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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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IV. Die Opposition des modernen Naturalismus.
der seinen ebenso seichten als kecken Constructionen sich anschließenden
popularphilosophischen Denker und Schriftsteller erscheint bis auf
den heutigen Tag als recht beträchtlich, besonders in den Ländern
romanischer und englischer Zunge, weniger in Deutschland. Er hat
dem Darwinismus auf diesem Gebiete sehr wesentlich vorgearbeitet;
viele der später unter dessen Zeichen streitenden Natur-, Religions-,
Sprach- und Geschichtsphilosophen sind von Haus aus Comtesche
Positivisten gewesen; so in Frankreich Littre, Eugene Veron, Edgar
Quinet, Taine, Renan etc., in Jtalien Villari, Trezza, Omboni,
Quadri etc. Deutschland hat zwar dem eigentlichen Positivismus
niemals Aufnahme gewährt, darum aber doch der ähnlich wie er
über die Anfänge menschlicher Cultur- und Religionsentwicklung
denkenden Forscher und Schriftsteller eine reichliche Zahl geliefert.
Vor dem Eindringen der darwinistischen Lehren war es besonders
die machtvolle Autorität Alexanders v. Humboldt (gest. 1859, im
Jahre des Erscheinens von Darwins erstem Hauptwerke), welche
dieser Denkweise Vorschub leistete. Obschon nicht unbedingt Poly-
genist, neigte derselbe doch überwiegend derjenigen geschichtlichen Be-
trachtungsweise zu, welche das menschliche Culturleben von mehreren
Urherden aus sich entwickeln läßt und einen eigentlichen Status
integritatis
in Frage stellt. "Die Geschichte, soweit sie durch
menschliche Zeugnisse überliefert ist, kennt kein Urvolk, keinen einzigen
ersten Sitz der Cultur, keine Urphysik oder Naturweisheit, deren
Glanz durch die sündige Barbarei späterer Jahrhunderte verdunkelt
worden wäre. Der Geschichtsforscher durchbricht die vielen über-
einander gelagerten Nebelschichten symbolisirender Mythen, um auf
den festen Boden zu gelangen, wo sich die ersten Keime menschlicher
Gesittung nach natürlichen Gesetzen entwickelt haben." 1) Jmmerhin

seinem Werke "Du culte des dieux fetiches, 1760) über Wesen und Ursprung
derselben geurtheilt. Seine Theorie war eine wesentlich degradationistische. Erst
mit der Sündfluth ließ er die Zeiten der Wildheit im alten Völkerleben beginnen.
Vgl. E. Tylor, Die Anfänge der Cultur etc., I, 36; II, 144.
1) Kosmos, II, 146.

IV. Die Oppoſition des modernen Naturalismus.
der ſeinen ebenſo ſeichten als kecken Conſtructionen ſich anſchließenden
popularphiloſophiſchen Denker und Schriftſteller erſcheint bis auf
den heutigen Tag als recht beträchtlich, beſonders in den Ländern
romaniſcher und engliſcher Zunge, weniger in Deutſchland. Er hat
dem Darwinismus auf dieſem Gebiete ſehr weſentlich vorgearbeitet;
viele der ſpäter unter deſſen Zeichen ſtreitenden Natur-, Religions-,
Sprach- und Geſchichtsphiloſophen ſind von Haus aus Comteſche
Poſitiviſten geweſen; ſo in Frankreich Littré, Eugène Véron, Edgar
Quinet, Taine, Renan ꝛc., in Jtalien Villari, Trezza, Omboni,
Quadri ꝛc. Deutſchland hat zwar dem eigentlichen Poſitivismus
niemals Aufnahme gewährt, darum aber doch der ähnlich wie er
über die Anfänge menſchlicher Cultur- und Religionsentwicklung
denkenden Forſcher und Schriftſteller eine reichliche Zahl geliefert.
Vor dem Eindringen der darwiniſtiſchen Lehren war es beſonders
die machtvolle Autorität Alexanders v. Humboldt (geſt. 1859, im
Jahre des Erſcheinens von Darwins erſtem Hauptwerke), welche
dieſer Denkweiſe Vorſchub leiſtete. Obſchon nicht unbedingt Poly-
geniſt, neigte derſelbe doch überwiegend derjenigen geſchichtlichen Be-
trachtungsweiſe zu, welche das menſchliche Culturleben von mehreren
Urherden aus ſich entwickeln läßt und einen eigentlichen Status
integritatis
in Frage ſtellt. „Die Geſchichte, ſoweit ſie durch
menſchliche Zeugniſſe überliefert iſt, kennt kein Urvolk, keinen einzigen
erſten Sitz der Cultur, keine Urphyſik oder Naturweisheit, deren
Glanz durch die ſündige Barbarei ſpäterer Jahrhunderte verdunkelt
worden wäre. Der Geſchichtsforſcher durchbricht die vielen über-
einander gelagerten Nebelſchichten ſymboliſirender Mythen, um auf
den feſten Boden zu gelangen, wo ſich die erſten Keime menſchlicher
Geſittung nach natürlichen Geſetzen entwickelt haben.‟ 1) Jmmerhin

