Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

zweites Buch.
sehr betrübeten sich darüber seine anderen Kinder. Ja
fast die meisten zitterten vor boßheit. Sie böbeten vor
gramschaft; und vermochten weder zu essen/ noch zu
schlafen vor grimmigem zorne.

Josef konte sich noch nicht bereden/ daß sie ihn hasse-
ten/ ja so überaus anfeindeten. Er vermochte ihnen
nichts böses zu zu trauen. Das lief wider seine guht-
ahrtigkeit. Das stritte wider sein aufrichtiges hertz.
Er maß sie ab nach seinem maße. Wie er geahrtet war/
gedachte er weren sie auch. Aber es befand sich im aus-
kehrichte viel anders. Der endliche ausschlag lehrete
ihn mit seinem schaden/ daß ihn seine garzuguhte ge-
danken betrogen. Der Vater selbsten lies ihm zwar
wohl schwahnen/ weil sie ihren unmuht vor ihm nicht
so gar/ daß er ihn nicht gemärket/ verbergen konten/
daß sie dem Josef seine vorstehende hoheit misgönne-
ten. Aber es war ferne von ihm zu gleuben/ daß Brü-
der/ die noch darzu seine Söhne weren/ denen er viel ein
anders zutrauete/ von einer boßhaftigen gemühtsre-
gung so weit könten verleitet werden/ daß sie ihrem
Mitbruder sein glük so gar feindseelig beneideten. Und
darüm schlug er alle gedanken/ die ihm das gegenteil
vorhielten/ in den wind. Er war sicher. Er vermuhtete
das beste. Er wolte von nichts böses hören.

Auf den nächsten morgen nach dieser begäbnüs/
machten sich Josefs zehen Stiefbrüder mit den vieh-
heerden früh auf. Sie nahmen zwar/ ihrer gewohnheit
nach/ sehr freundlich abschied vom Vater; und befah-
len dem Josef/ seiner wohl zu pflegen. Aber sie waren
so bald nicht auf das feld gekommen/ fing sich unter ih-
nen/ sonderlich unter der Mägde Söhnen/ das alte ge-
murre und geknurre schon wieder an. Doch knurrete
von diesen niemand mehr/ als Dan und Gad. Dieser
wündschte dem Josef alle böse drüsen an den hals.
Jener verfluchte den tag/ da er gebohren. Besser

were

zweites Buch.
ſehr betruͤbeten ſich daruͤber ſeine anderen Kinder. Ja
faſt die meiſten zitterten vor boßheit. Sie boͤbeten vor
gramſchaft; und vermochten weder zu eſſen/ noch zu
ſchlafen vor grimmigem zorne.

Joſef konte ſich noch nicht bereden/ daß ſie ihn haſſe-
ten/ ja ſo uͤberaus anfeindeten. Er vermochte ihnen
nichts boͤſes zu zu trauen. Das lief wider ſeine guht-
ahrtigkeit. Das ſtritte wider ſein aufrichtiges hertz.
Er maß ſie ab nach ſeinem maße. Wie er geahrtet war/
gedachte er weren ſie auch. Aber es befand ſich im aus-
kehrichte viel anders. Der endliche ausſchlag lehrete
ihn mit ſeinem ſchaden/ daß ihn ſeine garzuguhte ge-
danken betrogen. Der Vater ſelbſten lies ihm zwar
wohl ſchwahnen/ weil ſie ihren unmuht vor ihm nicht
ſo gar/ daß er ihn nicht gemaͤrket/ verbergen konten/
daß ſie dem Joſef ſeine vorſtehende hoheit misgoͤnne-
ten. Aber es war ferne von ihm zu gleuben/ daß Bruͤ-
der/ die noch darzu ſeine Soͤhne weren/ denen er viel ein
anders zutrauete/ von einer boßhaftigen gemuͤhtsre-
gung ſo weit koͤnten verleitet werden/ daß ſie ihrem
Mitbruder ſein gluͤk ſo gar feindſeelig beneideten. Und
daruͤm ſchlug er alle gedanken/ die ihm das gegenteil
vorhielten/ in den wind. Er war ſicher. Er vermuhtete
das beſte. Er wolte von nichts boͤſes hoͤren.

