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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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IV. Die Opposition des modernen Naturalismus.
der Völker beigebracht werden kann. Der Einfluß darwinistischer
Speculation und Spencerscher evolutionistischer Natur- und Social-
philosophie ist überall aufs Stärkste wahrzunehmen, obschon der
Satz vom Affenursprung des Menschen nicht gerade bestimmt und
ausdrücklich an die Spitze der Darlegungen gestellt wird -- womit
ohnehin eine Anticipation einer bis dahin von Darwin selbst noch
nicht öffentlich aus seiner Theorie gezogenen Conseqnenz stattgefunden
haben würde.

Jhren gefährlichsten Gegner erhielt die Whately-Argyll'sche De-
gradationstheorie weder an Lubbock, noch an Darwin, der im Ein-
gange seines Werkes über die Abstammung des Menschen (1871)
sich im Wesentlichen zustimmend zu den Lubbock'schen Argumenten
für die Urwildheit erklärte, da dieselben ja seiner Beschreibung unsres
Urstammvaters als eines schmalnasigen Chimpanse- oder Gorilla-
Vetters, "behaart, mit Schwanz und Spitzohren versehen, auf allen
Vieren gehend und wahrscheinlich baumkletternd" (arboreal), aufs
Trefflichste sich anpassen,1) noch an Lyell, der schon früher, in sei-
nem Buche über das Alter des Menschengeschlechts (1864), der
Annahme einer ursprünglichen höheren Cultur mit sarkastischem Spott
gegenübergetreten war,2) noch an Walter Bagehot, dem darwini-
stischen Socialpolitiker, oder an M'Lennan, dem eifrigen Erforscher

1) The Descent of Man etc., I, ch. V, p. 180 s. Vgl. II, ch. XXI,
p.
385.
2) Das Alter des Menschengeschlechts, a. d. Engl. von L. Büchner, Kap.
XIX. Die Art, wie hier die Annahme persifflirt wird, daß eine angebliche höhere
Gesittung der ältesten Menschheit auch einen ungewöhnlich hohen Grad von
technischer Meisterschaft und industrieller Vollkommenheit bedingt habe, (-- sodaß
die prähistorische Forschung statt roher Töpferarbeit und Steinwerkzeugen eigentlich
Bildhauerwerke von größerer Vollendung als die eines Phidias und Praxiteles,
dazu Teleskope und Mikroskope, elektrische Telegraphen, Eisenbahnen, Luftschiffe
etc. zu Tage fördern müsse --), erinnert einigermaßen an Don Quixote's Kampf
mit den Windmühlen. Kein wissenschaftlicher Gegner der Urwildheits-Theorie
stellt die behauptete höhere Gesittung und Jntegrität an der Spitze der Mensch-
heitsentwicklung in der geschilderten Weise, als einen hochgradigen Culturzustand
von der Art der antiken oder gar der modernen Civilisation dar!

IV. Die Oppoſition des modernen Naturalismus.
der Völker beigebracht werden kann. Der Einfluß darwiniſtiſcher
Speculation und Spencerſcher evolutioniſtiſcher Natur- und Social-
philoſophie iſt überall aufs Stärkſte wahrzunehmen, obſchon der
Satz vom Affenurſprung des Menſchen nicht gerade beſtimmt und
ausdrücklich an die Spitze der Darlegungen geſtellt wird — womit
ohnehin eine Anticipation einer bis dahin von Darwin ſelbſt noch
nicht öffentlich aus ſeiner Theorie gezogenen Conſeqnenz ſtattgefunden
haben würde.

Jhren gefährlichſten Gegner erhielt die Whately-Argyll’ſche De-
gradationstheorie weder an Lubbock, noch an Darwin, der im Ein-
gange ſeines Werkes über die Abſtammung des Menſchen (1871)
ſich im Weſentlichen zuſtimmend zu den Lubbock’ſchen Argumenten
für die Urwildheit erklärte, da dieſelben ja ſeiner Beſchreibung unſres
Urſtammvaters als eines ſchmalnaſigen Chimpanſe- oder Gorilla-
Vetters, „behaart, mit Schwanz und Spitzohren verſehen, auf allen
Vieren gehend und wahrſcheinlich baumkletternd‟ (arboreal), aufs
Trefflichſte ſich anpaſſen,1) noch an Lyell, der ſchon früher, in ſei-
nem Buche über das Alter des Menſchengeſchlechts (1864), der
Annahme einer urſprünglichen höheren Cultur mit ſarkaſtiſchem Spott
gegenübergetreten war,2) noch an Walter Bagehot, dem darwini-
ſtiſchen Socialpolitiker, oder an M’Lennan, dem eifrigen Erforſcher

