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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
zuerst der englische Anatom Prof. Richard Owen in Angriff. Seinem
in "Fraser's Magazine" 1872 erschienenen Artikel über den Gegen-
stand folgte im nächsten Jahre der gelehrte Bibliothekar des House
of Lords, William J. Thoms mit einer ausführlichen Monographie,
die den Namen Owens auf dem Widmungsblatte und den Spruch
Sir. 8, 9: "Wenn er lange lebt, so wird er hundert Jahre alt"
als Motto auf dem Titelblatte trägt.1) Für die behufs genauerer
Untersuchung der Fragen wegen wirklich erreichter hoher Lebensalter
anzuwendende Methode darf diese Thomssche Arbeit jedenfalls als
bahnbrechend bezeichnet werden. Sie stellt den massenhaften Berichten
der Zeitungen über angeblich 110--130jährig verstorbene Leute von
vornherein die keckste Skepsis entgegen. Jn der Regel sei, je be-
stimmter ein so hohes Alter behauptet werde, desto weniger positive
Begründung dafür vorhanden; die statistischen Lebensalter-Tabellen,
die Berichte der Lebensversicherungsgesellschaften etc. weisen niemals
Derartiges auf; vergebens frage man nach den Geburtsscheinen der
Personen, welche so hoch über das hundertste Lebensjahr hinaus
gekommen sein sollten, u. s. f.

Zu bestimmterer Motivirung dieser Zweifel hebt Thoms u. A.
Folgendes hervor. Es sei als etwas sehr Gewöhnliches bezeugt, daß
Leute, die einmal über 80 Jahre hinaus gelebt, wie in einer Art
von Ungeduld "die Uhr ihres Lebens vorzurücken", d. h. sich für
älter als sie wirklich seien auszugeben liebten. -- Daß in ärmeren
Volksklassen mehr als hundertjährige Lebensalter häufiger vorkämen,
als bei wohlhabenden, diese oft gehörte Angabe sei thatsächlich un-
richtig; eher scheine das Gegentheil wahr zu sein. -- Nicht einmal
die Taufscheine pflegten in Betreff des Geburtsdatums steinalter
Leute eine völlige Gewißheit zu ergeben; sie seien oft ganz unzuver-
lässige Zeugnisse, wegen der naheliegenden Möglichkeit einer Ver-
wechslung gleichnamiger Personen. So sei 1863 eine angeblich über
112 Jahre alt gewordene Miß Mary Billinge in Liverpool ge-

1) Human longevity; its facts and its fictions. By W. J. Thoms,
Deputy Librarian, House of Lords. London 1873. 2. Edition
1879.

VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
zuerſt der engliſche Anatom Prof. Richard Owen in Angriff. Seinem
in „Fraſer’s Magazine‟ 1872 erſchienenen Artikel über den Gegen-
ſtand folgte im nächſten Jahre der gelehrte Bibliothekar des Houſe
of Lords, William J. Thoms mit einer ausführlichen Monographie,
die den Namen Owens auf dem Widmungsblatte und den Spruch
Sir. 8, 9: „Wenn er lange lebt, ſo wird er hundert Jahre alt‟
als Motto auf dem Titelblatte trägt.1) Für die behufs genauerer
Unterſuchung der Fragen wegen wirklich erreichter hoher Lebensalter
anzuwendende Methode darf dieſe Thomsſche Arbeit jedenfalls als
bahnbrechend bezeichnet werden. Sie ſtellt den maſſenhaften Berichten
der Zeitungen über angeblich 110—130jährig verſtorbene Leute von
vornherein die keckſte Skepſis entgegen. Jn der Regel ſei, je be-
ſtimmter ein ſo hohes Alter behauptet werde, deſto weniger poſitive
Begründung dafür vorhanden; die ſtatiſtiſchen Lebensalter-Tabellen,
die Berichte der Lebensverſicherungsgeſellſchaften ꝛc. weiſen niemals
Derartiges auf; vergebens frage man nach den Geburtsſcheinen der
Perſonen, welche ſo hoch über das hundertſte Lebensjahr hinaus
gekommen ſein ſollten, u. ſ. f.

