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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1721.

Und ietzo hange ich
Jn seinen Armen.

Jch dringe zu ihm zu!
Er muß mir geben
Auff Arbeit süsse Ruh,
Auff Sterben Leben.
XII. Betrachtung seines Beruffs in die
Churfürstliche Sächsische Landes-Regie-
rung.
*
Du grosser HErr der Welt! es ist dir unverborgen,
Wie sehr mich diese Welt mit ihrem Dienst erschreckt:
Jch wäre gar zu gern zu deinem Dienst erweckt:
Der Abend währt mir lang: Jch seufze nach dem Morgen.
Es ist nicht mehr die Zeit, die wohl vor diesem war:
Wir qvälen uns umsonst, wir nutzen ihr kein Haar.
Ach wäre noch der Tag, da man mit Staupen-Schlägen,
Mit Stöck- und Pflöcken sich an deinen Gliedern rieb,
Und sie den Schafen gleich aufs Mord-Gerüste trieb;
So würde sich mein Gram mit leichter Mühe legen.
Denn HErr das weissest du, ich küsse Rad und Pfahl
Um deinetwillen gern; Jch jauchzte bey der Qvaal;
Jch scheue keine Schmach; mich ehrt die Narren-Kappen,
Darein manch eitler Hof dein Volck so gern verhüllt,
Ein Hof, dem Zions Ach mit Lust die Ohren füllt,
Ein Hof, wo kluge Leut' am hellen Tage tappen;
Da hieß ich gern ein Thor, ein Schwärmer, ein Phantast,
Mir wär der Erden-Zorn nur eine kleine Last.
Allein, du alter Freund, dem Millionen Tage
Wie sechzig Stunden sind, der keinen Wechsel kennt,
Und sich mit allem Recht von heut und gestern nennt,
Legst du die alte Welt mit dieser auf die Wage;
So muste Jonathan vor seinem Vater fliehn,
Doch kont' er seinen Freund des Vaters Wuth entziehn;
Der
* Jm October.

1721.

Und ietzo hange ich
Jn ſeinen Armen.

Jch dringe zu ihm zu!
Er muß mir geben
Auff Arbeit ſuͤſſe Ruh,
Auff Sterben Leben.
XII. Betrachtung ſeines Beruffs in die
Churfuͤrſtliche Saͤchſiſche Landes-Regie-
rung.
*
Du groſſer HErr der Welt! es iſt dir unverborgen,
Wie ſehr mich dieſe Welt mit ihrem Dienſt erſchreckt:
Jch waͤre gar zu gern zu deinem Dienſt erweckt:
Der Abend waͤhrt mir lang: Jch ſeufze nach dem Morgen.
Es iſt nicht mehr die Zeit, die wohl vor dieſem war:
Wir qvaͤlen uns umſonſt, wir nutzen ihr kein Haar.
Ach waͤre noch der Tag, da man mit Staupen-Schlaͤgen,
Mit Stoͤck- und Pfloͤcken ſich an deinen Gliedern rieb,
Und ſie den Schafen gleich aufs Mord-Geruͤſte trieb;
So wuͤrde ſich mein Gram mit leichter Muͤhe legen.
Denn HErr das weiſſeſt du, ich kuͤſſe Rad und Pfahl
Um deinetwillen gern; Jch jauchzte bey der Qvaal;
Jch ſcheue keine Schmach; mich ehrt die Narren-Kappen,
Darein manch eitler Hof dein Volck ſo gern verhuͤllt,
Ein Hof, dem Zions Ach mit Luſt die Ohren fuͤllt,
Ein Hof, wo kluge Leut’ am hellen Tage tappen;
Da hieß ich gern ein Thor, ein Schwaͤrmer, ein Phantaſt,
Mir waͤr der Erden-Zorn nur eine kleine Laſt.
Allein, du alter Freund, dem Millionen Tage
Wie ſechzig Stunden ſind, der keinen Wechſel kennt,
Und ſich mit allem Recht von heut und geſtern nennt,
Legſt du die alte Welt mit dieſer auf die Wage;
So muſte Jonathan vor ſeinem Vater fliehn,
Doch kont’ er ſeinen Freund des Vaters Wuth entziehn;
Der
* Jm October.
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[22/0032] 1721. Und ietzo hange ich Jn ſeinen Armen. Jch dringe zu ihm zu! Er muß mir geben Auff Arbeit ſuͤſſe Ruh, Auff Sterben Leben. XII. Betrachtung ſeines Beruffs in die Churfuͤrſtliche Saͤchſiſche Landes-Regie- rung. * Du groſſer HErr der Welt! es iſt dir unverborgen, Wie ſehr mich dieſe Welt mit ihrem Dienſt erſchreckt: Jch waͤre gar zu gern zu deinem Dienſt erweckt: Der Abend waͤhrt mir lang: Jch ſeufze nach dem Morgen. Es iſt nicht mehr die Zeit, die wohl vor dieſem war: Wir qvaͤlen uns umſonſt, wir nutzen ihr kein Haar. Ach waͤre noch der Tag, da man mit Staupen-Schlaͤgen, Mit Stoͤck- und Pfloͤcken ſich an deinen Gliedern rieb, Und ſie den Schafen gleich aufs Mord-Geruͤſte trieb; So wuͤrde ſich mein Gram mit leichter Muͤhe legen. Denn HErr das weiſſeſt du, ich kuͤſſe Rad und Pfahl Um deinetwillen gern; Jch jauchzte bey der Qvaal; Jch ſcheue keine Schmach; mich ehrt die Narren-Kappen, Darein manch eitler Hof dein Volck ſo gern verhuͤllt, Ein Hof, dem Zions Ach mit Luſt die Ohren fuͤllt, Ein Hof, wo kluge Leut’ am hellen Tage tappen; Da hieß ich gern ein Thor, ein Schwaͤrmer, ein Phantaſt, Mir waͤr der Erden-Zorn nur eine kleine Laſt. Allein, du alter Freund, dem Millionen Tage Wie ſechzig Stunden ſind, der keinen Wechſel kennt, Und ſich mit allem Recht von heut und geſtern nennt, Legſt du die alte Welt mit dieſer auf die Wage; So muſte Jonathan vor ſeinem Vater fliehn, Doch kont’ er ſeinen Freund des Vaters Wuth entziehn; Der * Jm October.

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/32>, abgerufen am 25.11.2024.