Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
oder auch arkadischer von nur 3monatlicher, oder akarnanischer von
6monatlicher Geltung, als weiterer Hilfsmittel, wodurch sich mög-
licherweise Reductionen der überaus hohen Alterszahlen in Gen. 5
erzielen ließen.1) Aegyptische Jahre von kürzerer Dauer als unsre
Sonnenjahre waren es denn auch, welche die byzantinischen Mönche
Anianus und Panodorus bei ihren Versuchen zur Conciliation des
samaritanischen mit dem griechischen Texte in Anwendung brachten.
Von Neueren sind besonders Hensler in Kiel (1791), der Däne
Rasmus Rask (1836) und der Franzose Lesueur (1858) auf ähn-
liche Auskunftsmittel verfallen. Hensler (dem Gelpke sich anschloß)
meinte durch die Annahme, für die ältesten Zeiten bis auf Abraham
rechne die Bibel nach bloßen Jahreszeiten von dreimonatlicher Dauer
oder Vierteljahren, für die Zeit von Abraham bis auf Joseph nach
Jahren zu je 8 Monaten, und erst für die Zeit von Joseph an
nach gewöhnlichen 12monatlichen Jahren.2) Rask ließ das Wort
schannanh "Jahr" für die Zeit bis auf Noah lediglich einen Monat,
für die Zeit von Sem bis Serug 2 Monate, für die Zeit von
Nahor bis Tarah 4 Monate, und für die Zeit von Abraham bis
Amram 6 Monate bedeuten! Nach Lesueur sollen die Jahreszahlen
der Septuaginta, wenn man sie auf 60tägige chaldäische Sossen
reducirt, die wahren Lebensalter, zu welchen die vorabrahamischen
Erzväter gelangt seien, bezeichnen.3) Von exegetischer Zulässigkeit

1) Augustin, De civ. Dei, XII, 9; XV, 12 ss. Vgl. Plinius, H. nat.
VII, 48; G. Sprotta, De patriarcharum langaevitate, Lips. 1668;
Elend, Dissert. de annis patriarcharum antidiluvianorum.
2) C. G. Hensler, Bemerkungen über Stellen aus den Psalmen und
der Genesis, Kiel 1791. Aehnlich C. F. Gelpke, Ueber das Urvolk der Erde,
Braunschweig 1820.
3) R. Rask, in Jllgen's Ztschr. f. histor. Theol. 1836, S. 19 ff. --
Lesueur, Recherches sur la date de la fondation de la tour de Bable,
in der Revue archeologique 1858, p. 65. -- Vgl. auch Joh. Raska, Die
Chronologie der Bibel im Einklang mit der Zeitrechnung der Aegypter und
Assyrier, Wien 1878, S. 145 ff., wo die Möglichkeit, daß für die vormosaische

VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
oder auch arkadiſcher von nur 3monatlicher, oder akarnaniſcher von
6monatlicher Geltung, als weiterer Hilfsmittel, wodurch ſich mög-
licherweiſe Reductionen der überaus hohen Alterszahlen in Gen. 5
erzielen ließen.1) Aegyptiſche Jahre von kürzerer Dauer als unſre
Sonnenjahre waren es denn auch, welche die byzantiniſchen Mönche
Anianus und Panodorus bei ihren Verſuchen zur Conciliation des
ſamaritaniſchen mit dem griechiſchen Texte in Anwendung brachten.
Von Neueren ſind beſonders Hensler in Kiel (1791), der Däne
Rasmus Rask (1836) und der Franzoſe Leſueur (1858) auf ähn-
liche Auskunftsmittel verfallen. Hensler (dem Gelpke ſich anſchloß)
meinte durch die Annahme, für die älteſten Zeiten bis auf Abraham
rechne die Bibel nach bloßen Jahreszeiten von dreimonatlicher Dauer
oder Vierteljahren, für die Zeit von Abraham bis auf Joſeph nach
Jahren zu je 8 Monaten, und erſt für die Zeit von Joſeph an
nach gewöhnlichen 12monatlichen Jahren.2) Rask ließ das Wort
ſchānāh „Jahr‟ für die Zeit bis auf Noah lediglich einen Monat,
für die Zeit von Sem bis Serug 2 Monate, für die Zeit von
Nahor bis Tarah 4 Monate, und für die Zeit von Abraham bis
Amram 6 Monate bedeuten! Nach Leſueur ſollen die Jahreszahlen
der Septuaginta, wenn man ſie auf 60tägige chaldäiſche Soſſen
reducirt, die wahren Lebensalter, zu welchen die vorabrahamiſchen
Erzväter gelangt ſeien, bezeichnen.3) Von exegetiſcher Zuläſſigkeit

1) Auguſtin, De civ. Dei, XII, 9; XV, 12 ss. Vgl. Plinius, H. nat.
