Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.VII. Der Ursitz des Menschengeschlechts. sophischer, bald mehr geographisch-ethnographischer Art zu Grundezu liegen pflegen, vielfach ganz verlassen; jedenfalls wird ein theil- weise sagenhafter, wonicht ein gänzlich mythischer Charakter des Berichts der mosaischen Urkunde vorausgesetzt. Einige dieser Spe- culationen tragen den Charakter bloßer Einfälle, die einer ernsthaften Beurtheilung sich entziehen; so Hasse's seltsame, auf das Bdellium (Gen. 2, 12) gestützte Begründung von "Preußens Ansprüchen, als Bernsteinland das Paradies der Alten gewesen zu sein." (Königsberg 1779); Credner's Versetzung des Paradieses auf die kanarischen Jnseln mit ihren goldnen Hesperiden-Aepfeln; auch die auf das südöstliche Syrien und Nordost-Palästina, die Umgebung von Damaskus, lautende Hypothese, welche neuerdings, in An- lehnung an alte syrophönicische Sagen sowie an die Vota früherer Gelehrten wie Clericus und Hardouin, hauptsächlich an L. Noack sowie bedingterweise an J. Sepp Vertheidiger gefunden hat.1) An- sprüche darauf, als irgendwie biblisch begründet zu gelten, kann diese Syrien-Hypothese unmöglich erheben; substituirt doch auch sie der östlichen Lage Edens eine nahezu nördliche und den vier Paradieses- flüssen die syrischen Gewässer des Jordan, Orontes, Chrysorrhoas und Leontes! Einige neuere Deutungsversuche halten die biblischen Angaben 1) L. Noack, Von Eden nach Golgatha, 1868; S. 20 ff. -- J. Sepp, Meerfahrt nach Tyrus etc. 1878, S. 107 ff. 2) Jul. Braun, Ueber die ältesten bibl. Sagen; III: Vom Paradies, -- im "Ausland" 1861, S. 966 ff. Zöckler, Urstand. 15
VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts. ſophiſcher, bald mehr geographiſch-ethnographiſcher Art zu Grundezu liegen pflegen, vielfach ganz verlaſſen; jedenfalls wird ein theil- weiſe ſagenhafter, wonicht ein gänzlich mythiſcher Charakter des Berichts der moſaiſchen Urkunde vorausgeſetzt. Einige dieſer Spe- culationen tragen den Charakter bloßer Einfälle, die einer ernſthaften Beurtheilung ſich entziehen; ſo Haſſe’s ſeltſame, auf das Bdellium (Gen. 2, 12) geſtützte Begründung von „Preußens Anſprüchen, als Bernſteinland das Paradies der Alten geweſen zu ſein.‟ (Königsberg 1779); Credner’s Verſetzung des Paradieſes auf die kanariſchen Jnſeln mit ihren goldnen Hesperiden-Aepfeln; auch die auf das ſüdöſtliche Syrien und Nordoſt-Paläſtina, die Umgebung von Damaskus, lautende Hypotheſe, welche neuerdings, in An- lehnung an alte ſyrophöniciſche Sagen ſowie an die Vota früherer Gelehrten wie Clericus und Hardouin, hauptſächlich an L. Noack ſowie bedingterweiſe an J. Sepp Vertheidiger gefunden hat.1) An- ſprüche darauf, als irgendwie bibliſch begründet zu gelten, kann dieſe Syrien-Hypotheſe unmöglich erheben; ſubſtituirt doch auch ſie der öſtlichen Lage Edens eine nahezu nördliche und den vier Paradieſes- flüſſen die ſyriſchen Gewäſſer des Jordan, Orontes, Chryſorrhoas und Leontes! Einige neuere Deutungsverſuche halten die bibliſchen Angaben 1) L. Noack, Von Eden nach Golgatha, 1868; S. 20 ff. — J. Sepp, Meerfahrt nach Tyrus ꝛc. 1878, S. 107 ff. 2) Jul. Braun, Ueber die älteſten bibl. Sagen; III: Vom Paradies, — im „Ausland‟ 1861, S. 966 ff. Zöckler, Urſtand. 15
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VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts.
ſophiſcher, bald mehr geographiſch-ethnographiſcher Art zu Grunde
zu liegen pflegen, vielfach ganz verlaſſen; jedenfalls wird ein theil-
weiſe ſagenhafter, wonicht ein gänzlich mythiſcher Charakter des
Berichts der moſaiſchen Urkunde vorausgeſetzt. Einige dieſer Spe-
culationen tragen den Charakter bloßer Einfälle, die einer ernſthaften
Beurtheilung ſich entziehen; ſo Haſſe’s ſeltſame, auf das Bdellium
(Gen. 2, 12) geſtützte Begründung von „Preußens Anſprüchen,
als Bernſteinland das Paradies der Alten geweſen zu ſein.‟
(Königsberg 1779); Credner’s Verſetzung des Paradieſes auf die
kanariſchen Jnſeln mit ihren goldnen Hesperiden-Aepfeln; auch
die auf das ſüdöſtliche Syrien und Nordoſt-Paläſtina, die Umgebung
von Damaskus, lautende Hypotheſe, welche neuerdings, in An-
lehnung an alte ſyrophöniciſche Sagen ſowie an die Vota früherer
Gelehrten wie Clericus und Hardouin, hauptſächlich an L. Noack
ſowie bedingterweiſe an J. Sepp Vertheidiger gefunden hat. 1) An-
ſprüche darauf, als irgendwie bibliſch begründet zu gelten, kann dieſe
Syrien-Hypotheſe unmöglich erheben; ſubſtituirt doch auch ſie der
öſtlichen Lage Edens eine nahezu nördliche und den vier Paradieſes-
flüſſen die ſyriſchen Gewäſſer des Jordan, Orontes, Chryſorrhoas
und Leontes!
Einige neuere Deutungsverſuche halten die bibliſchen Angaben
wenigſtens zum Theil als hiſtoriſch feſt, ſuchen aber den durch die
vier Flüſſe, durch die Erwähnung von Kuſch, Chavila ꝛc. bezeichneten
Schauplatz des Menſchheitsurſprungs nach irgend einer Richtung zu
erweitern. So hatte Jul. Braun der auf Armenien kautenden
Hypotheſe eine Erweiterung nach Weſten hin zu ertheilen verſucht,
indem er neben Euphrat, Tigris und Araxes den Halys als vierten
Paradieſesfluß bezeichnete; 2) damit wurde freilich geographiſch Un-
mögliches und ethnologiſch ſehr Unwahrſcheinliches behauptet, zumal
1) L. Noack, Von Eden nach Golgatha, 1868; S. 20 ff. — J. Sepp,
Meerfahrt nach Tyrus ꝛc. 1878, S. 107 ff.
2) Jul. Braun, Ueber die älteſten bibl. Sagen; III: Vom Paradies, —
im „Ausland‟ 1861, S. 966 ff.
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