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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
auf ihn geerbet/ und als in ein meer der schönheit zu-
sammengeflossen. Ja es scheinet/ daß sich seine gebuhrt
nur darüm so viel jahre verzogen/ damit die Natur zeit
genug haben könte ein solches Meisterstükke der schön-
heit zur allerhöchsten vo[l]kommenheit zu/ wie sie dan in
der wahrheit getahn/ aus zu arbeiten.

Aber diese euserlich[e] leibesschönheit/ ob sie schon kei-
ne feder beschreiben/ keine zunge aussprechen/ und kein
kunstmahler abbilde[n] kan/ ist gleichwohl gegen die an-
dern gaben/ darinn[en] die innerliche Seelenschönheit be-
stehet/ und damit ihn der Allerhöchste so gar reichlich
geseegnet/ nichts zu rechnen. Dan ihm ist von seiner
Mutter/ neben [de]r übertreflichen Leibesschönheit/ auch
eine über die m[a]ße herliche Seelenschönheit angebohren.
Ja diese Se[el]enschönheit hat er noch volkommener/
und ich darf [w]ohl sagen/ auf das allervolkomneste von
seinem Vat[e]r/ Groß- und Ober-großvater/ die damit
vor andern [m]enschen begabet/ ererbet. Und also seind
alle Seele[n]schönheiten nicht allein seines Vaters und
seiner Mutter/ sondern auch seiner väterlichen und
mütterli[ch]en Voreltern allesamt/ als aus sechs spring-
brunne[n] in ihn/ als in eine tieffe see der Tugenden/ und
in ein [un]erschöpfliches meer des verstandes gleichsam
zusam[m]en geronnen.

Aus diesen ursachen wird nun niemand leugnen kön-
nen/ d[a]ß er würdig sei ein König aller könige/ und ein
Hers[ch]er über das gantze Menschliche geschlecht zu sein.
Sein Verstand war in seiner ersten jugendblühte schon
so rei[n]/ daß sich iederman darüber verwunderte. Seine
fähig[k]eit/ seine scharfsinnigkeit/ und sein gedächtnüs
war [sch]on dazumahl so fürtreflich; daß er alles/ was
er sah[e]/ und hörete überaus geschwinde begreiffen/ über-
aus f[är]tig durchgründen/ und überaus feste behalten
konte. Und eben daher kahm es/ daß er in seinem so
junge[n] und so zahrtem alter schon fähig war dasselbe

ohne

Der Aſſenat
auf ihn geerbet/ und als in ein meer der ſchoͤnheit zu-
ſammengefloſſen. Ja es ſcheinet/ daß ſich ſeine gebuhrt
nur daruͤm ſo viel jahre verzogen/ damit die Natur zeit
genug haben koͤnte ein ſolches Meiſterſtuͤkke der ſchoͤn-
heit zur allerhoͤchſten vo[l]kommenheit zu/ wie ſie dan in
der wahrheit getahn/ aus zu arbeiten.

Aber dieſe euſerlich[e] leibesſchoͤnheit/ ob ſie ſchon kei-
ne feder beſchreiben/ keine zunge ausſprechen/ und kein
kunſtmahler abbilde[n] kan/ iſt gleichwohl gegen die an-
dern gaben/ darinn[en] die innerliche Seelenſchoͤnheit be-
ſtehet/ und damit ihn der Allerhoͤchſte ſo gar reichlich
geſeegnet/ nichts zu rechnen. Dan ihm iſt von ſeiner
Mutter/ neben [de]r uͤbertreflichen Leibesſchoͤnheit/ auch
eine uͤber die m[a]ße herliche Seelenſchoͤnheit angebohren.
Ja dieſe Se[el]enſchoͤnheit hat er noch volkommener/
und ich darf [w]ohl ſagen/ auf das allervolkomneſte von
ſeinem Vat[e]r/ Groß- und Ober-großvater/ die damit
vor andern [m]enſchen begabet/ ererbet. Und alſo ſeind
alle Seele[n]ſchoͤnheiten nicht allein ſeines Vaters und
ſeiner Mutter/ ſondern auch ſeiner vaͤterlichen und
muͤtterli[ch]en Voreltern alleſamt/ als aus ſechs ſpring-
brunne[n] in ihn/ als in eine tieffe ſee der Tugenden/ und
in ein [un]erſchoͤpfliches meer des verſtandes gleichſam
zuſam[m]en geronnen.

