Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.1731. XCVII. Henochs Leben. Vor seinen Augen schweben Jst wahre Seeligkeit; Ein unverrucktes Leben Jn Eingesunckenheit: Nichts können und nichts wissen, Nichts wollen und nichts thun, Als JEsu folgen müssen, Das heist im Friede ruhn. Man steht von seinem Schlafe Jn Christi Freundschafft auf; Man fürchtet keine Strafe Jm gantzen Lebens-Lauff; Man ißt und trinckt in Liebe, Man hungerte wohl auch: Man hält im Gnaden-Triebe Beständig einen Brauch. Wenn man den Tag vollendet, So legt man sich zu Ruh, Von Christo unverwendet Thut man die Sinnen zu; Und weiß auch denen Träumen, Wenns ja geträumt soll seyn, Nichts anders einzuräumen, Als Christi Wiederschein. Man geht in einer Fassung Dahin bey Tag und Nacht, Und ist auf die Verlassung Der gantzen Welt bedacht: Man hört, und sieht, und fühlet, Hört, sieht und fühlt doch nicht; Und wenn uns Schmertz durchwühlet, Weiß man nicht, was geschicht. Gewiß, wer erst die Sünde Jn Christi Blut ertränckt, Und
1731. XCVII. Henochs Leben. Vor ſeinen Augen ſchweben Jſt wahre Seeligkeit; Ein unverrucktes Leben Jn Eingeſunckenheit: Nichts koͤnnen und nichts wiſſen, Nichts wollen und nichts thun, Als JEſu folgen muͤſſen, Das heiſt im Friede ruhn. Man ſteht von ſeinem Schlafe Jn Chriſti Freundſchafft auf; Man fuͤrchtet keine Strafe Jm gantzen Lebens-Lauff; Man ißt und trinckt in Liebe, Man hungerte wohl auch: Man haͤlt im Gnaden-Triebe Beſtaͤndig einen Brauch. Wenn man den Tag vollendet, So legt man ſich zu Ruh, Von Chriſto unverwendet Thut man die Sinnen zu; Und weiß auch denen Traͤumen, Wenns ja getraͤumt ſoll ſeyn, Nichts anders einzuraͤumen, Als Chriſti Wiederſchein. Man geht in einer Faſſung Dahin bey Tag und Nacht, Und iſt auf die Verlaſſung Der gantzen Welt bedacht: Man hoͤrt, und ſieht, und fuͤhlet, Hoͤrt, ſieht und fuͤhlt doch nicht; Und wenn uns Schmertz durchwuͤhlet, Weiß man nicht, was geſchicht. Gewiß, wer erſt die Suͤnde Jn Chriſti Blut ertraͤnckt, Und
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1731.
XCVII. Henochs Leben.
Vor ſeinen Augen ſchweben
Jſt wahre Seeligkeit;
Ein unverrucktes Leben
Jn Eingeſunckenheit:
Nichts koͤnnen und nichts wiſſen,
Nichts wollen und nichts thun,
Als JEſu folgen muͤſſen,
Das heiſt im Friede ruhn.
Man ſteht von ſeinem Schlafe
Jn Chriſti Freundſchafft auf;
Man fuͤrchtet keine Strafe
Jm gantzen Lebens-Lauff;
Man ißt und trinckt in Liebe,
Man hungerte wohl auch:
Man haͤlt im Gnaden-Triebe
Beſtaͤndig einen Brauch.
Wenn man den Tag vollendet,
So legt man ſich zu Ruh,
Von Chriſto unverwendet
Thut man die Sinnen zu;
Und weiß auch denen Traͤumen,
Wenns ja getraͤumt ſoll ſeyn,
Nichts anders einzuraͤumen,
Als Chriſti Wiederſchein.
Man geht in einer Faſſung
Dahin bey Tag und Nacht,
Und iſt auf die Verlaſſung
Der gantzen Welt bedacht:
Man hoͤrt, und ſieht, und fuͤhlet,
Hoͤrt, ſieht und fuͤhlt doch nicht;
Und wenn uns Schmertz durchwuͤhlet,
Weiß man nicht, was geſchicht.
Gewiß, wer erſt die Suͤnde
Jn Chriſti Blut ertraͤnckt,
Und
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Zitationshilfe: | Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/243>, abgerufen am 25.07.2024. |