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Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Mehlhandel trieb, übrigens eine sehr brave und sittige Frau war, welche ängstlich dafür sorgte, daß das Kind in der sehr guten Mädchenschule des Orts ordentlich etwas lernte. Nach der Einsegnung war Marie ins Vaterhaus zurückgekehrt und führte die Wirthschaft an Stelle der inzwischen verstorbenen Mutter. Geschwister waren nicht vorhanden, und so brachte das Mädchen ihr Leben in der größten Einsamkeit hin und empfing sehr selten andern Besuch, als von den Kantortöchtern des Dörfchens. --

Der Actuar war ohne Mitbewerber aufgetreten. Eine kurze Zeit lang hatte sich der Hülfslehrer des schon alt gewordenen Kantors und Schullehrers um sie bemüht. Dieser junge Mann hatte die Universität besucht, war aber, da ihm seine einzige Stütze im ersten Studienjahre starb, gezwungen gewesen, dieselbe zu verlassen und sich als Elementarlehrer einzureihen. Er besaß ungewöhnliche Kenntnisse, und die Unzufriedenheit mit seinem widrigen Schicksale hatte sich auf sein Vaterland und die ganzen deutschen Zustände übertragen, die er so laut aussprach, daß der Justizrath und durch diesen der Schulinspector davon Kenntniß erhielt, und er gezwungen wurde, seine ärmliche Stellung und damit die Aussicht auf den Schuldienst aufzugeben. Marie hatte er in Geschichte und Geographie unterrichtet, sie aber merkwürdiger Weise von der Musik abgehalten, weil er behauptete, alle singenden Völker könnten nicht frei werden. Bei seinem Abgange hatte

Mehlhandel trieb, übrigens eine sehr brave und sittige Frau war, welche ängstlich dafür sorgte, daß das Kind in der sehr guten Mädchenschule des Orts ordentlich etwas lernte. Nach der Einsegnung war Marie ins Vaterhaus zurückgekehrt und führte die Wirthschaft an Stelle der inzwischen verstorbenen Mutter. Geschwister waren nicht vorhanden, und so brachte das Mädchen ihr Leben in der größten Einsamkeit hin und empfing sehr selten andern Besuch, als von den Kantortöchtern des Dörfchens. —

Der Actuar war ohne Mitbewerber aufgetreten. Eine kurze Zeit lang hatte sich der Hülfslehrer des schon alt gewordenen Kantors und Schullehrers um sie bemüht. Dieser junge Mann hatte die Universität besucht, war aber, da ihm seine einzige Stütze im ersten Studienjahre starb, gezwungen gewesen, dieselbe zu verlassen und sich als Elementarlehrer einzureihen. Er besaß ungewöhnliche Kenntnisse, und die Unzufriedenheit mit seinem widrigen Schicksale hatte sich auf sein Vaterland und die ganzen deutschen Zustände übertragen, die er so laut aussprach, daß der Justizrath und durch diesen der Schulinspector davon Kenntniß erhielt, und er gezwungen wurde, seine ärmliche Stellung und damit die Aussicht auf den Schuldienst aufzugeben. Marie hatte er in Geschichte und Geographie unterrichtet, sie aber merkwürdiger Weise von der Musik abgehalten, weil er behauptete, alle singenden Völker könnten nicht frei werden. Bei seinem Abgange hatte

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[0018] Mehlhandel trieb, übrigens eine sehr brave und sittige Frau war, welche ängstlich dafür sorgte, daß das Kind in der sehr guten Mädchenschule des Orts ordentlich etwas lernte. Nach der Einsegnung war Marie ins Vaterhaus zurückgekehrt und führte die Wirthschaft an Stelle der inzwischen verstorbenen Mutter. Geschwister waren nicht vorhanden, und so brachte das Mädchen ihr Leben in der größten Einsamkeit hin und empfing sehr selten andern Besuch, als von den Kantortöchtern des Dörfchens. — Der Actuar war ohne Mitbewerber aufgetreten. Eine kurze Zeit lang hatte sich der Hülfslehrer des schon alt gewordenen Kantors und Schullehrers um sie bemüht. Dieser junge Mann hatte die Universität besucht, war aber, da ihm seine einzige Stütze im ersten Studienjahre starb, gezwungen gewesen, dieselbe zu verlassen und sich als Elementarlehrer einzureihen. Er besaß ungewöhnliche Kenntnisse, und die Unzufriedenheit mit seinem widrigen Schicksale hatte sich auf sein Vaterland und die ganzen deutschen Zustände übertragen, die er so laut aussprach, daß der Justizrath und durch diesen der Schulinspector davon Kenntniß erhielt, und er gezwungen wurde, seine ärmliche Stellung und damit die Aussicht auf den Schuldienst aufzugeben. Marie hatte er in Geschichte und Geographie unterrichtet, sie aber merkwürdiger Weise von der Musik abgehalten, weil er behauptete, alle singenden Völker könnten nicht frei werden. Bei seinem Abgange hatte

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:10:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/18>, abgerufen am 24.11.2024.