Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Vereinigung der richterlichen und Polizeigewalt, sowie in seinem Einflusse auf die Verwaltung und Rentkammer des Stiftes sich geltend machte, mit verhältnißmäßiger Milde. Nur an seine Eitelkeit anzustoßen, war gefährlich. Der kleine, dicke, behäbige Mann konnte dann, wie alle eitle Menschen, gefährlich werden, und ließ sich zu den äußersten Ungerechtigkeiten und Bedrückungen hinreißen, um seinem verletzten Ansehen, das leider durch keine besonderen geistigen Eigenschaften gehoben wurde, zu Hülfe zu kommen. Vor wenig Jahren war sein Actuarius gestorben, und das Stift hatte einen Menschen ernannt, der alle Eigenschaften besaß, Leute wie den Justizrath für sich einzunehmen. Der junge Mann war aus dem Dessauischen, sollte dort als Jäger gedient, aber freiwillig diese Carriere verlassen haben, und hatte sich in das Vertrauen Derer geschwindelt, welche die Actuariusstelle zu besetzen hatten. Das nöthige Examen hatte er vor dem Justizrath selbst, der damit beauftragt war, bestanden, und er ging diesem nicht nur im Dienste, sondern auch auf der Jagd zur Hand. Er hatte von seinem Jägergewerbe etwas Bedientenhaftes beibehalten, eine Eigenschaft, die schwache Personen und besonders schwache Vorgesetzte leider mehr anzieht als abstößt. Mit dem Müller unsers Dorfes hatte er Bekanntschaft gemacht, als er in den ersten Tagen seines Dienstes ihm ein Erkenntniß publicirte, wonach ihm ein sehr bedeutendes Bauerngut zugesprochen worden war. Er Vereinigung der richterlichen und Polizeigewalt, sowie in seinem Einflusse auf die Verwaltung und Rentkammer des Stiftes sich geltend machte, mit verhältnißmäßiger Milde. Nur an seine Eitelkeit anzustoßen, war gefährlich. Der kleine, dicke, behäbige Mann konnte dann, wie alle eitle Menschen, gefährlich werden, und ließ sich zu den äußersten Ungerechtigkeiten und Bedrückungen hinreißen, um seinem verletzten Ansehen, das leider durch keine besonderen geistigen Eigenschaften gehoben wurde, zu Hülfe zu kommen. Vor wenig Jahren war sein Actuarius gestorben, und das Stift hatte einen Menschen ernannt, der alle Eigenschaften besaß, Leute wie den Justizrath für sich einzunehmen. Der junge Mann war aus dem Dessauischen, sollte dort als Jäger gedient, aber freiwillig diese Carrière verlassen haben, und hatte sich in das Vertrauen Derer geschwindelt, welche die Actuariusstelle zu besetzen hatten. Das nöthige Examen hatte er vor dem Justizrath selbst, der damit beauftragt war, bestanden, und er ging diesem nicht nur im Dienste, sondern auch auf der Jagd zur Hand. Er hatte von seinem Jägergewerbe etwas Bedientenhaftes beibehalten, eine Eigenschaft, die schwache Personen und besonders schwache Vorgesetzte leider mehr anzieht als abstößt. Mit dem Müller unsers Dorfes hatte er Bekanntschaft gemacht, als er in den ersten Tagen seines Dienstes ihm ein Erkenntniß publicirte, wonach ihm ein sehr bedeutendes Bauerngut zugesprochen worden war. Er <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0016"/> Vereinigung der richterlichen und Polizeigewalt, sowie in seinem Einflusse auf die Verwaltung und Rentkammer des Stiftes sich geltend machte, mit verhältnißmäßiger Milde. Nur an seine Eitelkeit anzustoßen, war gefährlich. Der kleine, dicke, behäbige Mann konnte dann, wie alle eitle Menschen, gefährlich werden, und ließ sich zu den äußersten Ungerechtigkeiten und Bedrückungen hinreißen, um seinem verletzten Ansehen, das leider durch keine besonderen geistigen Eigenschaften gehoben wurde, zu Hülfe zu kommen.</p><lb/> <p>Vor wenig Jahren war sein Actuarius gestorben, und das Stift hatte einen Menschen ernannt, der alle Eigenschaften besaß, Leute wie den Justizrath für sich einzunehmen. Der junge Mann war aus dem Dessauischen, sollte dort als Jäger gedient, aber freiwillig diese Carrière verlassen haben, und hatte sich in das Vertrauen Derer geschwindelt, welche die Actuariusstelle zu besetzen hatten. Das nöthige Examen hatte er vor dem Justizrath selbst, der damit beauftragt war, bestanden, und er ging diesem nicht nur im Dienste, sondern auch auf der Jagd zur Hand. Er hatte von seinem Jägergewerbe etwas Bedientenhaftes beibehalten, eine Eigenschaft, die schwache Personen und besonders schwache Vorgesetzte leider mehr anzieht als abstößt.</p><lb/> <p>Mit dem Müller unsers Dorfes hatte er Bekanntschaft gemacht, als er in den ersten Tagen seines Dienstes ihm ein Erkenntniß publicirte, wonach ihm ein sehr bedeutendes Bauerngut zugesprochen worden war. Er<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0016]
Vereinigung der richterlichen und Polizeigewalt, sowie in seinem Einflusse auf die Verwaltung und Rentkammer des Stiftes sich geltend machte, mit verhältnißmäßiger Milde. Nur an seine Eitelkeit anzustoßen, war gefährlich. Der kleine, dicke, behäbige Mann konnte dann, wie alle eitle Menschen, gefährlich werden, und ließ sich zu den äußersten Ungerechtigkeiten und Bedrückungen hinreißen, um seinem verletzten Ansehen, das leider durch keine besonderen geistigen Eigenschaften gehoben wurde, zu Hülfe zu kommen.
Vor wenig Jahren war sein Actuarius gestorben, und das Stift hatte einen Menschen ernannt, der alle Eigenschaften besaß, Leute wie den Justizrath für sich einzunehmen. Der junge Mann war aus dem Dessauischen, sollte dort als Jäger gedient, aber freiwillig diese Carrière verlassen haben, und hatte sich in das Vertrauen Derer geschwindelt, welche die Actuariusstelle zu besetzen hatten. Das nöthige Examen hatte er vor dem Justizrath selbst, der damit beauftragt war, bestanden, und er ging diesem nicht nur im Dienste, sondern auch auf der Jagd zur Hand. Er hatte von seinem Jägergewerbe etwas Bedientenhaftes beibehalten, eine Eigenschaft, die schwache Personen und besonders schwache Vorgesetzte leider mehr anzieht als abstößt.
Mit dem Müller unsers Dorfes hatte er Bekanntschaft gemacht, als er in den ersten Tagen seines Dienstes ihm ein Erkenntniß publicirte, wonach ihm ein sehr bedeutendes Bauerngut zugesprochen worden war. Er
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Zitationshilfe: | Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/16>, abgerufen am 16.02.2025. |