Auf den naͤchſten morgen nach dieſer begaͤbnuͤs/
machten ſich Joſefs zehen Stiefbruͤder mit den vieh-
heerden fruͤh auf. Sie nahmen zwar/ ihrer gewohnheit
nach/ ſehr freundlich abſchied vom Vater; und befah-
len dem Joſef/ ſeiner wohl zu pflegen. Aber ſie waren
ſo bald nicht auf das feld gekommen/ fing ſich unter ih-
nen/ ſonderlich unter der Maͤgde Soͤhnen/ das alte ge-
murre und geknurre ſchon wieder an. Doch knurrete
von dieſen niemand mehr/ als Dan und Gad. Dieſer
wuͤndſchte dem Joſef alle boͤſe druͤſen an den hals.
Jener verfluchte den tag/ da er gebohren. Beſſer

were
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0087" n="63"/><fw place="top" type="header">zweites Buch.</fw><lb/>
&#x017F;ehr betru&#x0364;beten &#x017F;ich daru&#x0364;ber &#x017F;eine anderen Kinder. Ja<lb/>
fa&#x017F;t die mei&#x017F;ten zitterten vor boßheit. Sie bo&#x0364;beten vor<lb/>
gram&#x017F;chaft; und vermochten weder zu e&#x017F;&#x017F;en/ noch zu<lb/>
&#x017F;chlafen vor grimmigem zorne.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> konte &#x017F;ich noch nicht bereden/ daß &#x017F;ie ihn ha&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
ten/ ja &#x017F;o u&#x0364;beraus anfeindeten. Er vermochte ihnen<lb/>
nichts bo&#x0364;&#x017F;es zu zu trauen. Das lief wider &#x017F;eine guht-<lb/>
ahrtigkeit. Das &#x017F;tritte wider &#x017F;ein aufrichtiges hertz.<lb/>
Er maß &#x017F;ie ab nach &#x017F;einem maße. Wie er geahrtet war/<lb/>
gedachte er weren &#x017F;ie auch. Aber es befand &#x017F;ich im aus-<lb/>
kehrichte viel anders. Der endliche aus&#x017F;chlag lehrete<lb/>
ihn mit &#x017F;einem &#x017F;chaden/ daß ihn &#x017F;eine garzuguhte ge-<lb/>
danken betrogen. Der Vater &#x017F;elb&#x017F;ten lies ihm zwar<lb/>
wohl &#x017F;chwahnen/ weil &#x017F;ie ihren unmuht vor ihm nicht<lb/>
&#x017F;o gar/ daß er ihn nicht gema&#x0364;rket/ verbergen konten/<lb/>
daß &#x017F;ie dem <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> &#x017F;eine vor&#x017F;tehende hoheit misgo&#x0364;nne-<lb/>
ten. Aber es war ferne von ihm zu gleuben/ daß Bru&#x0364;-<lb/>
der/ die noch darzu &#x017F;eine So&#x0364;hne weren/ denen er viel ein<lb/>
anders zutrauete/ von einer boßhaftigen gemu&#x0364;htsre-<lb/>
gung &#x017F;o weit ko&#x0364;nten verleitet werden/ daß &#x017F;ie ihrem<lb/>
Mitbruder &#x017F;ein glu&#x0364;k &#x017F;o gar feind&#x017F;eelig beneideten. Und<lb/>
daru&#x0364;m &#x017F;chlug er alle gedanken/ die ihm das gegenteil<lb/>
vorhielten/ in den wind. Er war &#x017F;icher. Er vermuhtete<lb/>
das be&#x017F;te. Er wolte von nichts bo&#x0364;&#x017F;es ho&#x0364;ren.</p><lb/>
        <p>Auf den na&#x0364;ch&#x017F;ten morgen nach die&#x017F;er bega&#x0364;bnu&#x0364;s/<lb/>
machten &#x017F;ich <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;efs</hi> zehen Stiefbru&#x0364;der mit den vieh-<lb/>