VII, 48; G. Sprotta, De patriarcharum langaevitate, Lips. 1668;
Elend, Dissert. de annis patriarcharum antidiluvianorum.
2) C. G. Hensler, Bemerkungen über Stellen aus den Pſalmen und
der Geneſis, Kiel 1791. Aehnlich C. F. Gelpke, Ueber das Urvolk der Erde,
Braunſchweig 1820.
3) R. Rask, in Jllgen’s Ztſchr. f. hiſtor. Theol. 1836, S. 19 ff. —
Leſueur, Recherches sur la date de la fondation de la tour de Bable,
in der Revue archéologique 1858, p. 65. — Vgl. auch Joh. Raska, Die
Chronologie der Bibel im Einklang mit der Zeitrechnung der Aegypter und
Aſſyrier, Wien 1878, S. 145 ff., wo die Möglichkeit, daß für die vormoſaiſche
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0271" n="261"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Die Langlebigkeit der Patriarchen.</fw><lb/>
oder auch arkadi&#x017F;cher von nur 3monatlicher, oder akarnani&#x017F;cher von<lb/>
6monatlicher Geltung, als weiterer Hilfsmittel, wodurch &#x017F;ich mög-<lb/>
licherwei&#x017F;e Reductionen der überaus hohen Alterszahlen in Gen. 5<lb/>
erzielen ließen.<note place="foot" n="1)">Augu&#x017F;tin, <hi rendition="#aq">De civ. Dei, XII, 9; XV, 12 ss.</hi> Vgl. Plinius, <hi rendition="#aq">H. nat.<lb/>
VII,</hi> 48; G. <hi rendition="#g">Sprotta,</hi> <hi rendition="#aq">De patriarcharum langaevitate, Lips.</hi> 1668;<lb/><hi rendition="#g">Elend,</hi> <hi rendition="#aq">Dissert. de annis patriarcharum antidiluvianorum.</hi></note> Aegypti&#x017F;che Jahre von kürzerer Dauer als un&#x017F;re<lb/>
Sonnenjahre waren es denn auch, welche die byzantini&#x017F;chen Mönche<lb/>
Anianus und Panodorus bei ihren Ver&#x017F;uchen zur Conciliation des<lb/>
&#x017F;amaritani&#x017F;chen mit dem griechi&#x017F;chen Texte in Anwendung brachten.<lb/>
Von Neueren &#x017F;ind be&#x017F;onders Hensler in Kiel (1791), der Däne<lb/>
Rasmus Rask (1836) und der Franzo&#x017F;e Le&#x017F;ueur (1858) auf ähn-<lb/>
liche Auskunftsmittel verfallen. Hensler (dem Gelpke &#x017F;ich an&#x017F;chloß)<lb/>
meinte durch die Annahme, für die älte&#x017F;ten Zeiten bis auf Abraham<lb/>
rechne die Bibel nach bloßen Jahreszeiten von dreimonatlicher Dauer<lb/>
oder Vierteljahren, für die Zeit von Abraham bis auf Jo&#x017F;eph nach<lb/>
Jahren zu je 8 Monaten, und er&#x017F;t für die Zeit von Jo&#x017F;eph an<lb/>
nach gewöhnlichen 12monatlichen Jahren.<note place="foot" n="2)">C. G. <hi rendition="#g">Hensler,</hi> Bemerkungen über Stellen aus den P&#x017F;almen und<lb/>
der Gene&#x017F;is, Kiel 1791. Aehnlich C. F. <hi rendition="#g">Gelpke,</hi> Ueber das Urvolk der Erde,<lb/>
Braun&#x017F;chweig 1820.</note> Rask ließ das Wort<lb/><hi rendition="#aq">&#x017F;cha&#x0304;na&#x0304;h</hi> &#x201E;Jahr&#x201F; für die Zeit bis auf Noah lediglich einen Monat,<lb/>
für die Zeit von Sem bis Serug 2 Monate, für die Zeit von<lb/>
Nahor bis Tarah 4 Monate, und für die Zeit von Abraham bis<lb/>
Amram 6 Monate bedeuten! Nach Le&#x017F;ueur &#x017F;ollen die Jahreszahlen<lb/>
der Septuaginta, wenn man &#x017F;ie auf 60tägige chaldäi&#x017F;che So&#x017F;&#x017F;en<lb/>
reducirt, die wahren Lebensalter, zu welchen die vorabrahami&#x017F;chen<lb/>
