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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
Reihe von Fällen angeblichen Ultracentenariats folgen. Er hebt an
mit den 169jährigen Jenkins, dessen so hoch hinaufgehendes Alter
er als in der That durch sehr unzureichende Zeugnisse gestützt dar-
thut; die Grabschrift nenne ihn vorsichtigerweise "a very aged and
poor man",
und eine acht Jahr vor seinem Tode in Betreff seines
excessiv hohen Alters abgegebene Versicherung einer Lady Savile
erscheine keineswegs gestützt durch irgendwelche juristisch unanfechtbare
dokumentarische Belege. Um den angeblich fast 153 Jahre alt ge-
wordnen Parr stehe es kaum besser, trotz der poetischen Lebens-
beschreibung, welche gleich nach seinem Tode ihm von John Taylor
unter dem Titel "The old, old, very old man" gewidmet wurde,
und trotz Harveys Sectionsbericht.1) Dieser letztere habe doch nur
den anatomischen Thatbestand beschrieben, aber keinerlei historische
oder gar juristische Forschungen angestellt. Die Angabe jenes Bio-
graphen, wonach Parr 80 Jahre alt zum ersten Male geheirathet,
und über 100 Jahre alt einmal öffentliche Kirchenbuße wegen Er-
zeugung eines unehelichen Kindes gethan habe, zieht Thoms als
innerlich unwahrscheinlich in Zweifel. Hätte nicht, fragt er, wenn
der Mann eine so starke Sinnlichkeit hatte, diese schon viel früher
hervorbrechen müssen? -- Jn ähnlicher Weise macht der Kritiker Ein-
würfe gegen das 140jährige Alter des nächstfolgenden Hauptbeispiels
britischer Langlebigkeit, der im J. 1604 verstorbenen Gräfin Des-
mond. Hier zeigt er mit wirklich sehr triftigen Gründen, daß die
betr. Angaben auf durchaus unsolidem Grunde ruhten; die genannte
Gräfin sei das Product einer Vermischung mehrerer Ladies ihres
Ramens, wovon die älteste nur etwa 100 Jahre alt wurde. Es
folgen ähnliche Nachweise über den nicht 104, sondern bloß 80 Jahre
alt verstorbenen Jonathan Reeves; über die nicht 106, sondern
bloß 100 Jahre alt gewordene Mary Downton; über Joseph Miller
(nicht 111, sondern bloß 90 JJ.), Rev. George Fletcher (nicht 108,

1) Beide Dokumente theilt Thoms im Anhang zu s. Werke, p. 291 ss.,
308 sq.,
mit.

VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
Reihe von Fällen angeblichen Ultracentenariats folgen. Er hebt an
mit den 169jährigen Jenkins, deſſen ſo hoch hinaufgehendes Alter
er als in der That durch ſehr unzureichende Zeugniſſe geſtützt dar-
thut; die Grabſchrift nenne ihn vorſichtigerweiſe „a very aged and
poor man‟,
und eine acht Jahr vor ſeinem Tode in Betreff ſeines
exceſſiv hohen Alters abgegebene Verſicherung einer Lady Savile
erſcheine keineswegs geſtützt durch irgendwelche juriſtiſch unanfechtbare
dokumentariſche Belege. Um den angeblich faſt 153 Jahre alt ge-
wordnen Parr ſtehe es kaum beſſer, trotz der poetiſchen Lebens-
beſchreibung, welche gleich nach ſeinem Tode ihm von John Taylor
unter dem Titel „The old, old, very old man‟ gewidmet wurde,
und trotz Harveys Sectionsbericht.1) Dieſer letztere habe doch nur
den anatomiſchen Thatbeſtand beſchrieben, aber keinerlei hiſtoriſche
oder gar juriſtiſche Forſchungen angeſtellt. Die Angabe jenes Bio-
graphen, wonach Parr 80 Jahre alt zum erſten Male geheirathet,
und über 100 Jahre alt einmal öffentliche Kirchenbuße wegen Er-
zeugung eines unehelichen Kindes gethan habe, zieht Thoms als
innerlich unwahrſcheinlich in Zweifel. Hätte nicht, fragt er, wenn
der Mann eine ſo ſtarke Sinnlichkeit hatte, dieſe ſchon viel früher
hervorbrechen müſſen? — Jn ähnlicher Weiſe macht der Kritiker Ein-
würfe gegen das 140jährige Alter des nächſtfolgenden Hauptbeiſpiels
britiſcher Langlebigkeit, der im J. 1604 verſtorbenen Gräfin Des-
mond. Hier zeigt er mit wirklich ſehr triftigen Gründen, daß die
betr. Angaben auf durchaus unſolidem Grunde ruhten; die genannte
Gräfin ſei das Product einer Vermiſchung mehrerer Ladies ihres
Ramens, wovon die älteſte nur etwa 100 Jahre alt wurde. Es
folgen ähnliche Nachweiſe über den nicht 104, ſondern bloß 80 Jahre
alt verſtorbenen Jonathan Reeves; über die nicht 106, ſondern
bloß 100 Jahre alt gewordene Mary Downton; über Joſeph Miller
(nicht 111, ſondern bloß 90 JJ.), Rev. George Fletcher (nicht 108,