1) The Descent of Man etc., I, ch. V, p. 180 s. Vgl. II, ch. XXI,
p.
385.
2) Das Alter des Menſchengeſchlechts, a. d. Engl. von L. Büchner, Kap.
XIX. Die Art, wie hier die Annahme perſifflirt wird, daß eine angebliche höhere
Geſittung der älteſten Menſchheit auch einen ungewöhnlich hohen Grad von
techniſcher Meiſterſchaft und induſtrieller Vollkommenheit bedingt habe, (— ſodaß
die prähiſtoriſche Forſchung ſtatt roher Töpferarbeit und Steinwerkzeugen eigentlich
Bildhauerwerke von größerer Vollendung als die eines Phidias und Praxiteles,
dazu Teleſkope und Mikroſkope, elektriſche Telegraphen, Eiſenbahnen, Luftſchiffe
ꝛc. zu Tage fördern müſſe —), erinnert einigermaßen an Don Quixote’s Kampf
mit den Windmühlen. Kein wiſſenſchaftlicher Gegner der Urwildheits-Theorie
ſtellt die behauptete höhere Geſittung und Jntegrität an der Spitze der Menſch-
heitsentwicklung in der geſchilderten Weiſe, als einen hochgradigen Culturzuſtand
von der Art der antiken oder gar der modernen Civiliſation dar!
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[139/0149] IV. Die Oppoſition des modernen Naturalismus. der Völker beigebracht werden kann. Der Einfluß darwiniſtiſcher Speculation und Spencerſcher evolutioniſtiſcher Natur- und Social- philoſophie iſt überall aufs Stärkſte wahrzunehmen, obſchon der Satz vom Affenurſprung des Menſchen nicht gerade beſtimmt und ausdrücklich an die Spitze der Darlegungen geſtellt wird — womit ohnehin eine Anticipation einer bis dahin von Darwin ſelbſt noch nicht öffentlich aus ſeiner Theorie gezogenen Conſeqnenz ſtattgefunden haben würde. Jhren gefährlichſten Gegner erhielt die Whately-Argyll’ſche De- gradationstheorie weder an Lubbock, noch an Darwin, der im Ein- gange ſeines Werkes über die Abſtammung des Menſchen (1871) ſich im Weſentlichen zuſtimmend zu den Lubbock’ſchen Argumenten für die Urwildheit erklärte, da dieſelben ja ſeiner Beſchreibung unſres Urſtammvaters als eines ſchmalnaſigen Chimpanſe- oder Gorilla- Vetters, „behaart, mit Schwanz und Spitzohren verſehen, auf allen Vieren gehend und wahrſcheinlich baumkletternd‟ (arboreal), aufs Trefflichſte ſich anpaſſen, 1) noch an Lyell, der ſchon früher, in ſei- nem Buche über das Alter des Menſchengeſchlechts (1864), der Annahme einer urſprünglichen höheren Cultur mit ſarkaſtiſchem Spott gegenübergetreten war, 2) noch an Walter Bagehot, dem darwini- ſtiſchen Socialpolitiker, oder an M’Lennan, dem eifrigen Erforſcher 1) The Descent of Man etc., I, ch. V, p. 180 s. Vgl. II, ch. XXI, p. 385. 2) Das Alter des Menſchengeſchlechts, a. d. Engl. von L. Büchner, Kap. XIX. Die Art, wie hier die Annahme perſifflirt wird, daß eine angebliche höhere Geſittung der älteſten Menſchheit auch einen ungewöhnlich hohen Grad von techniſcher Meiſterſchaft und induſtrieller Vollkommenheit bedingt habe, (— ſodaß die prähiſtoriſche Forſchung ſtatt roher Töpferarbeit und Steinwerkzeugen eigentlich Bildhauerwerke von größerer Vollendung als die eines Phidias und Praxiteles, dazu Teleſkope und Mikroſkope, elektriſche Telegraphen, Eiſenbahnen, Luftſchiffe ꝛc. zu Tage fördern müſſe —), erinnert einigermaßen an Don Quixote’s Kampf mit den Windmühlen. Kein wiſſenſchaftlicher Gegner der Urwildheits-Theorie ſtellt die behauptete höhere Geſittung und Jntegrität an der Spitze der Menſch- heitsentwicklung in der geſchilderten Weiſe, als einen hochgradigen Culturzuſtand von der Art der antiken oder gar der modernen Civiliſation dar!

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/149>, abgerufen am 22.11.2024.