelehrt, trug die Keime ſämmtlicher 100 Wiſſenſchaften, die man überhaupt zu zählen hat, ſchon in ſich; die 14 Claſſen oder Gruppen, in welche dieſer Jn- begriff aller Wiſſenſchaften nach Merſenne zerfallen, erinnern merk- würdig an jene 14 Vorzüge Adams nach Barcepha.1) Bei dem Jeſuiten Suarez, — demſelben Meiſter in ſpitzfindigſter dogmatiſcher Caſuiſtik, welcher jener Frage wegen des Kindererzeugens Adams und Evas ohne Sündenfall ein ganzes Buch widmet und darin umſtändliche Unterſuchungen auch darüber anſtellt, ob es im ſündlos verbliebenen Menſchengeſchlechte wohl unfruchtbare Männer oder Frauen gegeben haben, ob man im Paradieſe wohl Städte, Ge- meinden und dgl. gegründet haben, ob wohl eine Vermannigfaltigung der Nahrungsmittel daſelbſt eingetreten ſein würde, ꝛc. — wird die 1) Mar. Merſenne, Quaestiones celeberrimae in Genesin, Lutet.
Paris 1623. Vgl. meine Geſchichte der Beziehungen zwiſchen Theol. u. Natur- wiſſenſchaft, I, 654. — Wegen Alfonſus Toſtatus (Abulenſis) und Cajetans ſ. Suarez, Comment. in D. Thom. etc. tract. II de creatione l. III, c. 9 (p. 147 ss.). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0028" n="18"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Der Urſtand nach kirchlicher Ueberlieferung.</fw><lb/> Phantaſiekunſtſtücken und zu den ſeltſamſten Verhandlungen über<lb/> das, was von den Gegenſtänden jenes Wiſſens etwa ausgenommen<lb/> werden könne. Als Alfons Toſtatus, einer der ſelbſtändigeren<lb/> ſcholaſtiſchen Exegeten im 15. Jahrhundert, Adams Weisheit in<lb/> natürlichen Dingen wenigſtens ſo weit herabzuſetzen gewagt hatte,<lb/> daß er diejenige Salomo’s, des Weiſeſten aller Menſchen, für größer<lb/> erklärte, widerſprach man ihm von allen Seiten. Aehnlich erging<lb/> es dem Cardinal Cajetan, als derſelbe, überhaupt ein reſoluter<lb/> Gegner des exegetiſchen Herkommens, wenigſtens die Geſtirne des<lb/> Himmels, die Tiefen des Meeres und das Jnnere der Erde von<lb/> dem was Adam gewußt habe, auszunehmen verſucht hatte. Alle<lb/> widerſprachen ihm hierin: die Exegeten Pererius, Pineda, Merſenne ꝛc.,<lb/> wie die Dogmatiker Gregor von Valentin, Suarez u. AA. Jm<lb/> großen Geneſiscommentar des Minimenpaters Merſenne befindet<lb/> ſich ein längeres Kapitel, welches ausführlich „über die Wiſſenſchaft<lb/> Adams‟ handelt. Adam, ſo wird da gelehrt, trug die Keime<lb/> ſämmtlicher 100 Wiſſenſchaften, die man überhaupt zu zählen hat,<lb/> ſchon in ſich; die 14 Claſſen oder Gruppen, in welche dieſer Jn-<lb/> begriff aller Wiſſenſchaften nach Merſenne zerfallen, erinnern merk-<lb/> würdig an jene 14 Vorzüge Adams nach Barcepha.<note place="foot" n="1)">Mar. <hi rendition="#g">Merſenne,</hi> <hi rendition="#aq">Quaestiones celeberrimae in Genesin, Lutet.<lb/> Paris</hi> 1623. Vgl. meine Geſchichte der Beziehungen zwiſchen Theol. u. Natur-<lb/> wiſſenſchaft, <hi rendition="#aq">I,</hi> 654. — Wegen Alfonſus Toſtatus (Abulenſis) und Cajetans<lb/> ſ. <hi rendition="#g">Suarez,</hi> <hi rendition="#aq">Comment. in D. Thom. etc. tract. II de creatione l. III,<lb/> c. 9 (p. 147 ss.).</hi></note> Bei dem<lb/> Jeſuiten Suarez, — demſelben Meiſter in ſpitzfindigſter dogmatiſcher<lb/> Caſuiſtik, welcher jener Frage wegen des Kindererzeugens Adams<lb/> und Evas ohne Sündenfall ein ganzes Buch widmet und darin<lb/> umſtändliche Unterſuchungen auch darüber anſtellt, ob es im ſündlos<lb/> verbliebenen Menſchengeſchlechte wohl unfruchtbare Männer oder<lb/> Frauen gegeben haben, ob man im Paradieſe wohl Städte, Ge-<lb/> meinden und dgl. gegründet haben, ob wohl eine Vermannigfaltigung<lb/> der Nahrungsmittel daſelbſt eingetreten ſein würde, ꝛc. — wird die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [18/0028]
