Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.VII. Der Ursitz des Menschengeschlechts. im Schöpfungsbericht, und stärker fast noch in der Sintfluther-zählung, aufs Nachdrücklichste zu erkennen -- alle Völker und Ge- schlechter der Erde von Einem Ursprunge herleiten und als Eine große Familie darstellen (vgl. oben III). Nicht erst Paulus setzt "Ein Blut" als gemeinsamen Urgrund und Ausgangspunkt aller Menschengeschlechter, nicht erst er stellt dem Einen Christus Einen Adam, dem Einen Menschheitsretter Einen Menschheits-Vater und zugleich -Verderber gegenüber. Christi Stellung zur biblischen Ur- geschichte ist, wie aus seiner Erwähnung des "Blutes Abels" (Matth. 23, 35) und aus Stellen wie Joh. 3, 6; 10, 16; 17, 24 sich ergibt, durchaus keine andre, als diejenige Pauli. Die biblische Urgeschichte aber kennt, trotz der Doppelheit der sie zusammensetzen- den Urkunden, der elohistischen und der jehovistischen, doch schlechter- dings nur Einen Menschheitsursprung, nur Ein Paradies, nur Eine allvertilgende Fluth, nur Eine Familie sethitischer Abkunft als durch die Fluth hindurch gerettete Wiederherstellerin des Menschengeschlechts. Es sind höchst wunderliche exegetische Experimente, wodurch der zahmere Präadamitismus, z. B. des St. Poole'schen Anonymus oder der M'Causlandsche, den Ruf der Orthodoxie zu wahren suchen. So jene Speculation über isch und andanm als die passive und die active Menschheit bedeutend; so die Beschränkung des Er- schaffenwerdens nach Gottes Bilde Gen. 1, 26 auf den jüngeren oder weißen Menschheitsstammvaters Adam, während die früheren Stammväter nicht gottbildlich erschaffen seien; so die Fassung der Sintfluth als eines lediglich über die Adamiten ergangenen Straf- gerichts, die Deutung des paulinischen Ausdrucks "von Einem Blute" (Apg. 17, 26) auf die allmählig eingetretenen Mischungen oder Kreuzungen adamitischer mit präadamitischen Geschlechtern, u. dgl. m. Richten sich derartige biblische Beweisführungen schon von selbst, ohne nähere Widerlegung, so hat auch das zu fernerer Bestätigung herbeigezogene Zeugniß der babylonisch-assyrischen Keilinschriften bereits gewichtigen Widerspruch von assyriologischer Seite erfahren. Friedr. Delitzsch, Oppert etc. bezeichnen die Deutung der adamu VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts. im Schöpfungsbericht, und ſtärker faſt noch in der Sintfluther-zählung, aufs Nachdrücklichſte zu erkennen — alle Völker und Ge- ſchlechter der Erde von Einem Urſprunge herleiten und als Eine große Familie darſtellen (vgl. oben III). Nicht erſt Paulus ſetzt „Ein Blut‟ als gemeinſamen Urgrund und Ausgangspunkt aller Menſchengeſchlechter, nicht erſt er ſtellt dem Einen Chriſtus Einen Adam, dem Einen Menſchheitsretter Einen Menſchheits-Vater und zugleich -Verderber gegenüber. Chriſti Stellung zur bibliſchen Ur- geſchichte iſt, wie aus ſeiner Erwähnung des „Blutes Abels‟ (Matth. 23, 35) und aus Stellen wie Joh. 3, 6; 10, 16; 17, 24 ſich ergibt, durchaus keine andre, als diejenige Pauli. Die bibliſche Urgeſchichte aber kennt, trotz der Doppelheit der ſie zuſammenſetzen- den Urkunden, der elohiſtiſchen und der jehoviſtiſchen, doch ſchlechter- dings nur Einen Menſchheitsurſprung, nur Ein Paradies, nur Eine allvertilgende Fluth, nur Eine Familie ſethitiſcher Abkunft als durch die Fluth hindurch gerettete Wiederherſtellerin des Menſchengeſchlechts. Es ſind höchſt wunderliche exegetiſche Experimente, wodurch der zahmere Präadamitismus, z. B. des St. Poole’ſchen Anonymus oder der M’Causlandſche, den Ruf der Orthodoxie zu wahren ſuchen. So jene Speculation über īsch