Zu beſtimmterer Motivirung dieſer Zweifel hebt Thoms u. A.
Folgendes hervor. Es ſei als etwas ſehr Gewöhnliches bezeugt, daß
Leute, die einmal über 80 Jahre hinaus gelebt, wie in einer Art
von Ungeduld „die Uhr ihres Lebens vorzurücken‟, d. h. ſich für
älter als ſie wirklich ſeien auszugeben liebten. — Daß in ärmeren
Volksklaſſen mehr als hundertjährige Lebensalter häufiger vorkämen,
als bei wohlhabenden, dieſe oft gehörte Angabe ſei thatſächlich un-
richtig; eher ſcheine das Gegentheil wahr zu ſein. — Nicht einmal
die Taufſcheine pflegten in Betreff des Geburtsdatums ſteinalter
Leute eine völlige Gewißheit zu ergeben; ſie ſeien oft ganz unzuver-
läſſige Zeugniſſe, wegen der naheliegenden Möglichkeit einer Ver-
wechslung gleichnamiger Perſonen. So ſei 1863 eine angeblich über
112 Jahre alt gewordene Miß Mary Billinge in Liverpool ge-

1) Human longevity; its facts and its fictions. By W. J. Thoms,
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[248/0258] VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen. zuerſt der engliſche Anatom Prof. Richard Owen in Angriff. Seinem in „Fraſer’s Magazine‟ 1872 erſchienenen Artikel über den Gegen- ſtand folgte im nächſten Jahre der gelehrte Bibliothekar des Houſe of Lords, William J. Thoms mit einer ausführlichen Monographie, die den Namen Owens auf dem Widmungsblatte und den Spruch Sir. 8, 9: „Wenn er lange lebt, ſo wird er hundert Jahre alt‟ als Motto auf dem Titelblatte trägt. 1) Für die behufs genauerer Unterſuchung der Fragen wegen wirklich erreichter hoher Lebensalter anzuwendende Methode darf dieſe Thomsſche Arbeit jedenfalls als bahnbrechend bezeichnet werden. Sie ſtellt den maſſenhaften Berichten der Zeitungen über angeblich 110—130jährig verſtorbene Leute von vornherein die keckſte Skepſis entgegen. Jn der Regel ſei, je be- ſtimmter ein ſo hohes Alter behauptet werde, deſto weniger poſitive Begründung dafür vorhanden; die ſtatiſtiſchen Lebensalter-Tabellen, die Berichte der Lebensverſicherungsgeſellſchaften ꝛc. weiſen niemals Derartiges auf; vergebens frage man nach den Geburtsſcheinen der Perſonen, welche ſo hoch über das hundertſte Lebensjahr hinaus gekommen ſein ſollten, u. ſ. f. Zu beſtimmterer Motivirung dieſer Zweifel hebt Thoms u. A. Folgendes hervor. Es ſei als etwas ſehr Gewöhnliches bezeugt, daß Leute, die einmal über 80 Jahre hinaus gelebt, wie in einer Art von Ungeduld „die Uhr ihres Lebens vorzurücken‟, d. h. ſich für älter als ſie wirklich ſeien auszugeben liebten. — Daß in ärmeren Volksklaſſen mehr als hundertjährige Lebensalter häufiger vorkämen, als bei wohlhabenden, dieſe oft gehörte Angabe ſei thatſächlich un- richtig; eher ſcheine das Gegentheil wahr zu ſein. — Nicht einmal die Taufſcheine pflegten in Betreff des Geburtsdatums ſteinalter Leute eine völlige Gewißheit zu ergeben; ſie ſeien oft ganz unzuver- läſſige Zeugniſſe, wegen der naheliegenden Möglichkeit einer Ver- wechslung gleichnamiger Perſonen. So ſei 1863 eine angeblich über 112 Jahre alt gewordene Miß Mary Billinge in Liverpool ge- 1) Human longevity; its facts and its fictions. By W. J. Thoms, Deputy Librarian, House of Lords. London 1873. 2. Edition 1879.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/258>, abgerufen am 22.11.2024.