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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
deuterei ob zu legen. Und hierinnen bekahm er/ durch
scharfes nachsinnen/ und beihülfe seines Vaters/ eine
ausbündige fähigkeit. Weil er nun in seinem hertzen
gantz nichts arges von seinen Brüdern gedachte/ so
scheuete er sich auch nicht seine treume/ in gegenwart/
ihrer aller/ zu erzehlen.

Der erste Traum war ihm/ als er/ zur zeit der ernte/
bei seinen Stiefbrüdern/ der Bilha und Silpa kin-
dern/ geschlafen/ in der ersten morgenwache begegnet.
Denselben erzehlete er also. Mir treumete/ sagte er zu
seinen Brüdern/ daß wir Garben auf dem felde
gebunden: und daß meine Garbe sich aufgerich-
tet/ und gestanden; eure aber rund ümher sich
vor der meinigen geneuget.
Als nun Jakob diese
worte hörete; da erseuftzete er/ und schwieg stille. End-
lich aber/ damit er seinem Sohne aus dem traume hül-
fe/ erklährete er ihn also. Du bist/ sagte er/ der beste
unter deinen Brüdern; darüm hat sich deinen Garbe
aufgerichtet. Und daß sie stehen geblieben/ die Garben
aber deiner Brüder sich vor ihr geneuget: daß bedeutet
deine beständigkeit/ und ihre unbeständigkeit in der
tugend; ja daß deine Brüder des wegen mit hunger und
kummer gestraft/ endlich aber dich/ in deinem glük und
wohlstande/ üm rettung und hülfe anflöhen werden.

Waren dem Josef seine Brüder zuvor feind gewe-
sen/ so warden sie ihm itzund noch feinder. Fast die mei-
sten ergrimmeten und erboßten sich dermaßen/ daß sie
ihm kein freundliches wort zusprechen konten. Was?
sagten sie/ solteste unser König werden/ und über uns
herrschen? Und als sie allein waren/ murreten sie/ und
erbitterten sich untereinander noch mehr: sonderlich
Simeon/ und die Söhne der Mägde/ Dan/ Nafta-
li/ Gad/
und Aser: die ihnen einbildeten/ daß sie der
Vater am wenigsten achtete/ und Junker Josef/ wie
sie ihn schimpfsweise nenneten/ ihnen allen vorgezogen
würde.

Ru-

Der Aſſenat
deuterei ob zu legen. Und hierinnen bekahm er/ durch
ſcharfes nachſinnen/ und beihuͤlfe ſeines Vaters/ eine
ausbuͤndige faͤhigkeit. Weil er nun in ſeinem hertzen
gantz nichts arges von ſeinen Bruͤdern gedachte/ ſo
ſcheuete er ſich auch nicht ſeine treume/ in gegenwart/
ihrer aller/ zu erzehlen.

Der erſte Traum war ihm/ als er/ zur zeit der ernte/
bei ſeinen Stiefbruͤdern/ der Bilha und Silpa kin-
dern/ geſchlafen/ in der erſten morgenwache begegnet.
Denſelben erzehlete er alſo. Mir treumete/ ſagte er zu
ſeinen Bruͤdern/ daß wir Garben auf dem felde
gebunden: und daß meine Garbe ſich aufgerich-
tet/ und geſtanden; eure aber rund uͤmher ſich
vor der meinigen geneuget.
Als nun Jakob dieſe
worte hoͤrete; da erſeuftzete er/ und ſchwieg ſtille. End-
lich aber/ damit er ſeinem Sohne aus dem traume huͤl-
fe/ erklaͤhrete er ihn alſo. Du biſt/ ſagte er/ der beſte
unter deinen Bruͤdern; daruͤm hat ſich deinen Garbe
aufgerichtet. Und daß ſie ſtehen geblieben/ die Garben
aber deiner Bruͤder ſich vor ihr geneuget: daß bedeutet
deine beſtaͤndigkeit/ und ihre unbeſtaͤndigkeit in der
tugend; ja daß deine Bruͤder des wegen mit hunger und
kummer geſtraft/ endlich aber dich/ in deinem gluͤk und
wohlſtande/ uͤm rettung und huͤlfe anfloͤhen werden.