und ādām als die paſſive und die active Menſchheit bedeutend; ſo die Beſchränkung des Er- ſchaffenwerdens nach Gottes Bilde Gen. 1, 26 auf den jüngeren oder weißen Menſchheitsſtammvaters Adam, während die früheren Stammväter nicht gottbildlich erſchaffen ſeien; ſo die Faſſung der Sintfluth als eines lediglich über die Adamiten ergangenen Straf- gerichts, die Deutung des pauliniſchen Ausdrucks „von Einem Blute‟ (Apg. 17, 26) auf die allmählig eingetretenen Miſchungen oder Kreuzungen adamitiſcher mit präadamitiſchen Geſchlechtern, u. dgl. m. Richten ſich derartige bibliſche Beweisführungen ſchon von ſelbſt, ohne nähere Widerlegung, ſo hat auch das zu fernerer Beſtätigung herbeigezogene Zeugniß der babyloniſch-aſſyriſchen Keilinſchriften bereits gewichtigen Widerſpruch von aſſyriologiſcher Seite erfahren. Friedr. Delitzſch, Oppert ꝛc. bezeichnen die Deutung der adamu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0245" n="235"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VII.</hi> Der Urſitz des Menſchengeſchlechts.</fw><lb/> im Schöpfungsbericht, und ſtärker faſt noch in der Sintfluther-<lb/> zählung, aufs Nachdrücklichſte zu erkennen — alle Völker und Ge-<lb/> ſchlechter der Erde von Einem Urſprunge herleiten und als Eine<lb/> große Familie darſtellen (vgl. oben <hi rendition="#aq">III</hi>). Nicht erſt Paulus ſetzt<lb/> „Ein Blut‟ als gemeinſamen Urgrund und Ausgangspunkt aller<lb/> Menſchengeſchlechter, nicht erſt er ſtellt dem Einen Chriſtus Einen<lb/> Adam, dem Einen Menſchheitsretter Einen Menſchheits-Vater und<lb/> zugleich -Verderber gegenüber. Chriſti Stellung zur bibliſchen Ur-<lb/> geſchichte iſt, wie aus ſeiner Erwähnung des „Blutes Abels‟ (Matth.<lb/> 23, 35) und aus Stellen wie Joh. 3, 6; 10, 16; 17, 24 ſich<lb/> ergibt, durchaus keine andre, als diejenige Pauli. Die bibliſche<lb/> Urgeſchichte aber kennt, trotz der Doppelheit der ſie zuſammenſetzen-<lb/> den Urkunden, der elohiſtiſchen und der jehoviſtiſchen, doch ſchlechter-<lb/> dings nur Einen Menſchheitsurſprung, nur Ein Paradies, nur Eine<lb/> allvertilgende Fluth, nur Eine Familie ſethitiſcher Abkunft als durch<lb/> die Fluth hindurch gerettete Wiederherſtellerin des Menſchengeſchlechts.<lb/> Es ſind höchſt wunderliche exegetiſche Experimente, wodurch der<lb/> zahmere Präadamitismus, z. B. des St. Poole’ſchen Anonymus<lb/> oder der M’Causlandſche, den Ruf der Orthodoxie zu wahren<lb/> ſuchen. So jene Speculation über <hi rendition="#aq">īsch</hi> und <hi rendition="#aq">ādām</hi> als die paſſive<lb/> und die active Menſchheit bedeutend; ſo die Beſchränkung des Er-<lb/> ſchaffenwerdens nach Gottes Bilde Gen. 1, 26 auf den jüngeren<lb/> oder weißen Menſchheitsſtammvaters Adam, während die früheren<lb/> Stammväter nicht gottbildlich erſchaffen ſeien; ſo die Faſſung der<lb/> Sintfluth als eines lediglich über die Adamiten ergangenen Straf-<lb/> gerichts, die Deutung des pauliniſchen Ausdrucks „von Einem Blute‟<lb/> (Apg. 17, 26) auf die allmählig eingetretenen Miſchungen oder<lb/> Kreuzungen adamitiſcher mit präadamitiſchen Geſchlechtern, u. dgl. m.<lb/> Richten ſich derartige bibliſche Beweisführungen ſchon von ſelbſt,<lb/> ohne nähere Widerlegung, ſo hat auch das zu fernerer Beſtätigung<lb/> herbeigezogene Zeugniß der babyloniſch-aſſyriſchen Keilinſchriften<lb/> bereits gewichtigen Widerſpruch von aſſyriologiſcher Seite erfahren.<lb/> Friedr. Delitzſch, Oppert ꝛc. bezeichnen die Deutung der <hi rendition="#aq">adamu</hi><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [235/0245]
VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts.