Erzväter gelangt &#x017F;eien, bezeichnen.<note xml:id="seg2pn_11_1" next="#seg2pn_11_2" place="foot" n="3)">R. <hi rendition="#g">Rask,</hi> in Jllgen&#x2019;s Zt&#x017F;chr. f. hi&#x017F;tor. Theol. 1836, S. 19 ff. &#x2014;<lb/><hi rendition="#g">Le&#x017F;ueur,</hi> <hi rendition="#aq">Recherches sur la date de la fondation de la tour de Bable,</hi><lb/>
in der <hi rendition="#aq">Revue archéologique 1858, p.</hi> 65. &#x2014; Vgl. auch Joh. <hi rendition="#g">Raska,</hi> Die<lb/>
Chronologie der Bibel im Einklang mit der Zeitrechnung der Aegypter und<lb/>
A&#x017F;&#x017F;yrier, Wien 1878, S. 145 ff., wo die Möglichkeit, daß für die vormo&#x017F;ai&#x017F;che</note> Von exegeti&#x017F;cher Zulä&#x017F;&#x017F;igkeit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0271] VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen. oder auch arkadiſcher von nur 3monatlicher, oder akarnaniſcher von 6monatlicher Geltung, als weiterer Hilfsmittel, wodurch ſich mög- licherweiſe Reductionen der überaus hohen Alterszahlen in Gen. 5 erzielen ließen. 1) Aegyptiſche Jahre von kürzerer Dauer als unſre Sonnenjahre waren es denn auch, welche die byzantiniſchen Mönche Anianus und Panodorus bei ihren Verſuchen zur Conciliation des ſamaritaniſchen mit dem griechiſchen Texte in Anwendung brachten. Von Neueren ſind beſonders Hensler in Kiel (1791), der Däne Rasmus Rask (1836) und der Franzoſe Leſueur (1858) auf ähn- liche Auskunftsmittel verfallen. Hensler (dem Gelpke ſich anſchloß) meinte durch die Annahme, für die älteſten Zeiten bis auf Abraham rechne die Bibel nach bloßen Jahreszeiten von dreimonatlicher Dauer oder Vierteljahren, für die Zeit von Abraham bis auf Joſeph nach Jahren zu je 8 Monaten, und erſt für die Zeit von Joſeph an nach gewöhnlichen 12monatlichen Jahren. 2) Rask ließ das Wort ſchānāh „Jahr‟ für die Zeit bis auf Noah lediglich einen Monat, für die Zeit von Sem bis Serug 2 Monate, für die Zeit von Nahor bis Tarah 4 Monate, und für die Zeit von Abraham bis Amram 6 Monate bedeuten! Nach Leſueur ſollen die Jahreszahlen der Septuaginta, wenn man ſie auf 60tägige chaldäiſche Soſſen reducirt, die wahren Lebensalter, zu welchen die vorabrahamiſchen Erzväter gelangt ſeien, bezeichnen. 3) Von exegetiſcher Zuläſſigkeit 1) Auguſtin, De civ. Dei, XII, 9; XV, 12 ss. Vgl. Plinius, H. nat. VII, 48; G. Sprotta, De patriarcharum langaevitate, Lips. 1668; Elend, Dissert. de annis patriarcharum antidiluvianorum. 2) C. G. Hensler, Bemerkungen über Stellen aus den Pſalmen und der Geneſis, Kiel 1791. Aehnlich C. F. Gelpke, Ueber das Urvolk der Erde, Braunſchweig 1820. 3) R. Rask, in Jllgen’s Ztſchr. f. hiſtor. Theol. 1836, S. 19 ff. — Leſueur, Recherches sur la date de la fondation de la tour de Bable, in der Revue archéologique 1858, p. 65. — Vgl. auch Joh. Raska, Die Chronologie der Bibel im Einklang mit der Zeitrechnung der Aegypter und Aſſyrier, Wien 1878, S. 145 ff., wo die Möglichkeit, daß für die vormoſaiſche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/271
Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/271>, abgerufen am 19.05.2024.