1) Beide Dokumente theilt Thoms im Anhang zu ſ. Werke, p. 291 ss.,
308 sq.,
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[250/0260] VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen. Reihe von Fällen angeblichen Ultracentenariats folgen. Er hebt an mit den 169jährigen Jenkins, deſſen ſo hoch hinaufgehendes Alter er als in der That durch ſehr unzureichende Zeugniſſe geſtützt dar- thut; die Grabſchrift nenne ihn vorſichtigerweiſe „a very aged and poor man‟, und eine acht Jahr vor ſeinem Tode in Betreff ſeines exceſſiv hohen Alters abgegebene Verſicherung einer Lady Savile erſcheine keineswegs geſtützt durch irgendwelche juriſtiſch unanfechtbare dokumentariſche Belege. Um den angeblich faſt 153 Jahre alt ge- wordnen Parr ſtehe es kaum beſſer, trotz der poetiſchen Lebens- beſchreibung, welche gleich nach ſeinem Tode ihm von John Taylor unter dem Titel „The old, old, very old man‟ gewidmet wurde, und trotz Harveys Sectionsbericht. 1) Dieſer letztere habe doch nur den anatomiſchen Thatbeſtand beſchrieben, aber keinerlei hiſtoriſche oder gar juriſtiſche Forſchungen angeſtellt. Die Angabe jenes Bio- graphen, wonach Parr 80 Jahre alt zum erſten Male geheirathet, und über 100 Jahre alt einmal öffentliche Kirchenbuße wegen Er- zeugung eines unehelichen Kindes gethan habe, zieht Thoms als innerlich unwahrſcheinlich in Zweifel. Hätte nicht, fragt er, wenn der Mann eine ſo ſtarke Sinnlichkeit hatte, dieſe ſchon viel früher hervorbrechen müſſen? — Jn ähnlicher Weiſe macht der Kritiker Ein- würfe gegen das 140jährige Alter des nächſtfolgenden Hauptbeiſpiels britiſcher Langlebigkeit, der im J. 1604 verſtorbenen Gräfin Des- mond. Hier zeigt er mit wirklich ſehr triftigen Gründen, daß die betr. Angaben auf durchaus unſolidem Grunde ruhten; die genannte Gräfin ſei das Product einer Vermiſchung mehrerer Ladies ihres Ramens, wovon die älteſte nur etwa 100 Jahre alt wurde. Es folgen ähnliche Nachweiſe über den nicht 104, ſondern bloß 80 Jahre alt verſtorbenen Jonathan Reeves; über die nicht 106, ſondern bloß 100 Jahre alt gewordene Mary Downton; über Joſeph Miller (nicht 111, ſondern bloß 90 JJ.), Rev. George Fletcher (nicht 108, 1) Beide Dokumente theilt Thoms im Anhang zu ſ. Werke, p. 291 ss., 308 sq., mit.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/260>, abgerufen am 22.11.2024.