im Schöpfungsbericht, und ſtärker faſt noch in der Sintfluther-
zählung, aufs Nachdrücklichſte zu erkennen — alle Völker und Ge-
ſchlechter der Erde von Einem Urſprunge herleiten und als Eine
große Familie darſtellen (vgl. oben III). Nicht erſt Paulus ſetzt
„Ein Blut‟ als gemeinſamen Urgrund und Ausgangspunkt aller
Menſchengeſchlechter, nicht erſt er ſtellt dem Einen Chriſtus Einen
Adam, dem Einen Menſchheitsretter Einen Menſchheits-Vater und
zugleich -Verderber gegenüber. Chriſti Stellung zur bibliſchen Ur-
geſchichte iſt, wie aus ſeiner Erwähnung des „Blutes Abels‟ (Matth.
23, 35) und aus Stellen wie Joh. 3, 6; 10, 16; 17, 24 ſich
ergibt, durchaus keine andre, als diejenige Pauli. Die bibliſche
Urgeſchichte aber kennt, trotz der Doppelheit der ſie zuſammenſetzen-
den Urkunden, der elohiſtiſchen und der jehoviſtiſchen, doch ſchlechter-
dings nur Einen Menſchheitsurſprung, nur Ein Paradies, nur Eine
allvertilgende Fluth, nur Eine Familie ſethitiſcher Abkunft als durch
die Fluth hindurch gerettete Wiederherſtellerin des Menſchengeſchlechts.
Es ſind höchſt wunderliche exegetiſche Experimente, wodurch der
zahmere Präadamitismus, z. B. des St. Poole’ſchen Anonymus
oder der M’Causlandſche, den Ruf der Orthodoxie zu wahren
ſuchen. So jene Speculation über īsch und ādām als die paſſive
und die active Menſchheit bedeutend; ſo die Beſchränkung des Er-
ſchaffenwerdens nach Gottes Bilde Gen. 1, 26 auf den jüngeren
oder weißen Menſchheitsſtammvaters Adam, während die früheren
Stammväter nicht gottbildlich erſchaffen ſeien; ſo die Faſſung der
Sintfluth als eines lediglich über die Adamiten ergangenen Straf-
gerichts, die Deutung des pauliniſchen Ausdrucks „von Einem Blute‟
(Apg. 17, 26) auf die allmählig eingetretenen Miſchungen oder
Kreuzungen adamitiſcher mit präadamitiſchen Geſchlechtern, u. dgl. m.
Richten ſich derartige bibliſche Beweisführungen ſchon von ſelbſt,
ohne nähere Widerlegung, ſo hat auch das zu fernerer Beſtätigung
herbeigezogene Zeugniß der babyloniſch-aſſyriſchen Keilinſchriften
bereits gewichtigen Widerſpruch von aſſyriologiſcher Seite erfahren.
Friedr. Delitzſch, Oppert ꝛc. bezeichnen die Deutung der adamu
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |