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Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Plötzlich an der Scheune blieb sie stehen, horchte und flog davon, ohne ein Wort zu sagen, dem Bruche in der Richtung zu, die der Actuar und Knabe eingeschlagen hatten. Der Schmied machte den Männern Vorwürfe, daß sie das arme Mädchen so erschreckt, daß sie ins nasse Bruch laufe. Wir sind ja Christen, rief er, nicht Heiden und Türken! Andere stimmten ihm bei, und nun ging es an ein neues Hin- und Herreden, so daß der Schmied sich unbemerkt entfernen konnte, wobei er aus der nunmehr erwachten Stimmung vernahm, daß keine Gefahr mehr für Hof und Haus war. Er lief ins Bruch, wo er bald die Gestalt Mariens entdeckte. Das Mädchen arbeitete sich durch das welke Gras und Gestrüppe, immer auf die Gegend zu, wo der Hülferuf kam. Bald sah er den Knaben auf einem verwitterten Elsenstamm sitzen, vor dem diesseits, dicht über der Erde, sich ein noch unerkennbarer Körper bewegte. Marie stürzte gerade auf letzteren zu, sie war kaum zwanzig Schritte entfernt, fiel nieder, richtete sich auf und obwohl die dürre Grasdecke unter ihren Füßen wogte, verlor sie den Muth nicht und wollte sich eben zu einer letzten Anstrengung sammeln, als sie sich mit fester Hand am Arm ergriffen fühlte und zurückgezogen wurde.

Willst du in den offenbaren Tod rennen, Marie? sagte der Schmied und hielt sie fest.

Wie ist denn der Actuarius in das schlimmste Loch des Bruchs gerathen, rief er zum Knaben hinüber.

Plötzlich an der Scheune blieb sie stehen, horchte und flog davon, ohne ein Wort zu sagen, dem Bruche in der Richtung zu, die der Actuar und Knabe eingeschlagen hatten. Der Schmied machte den Männern Vorwürfe, daß sie das arme Mädchen so erschreckt, daß sie ins nasse Bruch laufe. Wir sind ja Christen, rief er, nicht Heiden und Türken! Andere stimmten ihm bei, und nun ging es an ein neues Hin- und Herreden, so daß der Schmied sich unbemerkt entfernen konnte, wobei er aus der nunmehr erwachten Stimmung vernahm, daß keine Gefahr mehr für Hof und Haus war. Er lief ins Bruch, wo er bald die Gestalt Mariens entdeckte. Das Mädchen arbeitete sich durch das welke Gras und Gestrüppe, immer auf die Gegend zu, wo der Hülferuf kam. Bald sah er den Knaben auf einem verwitterten Elsenstamm sitzen, vor dem diesseits, dicht über der Erde, sich ein noch unerkennbarer Körper bewegte. Marie stürzte gerade auf letzteren zu, sie war kaum zwanzig Schritte entfernt, fiel nieder, richtete sich auf und obwohl die dürre Grasdecke unter ihren Füßen wogte, verlor sie den Muth nicht und wollte sich eben zu einer letzten Anstrengung sammeln, als sie sich mit fester Hand am Arm ergriffen fühlte und zurückgezogen wurde.

Willst du in den offenbaren Tod rennen, Marie? sagte der Schmied und hielt sie fest.

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[0056] Plötzlich an der Scheune blieb sie stehen, horchte und flog davon, ohne ein Wort zu sagen, dem Bruche in der Richtung zu, die der Actuar und Knabe eingeschlagen hatten. Der Schmied machte den Männern Vorwürfe, daß sie das arme Mädchen so erschreckt, daß sie ins nasse Bruch laufe. Wir sind ja Christen, rief er, nicht Heiden und Türken! Andere stimmten ihm bei, und nun ging es an ein neues Hin- und Herreden, so daß der Schmied sich unbemerkt entfernen konnte, wobei er aus der nunmehr erwachten Stimmung vernahm, daß keine Gefahr mehr für Hof und Haus war. Er lief ins Bruch, wo er bald die Gestalt Mariens entdeckte. Das Mädchen arbeitete sich durch das welke Gras und Gestrüppe, immer auf die Gegend zu, wo der Hülferuf kam. Bald sah er den Knaben auf einem verwitterten Elsenstamm sitzen, vor dem diesseits, dicht über der Erde, sich ein noch unerkennbarer Körper bewegte. Marie stürzte gerade auf letzteren zu, sie war kaum zwanzig Schritte entfernt, fiel nieder, richtete sich auf und obwohl die dürre Grasdecke unter ihren Füßen wogte, verlor sie den Muth nicht und wollte sich eben zu einer letzten Anstrengung sammeln, als sie sich mit fester Hand am Arm ergriffen fühlte und zurückgezogen wurde. Willst du in den offenbaren Tod rennen, Marie? sagte der Schmied und hielt sie fest. Wie ist denn der Actuarius in das schlimmste Loch des Bruchs gerathen, rief er zum Knaben hinüber.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:10:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:10:09Z)

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Zitationshilfe: Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/56>, abgerufen am 04.05.2024.