heerden fru&#x0364;h auf. Sie nahmen zwar/ ihrer gewohnheit<lb/>
nach/ &#x017F;ehr freundlich ab&#x017F;chied vom Vater; und befah-<lb/>
len dem <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef/</hi> &#x017F;einer wohl zu pflegen. Aber &#x017F;ie waren<lb/>
&#x017F;o bald nicht auf das feld gekommen/ fing &#x017F;ich unter ih-<lb/>
nen/ &#x017F;onderlich unter der Ma&#x0364;gde So&#x0364;hnen/ das alte ge-<lb/>
murre und geknurre &#x017F;chon wieder an. Doch knurrete<lb/>
von die&#x017F;en niemand mehr/ als <hi rendition="#fr">Dan</hi> und <hi rendition="#fr">Gad.</hi> Die&#x017F;er<lb/>
wu&#x0364;nd&#x017F;chte dem <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> alle bo&#x0364;&#x017F;e dru&#x0364;&#x017F;en an den hals.<lb/>
Jener verfluchte den tag/ da er gebohren. Be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">were</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0087] zweites Buch. ſehr betruͤbeten ſich daruͤber ſeine anderen Kinder. Ja faſt die meiſten zitterten vor boßheit. Sie boͤbeten vor gramſchaft; und vermochten weder zu eſſen/ noch zu ſchlafen vor grimmigem zorne. Joſef konte ſich noch nicht bereden/ daß ſie ihn haſſe- ten/ ja ſo uͤberaus anfeindeten. Er vermochte ihnen nichts boͤſes zu zu trauen. Das lief wider ſeine guht- ahrtigkeit. Das ſtritte wider ſein aufrichtiges hertz. Er maß ſie ab nach ſeinem maße. Wie er geahrtet war/ gedachte er weren ſie auch. Aber es befand ſich im aus- kehrichte viel anders. Der endliche ausſchlag lehrete ihn mit ſeinem ſchaden/ daß ihn ſeine garzuguhte ge- danken betrogen. Der Vater ſelbſten lies ihm zwar wohl ſchwahnen/ weil ſie ihren unmuht vor ihm nicht ſo gar/ daß er ihn nicht gemaͤrket/ verbergen konten/ daß ſie dem Joſef ſeine vorſtehende hoheit misgoͤnne- ten. Aber es war ferne von ihm zu gleuben/ daß Bruͤ- der/ die noch darzu ſeine Soͤhne weren/ denen er viel ein anders zutrauete/ von einer boßhaftigen gemuͤhtsre- gung ſo weit koͤnten verleitet werden/ daß ſie ihrem Mitbruder ſein gluͤk ſo gar feindſeelig beneideten. Und daruͤm ſchlug er alle gedanken/ die ihm das gegenteil vorhielten/ in den wind. Er war ſicher. Er vermuhtete das beſte. Er wolte von nichts boͤſes hoͤren. Auf den naͤchſten morgen nach dieſer begaͤbnuͤs/ machten ſich Joſefs zehen Stiefbruͤder mit den vieh- heerden fruͤh auf. Sie nahmen zwar/ ihrer gewohnheit nach/ ſehr freundlich abſchied vom Vater; und befah- len dem Joſef/ ſeiner wohl zu pflegen. Aber ſie waren ſo bald nicht auf das feld gekommen/ fing ſich unter ih- nen/ ſonderlich unter der Maͤgde Soͤhnen/ das alte ge- murre und geknurre ſchon wieder an. Doch knurrete von dieſen niemand mehr/ als Dan und Gad. Dieſer wuͤndſchte dem Joſef alle boͤſe druͤſen an den hals. Jener verfluchte den tag/ da er gebohren. Beſſer were

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/87
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/87>, abgerufen am 28.11.2024.