Waren dem Joſef ſeine Bruͤder zuvor feind gewe-
ſen/ ſo warden ſie ihm itzund noch feinder. Faſt die mei-
ſten ergrimmeten und erboßten ſich dermaßen/ daß ſie
ihm kein freundliches wort zuſprechen konten. Was?
ſagten ſie/ ſolteſte unſer Koͤnig werden/ und uͤber uns
herꝛſchen? Und als ſie allein waren/ murreten ſie/ und
erbitterten ſich untereinander noch mehr: ſonderlich
Simeon/ und die Soͤhne der Maͤgde/ Dan/ Nafta-
li/ Gad/
und Aſer: die ihnen einbildeten/ daß ſie der
Vater am wenigſten achtete/ und Junker Joſef/ wie
ſie ihn ſchimpfsweiſe nenneten/ ihnen allen vorgezogen
wuͤrde.

Ru-
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[60/0084] Der Aſſenat deuterei ob zu legen. Und hierinnen bekahm er/ durch ſcharfes nachſinnen/ und beihuͤlfe ſeines Vaters/ eine ausbuͤndige faͤhigkeit. Weil er nun in ſeinem hertzen gantz nichts arges von ſeinen Bruͤdern gedachte/ ſo ſcheuete er ſich auch nicht ſeine treume/ in gegenwart/ ihrer aller/ zu erzehlen. Der erſte Traum war ihm/ als er/ zur zeit der ernte/ bei ſeinen Stiefbruͤdern/ der Bilha und Silpa kin- dern/ geſchlafen/ in der erſten morgenwache begegnet. Denſelben erzehlete er alſo. Mir treumete/ ſagte er zu ſeinen Bruͤdern/ daß wir Garben auf dem felde gebunden: und daß meine Garbe ſich aufgerich- tet/ und geſtanden; eure aber rund uͤmher ſich vor der meinigen geneuget. Als nun Jakob dieſe worte hoͤrete; da erſeuftzete er/ und ſchwieg ſtille. End- lich aber/ damit er ſeinem Sohne aus dem traume huͤl- fe/ erklaͤhrete er ihn alſo. Du biſt/ ſagte er/ der beſte unter deinen Bruͤdern; daruͤm hat ſich deinen Garbe aufgerichtet. Und daß ſie ſtehen geblieben/ die Garben aber deiner Bruͤder ſich vor ihr geneuget: daß bedeutet deine beſtaͤndigkeit/ und ihre unbeſtaͤndigkeit in der tugend; ja daß deine Bruͤder des wegen mit hunger und kummer geſtraft/ endlich aber dich/ in deinem gluͤk und wohlſtande/ uͤm rettung und huͤlfe anfloͤhen werden. Waren dem Joſef ſeine Bruͤder zuvor feind gewe- ſen/ ſo warden ſie ihm itzund noch feinder. Faſt die mei- ſten ergrimmeten und erboßten ſich dermaßen/ daß ſie ihm kein freundliches wort zuſprechen konten. Was? ſagten ſie/ ſolteſte unſer Koͤnig werden/ und uͤber uns herꝛſchen? Und als ſie allein waren/ murreten ſie/ und erbitterten ſich untereinander noch mehr: ſonderlich Simeon/ und die Soͤhne der Maͤgde/ Dan/ Nafta- li/ Gad/ und Aſer: die ihnen einbildeten/ daß ſie der Vater am wenigſten achtete/ und Junker Joſef/ wie ſie ihn ſchimpfsweiſe nenneten/ ihnen allen vorgezogen wuͤrde. Ru-

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/84>, abgerufen am 28.11.2024.