Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.auf dem Glatteise; in Schnee und Gerüll, in Sand und Moder, auf steinigen wie auf grundlosen Wegen weiß er sich zu helfen; bei mäßiger Kost lernt er unermüdlich ausharren, er wird ausdauernd, um sich blickend, an nichts verzweifelnd. Sein leichtes sarmatisches Blut hat einen starken niedersächsischen Zuwachs, und er ist kühn, unternehmend und starrköpfig zugleich. Die drei ersten Hohenzollern, die in den Märkern einen Theil dieser Stämme überkamen, kehrten in ihre Erblande zurück, weil dies harte, unbezähmbare Volk sie ermüdet hatte, und es ist nicht Zufall, wenn von diesem Lande aus eine Großmacht sich ausbildete; denn nur ein so eigenthümlicher, kräftiger und vorzugsweise zum Soldaten befähigter Stamm konnte das leisten, was seine Fürsten ihm zumutheten. So leicht zu handhaben auch diese östlichen Niederländer scheinen, so gefährlich ist es doch, sie zu beleidigen. Sie vergessen dies sehr selten und vergeben eine Ungerechtigkeit nie. Der Einzelne wird, wenn ihm sein Recht versagt wird, wie einst Kohlhaas, leicht zum Verbrecher, das ganze Volk, in seinem Rechtsgefühl gekränkt, sammelt sich leicht zur Gewaltthat, und jeder Einzelne entwickelt dann mehr Verstellung und Verschlagenheit als irgend Einer anderen Stammes. Die Franzosen haben dies zu ihrem Schaden erfahren; sie haben beleidigt, und dies reichte hin, den Kampf gegen sie auf Leben und Tod zu führen, der nirgend so energisch aufgenommen wurde als in diesen Gegenden. auf dem Glatteise; in Schnee und Gerüll, in Sand und Moder, auf steinigen wie auf grundlosen Wegen weiß er sich zu helfen; bei mäßiger Kost lernt er unermüdlich ausharren, er wird ausdauernd, um sich blickend, an nichts verzweifelnd. Sein leichtes sarmatisches Blut hat einen starken niedersächsischen Zuwachs, und er ist kühn, unternehmend und starrköpfig zugleich. Die drei ersten Hohenzollern, die in den Märkern einen Theil dieser Stämme überkamen, kehrten in ihre Erblande zurück, weil dies harte, unbezähmbare Volk sie ermüdet hatte, und es ist nicht Zufall, wenn von diesem Lande aus eine Großmacht sich ausbildete; denn nur ein so eigenthümlicher, kräftiger und vorzugsweise zum Soldaten befähigter Stamm konnte das leisten, was seine Fürsten ihm zumutheten. So leicht zu handhaben auch diese östlichen Niederländer scheinen, so gefährlich ist es doch, sie zu beleidigen. Sie vergessen dies sehr selten und vergeben eine Ungerechtigkeit nie. Der Einzelne wird, wenn ihm sein Recht versagt wird, wie einst Kohlhaas, leicht zum Verbrecher, das ganze Volk, in seinem Rechtsgefühl gekränkt, sammelt sich leicht zur Gewaltthat, und jeder Einzelne entwickelt dann mehr Verstellung und Verschlagenheit als irgend Einer anderen Stammes. Die Franzosen haben dies zu ihrem Schaden erfahren; sie haben beleidigt, und dies reichte hin, den Kampf gegen sie auf Leben und Tod zu führen, der nirgend so energisch aufgenommen wurde als in diesen Gegenden. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0011"/> auf dem Glatteise; in Schnee und Gerüll, in Sand und Moder, auf steinigen wie auf grundlosen Wegen weiß er sich zu helfen; bei mäßiger Kost lernt er unermüdlich ausharren, er wird ausdauernd, um sich blickend, an nichts verzweifelnd. Sein leichtes sarmatisches Blut hat einen starken niedersächsischen Zuwachs, und er ist kühn, unternehmend und starrköpfig zugleich. Die drei ersten Hohenzollern, die in den Märkern einen Theil dieser Stämme überkamen, kehrten in ihre Erblande zurück, weil dies harte, unbezähmbare Volk sie ermüdet hatte, und es ist nicht Zufall, wenn von diesem Lande aus eine Großmacht sich ausbildete; denn nur ein so eigenthümlicher, kräftiger und vorzugsweise zum Soldaten befähigter Stamm konnte das leisten, was seine Fürsten ihm zumutheten. So leicht zu handhaben auch diese östlichen Niederländer scheinen, so gefährlich ist es doch, sie zu beleidigen. Sie vergessen dies sehr selten und vergeben eine Ungerechtigkeit nie. Der Einzelne wird, wenn ihm sein Recht versagt wird, wie einst Kohlhaas, leicht zum Verbrecher, das ganze Volk, in seinem Rechtsgefühl gekränkt, sammelt sich leicht zur Gewaltthat, und jeder Einzelne entwickelt dann mehr Verstellung und Verschlagenheit als irgend Einer anderen Stammes. Die Franzosen haben dies zu ihrem Schaden erfahren; sie haben beleidigt, und dies reichte hin, den Kampf gegen sie auf Leben und Tod zu führen, der nirgend so energisch aufgenommen wurde als in diesen Gegenden.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0011]
auf dem Glatteise; in Schnee und Gerüll, in Sand und Moder, auf steinigen wie auf grundlosen Wegen weiß er sich zu helfen; bei mäßiger Kost lernt er unermüdlich ausharren, er wird ausdauernd, um sich blickend, an nichts verzweifelnd. Sein leichtes sarmatisches Blut hat einen starken niedersächsischen Zuwachs, und er ist kühn, unternehmend und starrköpfig zugleich. Die drei ersten Hohenzollern, die in den Märkern einen Theil dieser Stämme überkamen, kehrten in ihre Erblande zurück, weil dies harte, unbezähmbare Volk sie ermüdet hatte, und es ist nicht Zufall, wenn von diesem Lande aus eine Großmacht sich ausbildete; denn nur ein so eigenthümlicher, kräftiger und vorzugsweise zum Soldaten befähigter Stamm konnte das leisten, was seine Fürsten ihm zumutheten. So leicht zu handhaben auch diese östlichen Niederländer scheinen, so gefährlich ist es doch, sie zu beleidigen. Sie vergessen dies sehr selten und vergeben eine Ungerechtigkeit nie. Der Einzelne wird, wenn ihm sein Recht versagt wird, wie einst Kohlhaas, leicht zum Verbrecher, das ganze Volk, in seinem Rechtsgefühl gekränkt, sammelt sich leicht zur Gewaltthat, und jeder Einzelne entwickelt dann mehr Verstellung und Verschlagenheit als irgend Einer anderen Stammes. Die Franzosen haben dies zu ihrem Schaden erfahren; sie haben beleidigt, und dies reichte hin, den Kampf gegen sie auf Leben und Tod zu führen, der nirgend so energisch aufgenommen wurde als in diesen Gegenden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/11 |
Zitationshilfe: | Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/11>, abgerufen am 16.07.2024. |