Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.Der Assenat Zu solchem so fürtreflichem Verstande komt auch ei- Eine solche lange reihe dieser und aller dergleichen ei-
Der Aſſenat Zu ſolchem ſo fuͤrtreflichem Verſtande komt auch ei- Eine ſolche lange reihe dieſer und aller dergleichen ei-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0082" n="58"/> <fw place="top" type="header">Der Aſſenat</fw><lb/> <p>Zu ſolchem ſo fuͤrtreflichem Verſtande komt auch ei-<lb/> ne ſonderliche fuͤrtrefligkeit der Tugenden/ und leibes-<lb/> geſchikligkeiten. Zur Gottesfurcht ſcheinet er gebohren:<lb/> zur Froͤmmigkeit erkohren. Zur Demuht iſt er gezeuget:<lb/> zur Sanftmuht geneuget: zur Geduld erzielet. Die<lb/> Langmuͤhtigkeit/ die Beſtaͤndigkeit/ die Verſchwiegen-<lb/> heit/ die Aufrichtigkeit/ die Freundligkeit/ die Hold-<lb/> und liebſeeligkeit ſeind ihm als eigen. Dieſe wuͤrket ſei-<lb/> ne ſeele in ihm mit ſolcher kraft/ daß ſie auch ſelbſt die<lb/> bewegungen der augen/ und alle ſeine euſerliche leibes-<lb/> gebehrden verrahten. Ja die gantze leibesgeſtalt/ ob ſie<lb/> ſchon ohne bewegung daſtuͤnde/ wuͤrde ſie gleichwohl<lb/> entdekken.</p><lb/> <p>Eine ſolche lange reihe dieſer und aller dergleichen<lb/> Tugenden wohnet in einem ſo ſchoͤnen leibe: der daruͤm<lb/> ſo gar ſchoͤn/ und ſo gar huͤbſch gebildet iſt/ weil er ſo<lb/> viel und ſo ſchoͤne gaͤſte beherberget/ und alle die haͤsli-<lb/> chen ausſchlieſſet. Dan <hi rendition="#fr">Joſef</hi> weis von keinem eini-<lb/> gen Laſter. Selbſt der nahme bleibt ihm unbekant. Sei-<lb/> ne angebohrenheit treibet ihn zu nichts/ als zu eitel Tu-<lb/> gend. In ihm und an ihm lebet und ſchwebet auch<lb/> nichts/ als lauter Tugend. Und daher komt es/ daß er<lb/> ſich iederzeit bemuͤhet ſeinem Vater/ durch die allerer-<lb/> ſinlichſten ehrenbezeugungen und liebesdienſte/ gefaͤllig<lb/> zu werden. Dieſes augenmaͤrk hat er auch gluͤklich er-<lb/> reichet. Er iſt es worden/ was er zu werden ſuchte. Er<lb/> hat mehr erlanget/ als er zu erlangen verlangte. Sein<lb/> Vater liebte ihn ie laͤnger/ ie mehr. Die Vaͤterliche und<lb/> Kindliche liebe ſtritten gleichſam miteinander. Lange<lb/> waͤhrete dieſer ſtreit. Endlich behielt jene die oberhand.<lb/> Sie ward ſo uͤber aller maße hertzbruͤnſtig/ daß ſich ihre<lb/> flammen nicht laͤnger baͤrgen konten. Sie brach mit<lb/> gantzer gewalt heraus. Sie ſcheuete ſich weder vor <hi rendition="#fr">Jo-<lb/> ſefs</hi> Stief mutter/ der neidſuͤchtigen <hi rendition="#fr">Lea/</hi> noch vor ſei-<lb/> nen zehn misguͤnſtigen Stiefbruͤdern. <hi rendition="#fr">Joſef</hi> muſte<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ei-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [58/0082]
Der Aſſenat
Zu ſolchem ſo fuͤrtreflichem Verſtande komt auch ei-
ne ſonderliche fuͤrtrefligkeit der Tugenden/ und leibes-
geſchikligkeiten. Zur Gottesfurcht ſcheinet er gebohren:
zur Froͤmmigkeit erkohren. Zur Demuht iſt er gezeuget:
zur Sanftmuht geneuget: zur Geduld erzielet. Die
Langmuͤhtigkeit/ die Beſtaͤndigkeit/ die Verſchwiegen-
heit/ die Aufrichtigkeit/ die Freundligkeit/ die Hold-
und liebſeeligkeit ſeind ihm als eigen. Dieſe wuͤrket ſei-
ne ſeele in ihm mit ſolcher kraft/ daß ſie auch ſelbſt die
bewegungen der augen/ und alle ſeine euſerliche leibes-
gebehrden verrahten. Ja die gantze leibesgeſtalt/ ob ſie
ſchon ohne bewegung daſtuͤnde/ wuͤrde ſie gleichwohl
entdekken.
Eine ſolche lange reihe dieſer und aller dergleichen
Tugenden wohnet in einem ſo ſchoͤnen leibe: der daruͤm
ſo gar ſchoͤn/ und ſo gar huͤbſch gebildet iſt/ weil er ſo
viel und ſo ſchoͤne gaͤſte beherberget/ und alle die haͤsli-
chen ausſchlieſſet. Dan Joſef weis von keinem eini-
gen Laſter. Selbſt der nahme bleibt ihm unbekant. Sei-
ne angebohrenheit treibet ihn zu nichts/ als zu eitel Tu-
gend. In ihm und an ihm lebet und ſchwebet auch
nichts/ als lauter Tugend. Und daher komt es/ daß er
ſich iederzeit bemuͤhet ſeinem Vater/ durch die allerer-
ſinlichſten ehrenbezeugungen und liebesdienſte/ gefaͤllig
zu werden. Dieſes augenmaͤrk hat er auch gluͤklich er-
reichet. Er iſt es worden/ was er zu werden ſuchte. Er
hat mehr erlanget/ als er zu erlangen verlangte. Sein
Vater liebte ihn ie laͤnger/ ie mehr. Die Vaͤterliche und
Kindliche liebe ſtritten gleichſam miteinander. Lange
waͤhrete dieſer ſtreit. Endlich behielt jene die oberhand.
Sie ward ſo uͤber aller maße hertzbruͤnſtig/ daß ſich ihre
flammen nicht laͤnger baͤrgen konten. Sie brach mit
gantzer gewalt heraus. Sie ſcheuete ſich weder vor Jo-
ſefs Stief mutter/ der neidſuͤchtigen Lea/ noch vor ſei-
nen zehn misguͤnſtigen Stiefbruͤdern. Joſef muſte
ei-
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Zitationshilfe: | Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/82>, abgerufen am 27.07.2024. |