ſeinem Werke „Du culte des dieux fétiches, 1760) über Weſen und Urſprung
derſelben geurtheilt. Seine Theorie war eine weſentlich degradationiſtiſche. Erſt
mit der Sündfluth ließ er die Zeiten der Wildheit im alten Völkerleben beginnen.
Vgl. E. Tylor, Die Anfänge der Cultur ꝛc., I, 36; II, 144.
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[130/0140] IV. Die Oppoſition des modernen Naturalismus. der ſeinen ebenſo ſeichten als kecken Conſtructionen ſich anſchließenden popularphiloſophiſchen Denker und Schriftſteller erſcheint bis auf den heutigen Tag als recht beträchtlich, beſonders in den Ländern romaniſcher und engliſcher Zunge, weniger in Deutſchland. Er hat dem Darwinismus auf dieſem Gebiete ſehr weſentlich vorgearbeitet; viele der ſpäter unter deſſen Zeichen ſtreitenden Natur-, Religions-, Sprach- und Geſchichtsphiloſophen ſind von Haus aus Comteſche Poſitiviſten geweſen; ſo in Frankreich Littré, Eugène Véron, Edgar Quinet, Taine, Renan ꝛc., in Jtalien Villari, Trezza, Omboni, Quadri ꝛc. Deutſchland hat zwar dem eigentlichen Poſitivismus niemals Aufnahme gewährt, darum aber doch der ähnlich wie er über die Anfänge menſchlicher Cultur- und Religionsentwicklung denkenden Forſcher und Schriftſteller eine reichliche Zahl geliefert. Vor dem Eindringen der darwiniſtiſchen Lehren war es beſonders die machtvolle Autorität Alexanders v. Humboldt (geſt. 1859, im Jahre des Erſcheinens von Darwins erſtem Hauptwerke), welche dieſer Denkweiſe Vorſchub leiſtete. Obſchon nicht unbedingt Poly- geniſt, neigte derſelbe doch überwiegend derjenigen geſchichtlichen Be- trachtungsweiſe zu, welche das menſchliche Culturleben von mehreren Urherden aus ſich entwickeln läßt und einen eigentlichen Status integritatis in Frage ſtellt. „Die Geſchichte, ſoweit ſie durch menſchliche Zeugniſſe überliefert iſt, kennt kein Urvolk, keinen einzigen erſten Sitz der Cultur, keine Urphyſik oder Naturweisheit, deren Glanz durch die ſündige Barbarei ſpäterer Jahrhunderte verdunkelt worden wäre. Der Geſchichtsforſcher durchbricht die vielen über- einander gelagerten Nebelſchichten ſymboliſirender Mythen, um auf den feſten Boden zu gelangen, wo ſich die erſten Keime menſchlicher Geſittung nach natürlichen Geſetzen entwickelt haben.‟ 1) Jmmerhin 2) 1) Kosmos, II, 146. 2) ſeinem Werke „Du culte des dieux fétiches, 1760) über Weſen und Urſprung derſelben geurtheilt. Seine Theorie war eine weſentlich degradationiſtiſche. Erſt mit der Sündfluth ließ er die Zeiten der Wildheit im alten Völkerleben beginnen. Vgl. E. Tylor, Die Anfänge der Cultur ꝛc., I, 36; II, 144.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/140>, abgerufen am 23.11.2024.