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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1731.
XCIX. Die zweyte Wach ums Bette Salo-
mo, die Liebes-Helden.
So ruhe denn, du zartes Hertz,
Jn JEsu tieff versunckner Liebe:
Es ist ein widerlicher Schmertz
Zu leben ohne Liebes-Triebe.
Er weiß ja, daß er mich vermag,
Kan eine treue Seele sagen,
Ob er sich gleich bey ihr beklag,
Un[d] wolte erst nach Grunde fragen.
Mein Heyland, hindre nur,
Daß wir nicht auf die Spur
Der leeren Phantasey gerathen,
Wo man von Liebe spricht
Bey einem falschen Licht,
Und unverdrungnen Helden-Thaten.
Was tauget aber unversucht!
Drum finden eckelhaffte Seelen
Kein wahres Wesen an der Frucht,
Darnach sich andre Seelen qvälen.
Wer Christum eins geschmecket hat,
Der kan ihn keinen Tag vermissen.
Ey denckt der Arge hier ist Rath,
Und hält uns auf dem Ruhe-Küssen
So manchen süssen Safft
Zum Munde (sonder Krafft)
Da meynen wir uns satt zu lecken;
Ach! aber was gedeyt
Der faulen Lüsternheit?
Nach Arbeit läst sichs besser schmecken.
Darum entbrennt die Seele bald
Jn reinem Liebes-Eifer Flammen,
Jhr gantzes Jnneres das wallt
Dem Bräutgam zu, das treibt zusammen.
Wenns nun dem Feinde nicht gelingt,
Uns unempfindlich zu erhalten,
Der
1731.
XCIX. Die zweyte Wach ums Bette Salo-
mo, die Liebes-Helden.
So ruhe denn, du zartes Hertz,
Jn JEſu tieff verſunckner Liebe:
Es iſt ein widerlicher Schmertz
Zu leben ohne Liebes-Triebe.
Er weiß ja, daß er mich vermag,
Kan eine treue Seele ſagen,
Ob er ſich gleich bey ihr beklag,
Un[d] wolte erſt nach Grunde fragen.
Mein Heyland, hindre nur,
Daß wir nicht auf die Spur
Der leeren Phantaſey gerathen,
Wo man von Liebe ſpricht
Bey einem falſchen Licht,
Und unverdrungnen Helden-Thaten.
Was tauget aber unverſucht!
Drum finden eckelhaffte Seelen
Kein wahres Weſen an der Frucht,
Darnach ſich andre Seelen qvaͤlen.
Wer Chriſtum eins geſchmecket hat,
Der kan ihn keinen Tag vermiſſen.
Ey denckt der Arge hier iſt Rath,
Und haͤlt uns auf dem Ruhe-Kuͤſſen
So manchen ſuͤſſen Safft
Zum Munde (ſonder Krafft)
Da meynen wir uns ſatt zu lecken;
Ach! aber was gedeyt
Der faulen Luͤſternheit?
Nach Arbeit laͤſt ſichs beſſer ſchmecken.
Darum entbrennt die Seele bald
Jn reinem Liebes-Eifer Flammen,
Jhr gantzes Jnneres das wallt
Dem Braͤutgam zu, das treibt zuſammen.
Wenns nun dem Feinde nicht gelingt,
Uns unempfindlich zu erhalten,
Der
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[235/0245] 1731. XCIX. Die zweyte Wach ums Bette Salo- mo, die Liebes-Helden. So ruhe denn, du zartes Hertz, Jn JEſu tieff verſunckner Liebe: Es iſt ein widerlicher Schmertz Zu leben ohne Liebes-Triebe. Er weiß ja, daß er mich vermag, Kan eine treue Seele ſagen, Ob er ſich gleich bey ihr beklag, Und wolte erſt nach Grunde fragen. Mein Heyland, hindre nur, Daß wir nicht auf die Spur Der leeren Phantaſey gerathen, Wo man von Liebe ſpricht Bey einem falſchen Licht, Und unverdrungnen Helden-Thaten. Was tauget aber unverſucht! Drum finden eckelhaffte Seelen Kein wahres Weſen an der Frucht, Darnach ſich andre Seelen qvaͤlen. Wer Chriſtum eins geſchmecket hat, Der kan ihn keinen Tag vermiſſen. Ey denckt der Arge hier iſt Rath, Und haͤlt uns auf dem Ruhe-Kuͤſſen So manchen ſuͤſſen Safft Zum Munde (ſonder Krafft) Da meynen wir uns ſatt zu lecken; Ach! aber was gedeyt Der faulen Luͤſternheit? Nach Arbeit laͤſt ſichs beſſer ſchmecken. Darum entbrennt die Seele bald Jn reinem Liebes-Eifer Flammen, Jhr gantzes Jnneres das wallt Dem Braͤutgam zu, das treibt zuſammen. Wenns nun dem Feinde nicht gelingt, Uns unempfindlich zu erhalten, Der

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/245>, abgerufen am 04.05.2024.