I. Der Urſtand nach kirchlicher Ueberlieferung.
Phantaſiekunſtſtücken und zu den ſeltſamſten Verhandlungen über
das, was von den Gegenſtänden jenes Wiſſens etwa ausgenommen
werden könne. Als Alfons Toſtatus, einer der ſelbſtändigeren
ſcholaſtiſchen Exegeten im 15. Jahrhundert, Adams Weisheit in
natürlichen Dingen wenigſtens ſo weit herabzuſetzen gewagt hatte,
daß er diejenige Salomo’s, des Weiſeſten aller Menſchen, für größer
erklärte, widerſprach man ihm von allen Seiten. Aehnlich erging
es dem Cardinal Cajetan, als derſelbe, überhaupt ein reſoluter
Gegner des exegetiſchen Herkommens, wenigſtens die Geſtirne des
Himmels, die Tiefen des Meeres und das Jnnere der Erde von
dem was Adam gewußt habe, auszunehmen verſucht hatte. Alle
widerſprachen ihm hierin: die Exegeten Pererius, Pineda, Merſenne ꝛc.,
wie die Dogmatiker Gregor von Valentin, Suarez u. AA. Jm
großen Geneſiscommentar des Minimenpaters Merſenne befindet
ſich ein längeres Kapitel, welches ausführlich „über die Wiſſenſchaft
Adams‟ handelt. Adam, ſo wird da gelehrt, trug die Keime
ſämmtlicher 100 Wiſſenſchaften, die man überhaupt zu zählen hat,
ſchon in ſich; die 14 Claſſen oder Gruppen, in welche dieſer Jn-
begriff aller Wiſſenſchaften nach Merſenne zerfallen, erinnern merk-
würdig an jene 14 Vorzüge Adams nach Barcepha. 1) Bei dem
Jeſuiten Suarez, — demſelben Meiſter in ſpitzfindigſter dogmatiſcher
Caſuiſtik, welcher jener Frage wegen des Kindererzeugens Adams
und Evas ohne Sündenfall ein ganzes Buch widmet und darin
umſtändliche Unterſuchungen auch darüber anſtellt, ob es im ſündlos
verbliebenen Menſchengeſchlechte wohl unfruchtbare Männer oder
Frauen gegeben haben, ob man im Paradieſe wohl Städte, Ge-
meinden und dgl. gegründet haben, ob wohl eine Vermannigfaltigung
der Nahrungsmittel daſelbſt eingetreten ſein würde, ꝛc. — wird die
1) Mar. Merſenne, Quaestiones celeberrimae in Genesin, Lutet.
Paris 1623. Vgl. meine Geſchichte der Beziehungen zwiſchen Theol. u. Natur-
wiſſenſchaft, I, 654. — Wegen Alfonſus Toſtatus (Abulenſis) und Cajetans
ſ. Suarez, Comment. in D. Thom. etc. tract. II de creatione l. III,
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