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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1724.

Die Einfalt baut dem HErrn ein gar bequemes Hauß.
Es giebt wol hier und da geheime Wunder-Stege;
Doch liegt die Seligkeit auf einem ofnem Wege.

Des Merckmahl ie und ie auf liefen Wassern stund,
HErr! öffne dich doch stets den hungerigen Seelen,
Die, (ihrer Herkunft nach,) sich ausser dir nur quälen!
Entdeckst du Einer auch geheimer Weißheit Grund;
So zeige ihr doch bald, daß dieses Bey-Gericht
Nur Seelen-Zucker sey; die rechte Speise nicht.
Wohlan, du sel'ger Geist! den ewigs Man erquickt,
Du hast mich durch die Schrift vom Kampf der Erstge-
bohrnen

Genähret und gelabt: Sey von dem Auserkohrnen,
Dem süssen GOttes-Lamm, auch dafür angeblickt!
HErr! laß uns, wenn wir einst mit ofnen Augen sehen,
Uns mit der Seligen zu deiner Rechten drehen.
XXIX. Auf Herr Rothens 36. Geburts-Tag.
WEr von der Erde ist, den hat die Erde lieb;
Denn was sich angehört, daß muß sich wohlgefallen;
Was der Natur gerecht, das wählt sie sich für allen;
Da kommt die Freundschaft her, ein eingepflantzter Trieb:
Je weiter sich ein Ding von unsrer Art entfernet,
Je leichter wird der Haß dagegen angelernet.
Der Abgrund trennet GOtt vom Feinde Belial
Die Sünde, (welche Kluft!) des HErrn und unser Wesen,
Wir hassen seinen Geist, biß wir davon genesen:
Denn unsere Statur zertrennete der Fall.
Wenn aber Christus uns von neuen erst verbunden;
So ist die Freundschaft auch mit leichter Müh gefunden.
Da liebt die Seele GOtt, und GOtt die Seele dann,
Und alle, die zugleich in diß Verbündniß treten,
Den HErrn als ihren Freund und Vater anzubeten,
Die sehn einander nun, als liebe Brüder an.
Gewiß! man glaubets nicht, man hab' es denn erfahren,
Wie sich die Glaubigen im Geist zusammen paaren.
Ein

1724.

Die Einfalt baut dem HErrn ein gar bequemes Hauß.
Es giebt wol hier und da geheime Wunder-Stege;
Doch liegt die Seligkeit auf einem ofnem Wege.

Des Merckmahl ie und ie auf liefen Waſſern ſtund,
HErr! oͤffne dich doch ſtets den hungerigen Seelen,
Die, (ihrer Herkunft nach,) ſich auſſer dir nur quaͤlen!
Entdeckſt du Einer auch geheimer Weißheit Grund;
So zeige ihr doch bald, daß dieſes Bey-Gericht
Nur Seelen-Zucker ſey; die rechte Speiſe nicht.
Wohlan, du ſel’ger Geiſt! den ewigs Man erquickt,
Du haſt mich durch die Schrift vom Kampf der Erſtge-
bohrnen

Genaͤhret und gelabt: Sey von dem Auserkohrnen,
Dem ſuͤſſen GOttes-Lamm, auch dafuͤr angeblickt!
HErr! laß uns, wenn wir einſt mit ofnen Augen ſehen,
Uns mit der Seligen zu deiner Rechten drehen.
XXIX. Auf Herr Rothens 36. Geburts-Tag.
WEr von der Erde iſt, den hat die Erde lieb;
Denn was ſich angehoͤrt, daß muß ſich wohlgefallen;
Was der Natur gerecht, das waͤhlt ſie ſich fuͤr allen;
Da kommt die Freundſchaft her, ein eingepflantzter Trieb:
Je weiter ſich ein Ding von unſrer Art entfernet,
Je leichter wird der Haß dagegen angelernet.
Der Abgrund trennet GOtt vom Feinde Belial
Die Suͤnde, (welche Kluft!) des HErrn und unſer Weſen,
Wir haſſen ſeinen Geiſt, biß wir davon geneſen:
Denn unſere Statur zertrennete der Fall.
Wenn aber Chriſtus uns von neuen erſt verbunden;
So iſt die Freundſchaft auch mit leichter Muͤh gefunden.
Da liebt die Seele GOtt, und GOtt die Seele dann,
Und alle, die zugleich in diß Verbuͤndniß treten,
Den HErrn als ihren Freund und Vater anzubeten,
Die ſehn einander nun, als liebe Bruͤder an.
Gewiß! man glaubets nicht, man hab’ es denn erfahren,
Wie ſich die Glaubigen im Geiſt zuſammen paaren.
Ein
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[72/0082] 1724. Die Einfalt baut dem HErrn ein gar bequemes Hauß. Es giebt wol hier und da geheime Wunder-Stege; Doch liegt die Seligkeit auf einem ofnem Wege. Des Merckmahl ie und ie auf liefen Waſſern ſtund, HErr! oͤffne dich doch ſtets den hungerigen Seelen, Die, (ihrer Herkunft nach,) ſich auſſer dir nur quaͤlen! Entdeckſt du Einer auch geheimer Weißheit Grund; So zeige ihr doch bald, daß dieſes Bey-Gericht Nur Seelen-Zucker ſey; die rechte Speiſe nicht. Wohlan, du ſel’ger Geiſt! den ewigs Man erquickt, Du haſt mich durch die Schrift vom Kampf der Erſtge- bohrnen Genaͤhret und gelabt: Sey von dem Auserkohrnen, Dem ſuͤſſen GOttes-Lamm, auch dafuͤr angeblickt! HErr! laß uns, wenn wir einſt mit ofnen Augen ſehen, Uns mit der Seligen zu deiner Rechten drehen. XXIX. Auf Herr Rothens 36. Geburts-Tag. WEr von der Erde iſt, den hat die Erde lieb; Denn was ſich angehoͤrt, daß muß ſich wohlgefallen; Was der Natur gerecht, das waͤhlt ſie ſich fuͤr allen; Da kommt die Freundſchaft her, ein eingepflantzter Trieb: Je weiter ſich ein Ding von unſrer Art entfernet, Je leichter wird der Haß dagegen angelernet. Der Abgrund trennet GOtt vom Feinde Belial Die Suͤnde, (welche Kluft!) des HErrn und unſer Weſen, Wir haſſen ſeinen Geiſt, biß wir davon geneſen: Denn unſere Statur zertrennete der Fall. Wenn aber Chriſtus uns von neuen erſt verbunden; So iſt die Freundſchaft auch mit leichter Muͤh gefunden. Da liebt die Seele GOtt, und GOtt die Seele dann, Und alle, die zugleich in diß Verbuͤndniß treten, Den HErrn als ihren Freund und Vater anzubeten, Die ſehn einander nun, als liebe Bruͤder an. Gewiß! man glaubets nicht, man hab’ es denn erfahren, Wie ſich die Glaubigen im Geiſt zuſammen paaren. Ein

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/82>, abgerufen am 23.11.2024.