Aus dieſen urſachen wird nun niemand leugnen koͤn-
nen/ d[a]ß er wuͤrdig ſei ein Koͤnig aller koͤnige/ und ein
Herſ[ch]er uͤber das gantze Menſchliche geſchlecht zu ſein.
Sein Verſtand war in ſeiner erſten jugendbluͤhte ſchon
ſo rei[n]/ daß ſich iederman daruͤber verwunderte. Seine
faͤhig[k]eit/ ſeine ſcharfſinnigkeit/ und ſein gedaͤchtnuͤs
war [ſch]on dazumahl ſo fuͤrtreflich; daß er alles/ was
er ſah[e]/ und hoͤrete uͤberaus geſchwinde begreiffen/ uͤber-
aus f[aͤr]tig durchgruͤnden/ und uͤberaus feſte behalten
konte. Und eben daher kahm es/ daß er in ſeinem ſo
junge[n] und ſo zahrtem alter ſchon faͤhig war daſſelbe

ohne
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[56/0080] Der Aſſenat auf ihn geerbet/ und als in ein meer der ſchoͤnheit zu- ſammengefloſſen. Ja es ſcheinet/ daß ſich ſeine gebuhrt nur daruͤm ſo viel jahre verzogen/ damit die Natur zeit genug haben koͤnte ein ſolches Meiſterſtuͤkke der ſchoͤn- heit zur allerhoͤchſten volkommenheit zu/ wie ſie dan in der wahrheit getahn/ aus zu arbeiten. Aber dieſe euſerliche leibesſchoͤnheit/ ob ſie ſchon kei- ne feder beſchreiben/ keine zunge ausſprechen/ und kein kunſtmahler abbilden kan/ iſt gleichwohl gegen die an- dern gaben/ darinnen die innerliche Seelenſchoͤnheit be- ſtehet/ und damit ihn der Allerhoͤchſte ſo gar reichlich geſeegnet/ nichts zu rechnen. Dan ihm iſt von ſeiner Mutter/ neben der uͤbertreflichen Leibesſchoͤnheit/ auch eine uͤber die maße herliche Seelenſchoͤnheit angebohren. Ja dieſe Seelenſchoͤnheit hat er noch volkommener/ und ich darf wohl ſagen/ auf das allervolkomneſte von ſeinem Vater/ Groß- und Ober-großvater/ die damit vor andern menſchen begabet/ ererbet. Und alſo ſeind alle Seelenſchoͤnheiten nicht allein ſeines Vaters und ſeiner Mutter/ ſondern auch ſeiner vaͤterlichen und muͤtterlichen Voreltern alleſamt/ als aus ſechs ſpring- brunnen in ihn/ als in eine tieffe ſee der Tugenden/ und in ein unerſchoͤpfliches meer des verſtandes gleichſam zuſammen geronnen. Aus dieſen urſachen wird nun niemand leugnen koͤn- nen/ daß er wuͤrdig ſei ein Koͤnig aller koͤnige/ und ein Herſcher uͤber das gantze Menſchliche geſchlecht zu ſein. Sein Verſtand war in ſeiner erſten jugendbluͤhte ſchon ſo rein/ daß ſich iederman daruͤber verwunderte. Seine faͤhigkeit/ ſeine ſcharfſinnigkeit/ und ſein gedaͤchtnuͤs war ſchon dazumahl ſo fuͤrtreflich; daß er alles/ was er ſahe/ und hoͤrete uͤberaus geſchwinde begreiffen/ uͤber- aus faͤrtig durchgruͤnden/ und uͤberaus feſte behalten konte. Und eben daher kahm es/ daß er in ſeinem ſo jungen und ſo zahrtem alter ſchon faͤhig war daſſelbe ohne

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/80>, abgerufen am 27.11.2024.