Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

zweites Buch.
Kammerjungfrau deswegen zu rahte ginge. Also
machte sie ihre unnöhtige sorge sehr bange. Also brach-
te sie ihr unnützer argwahn in die euserste angst.

Indessen daß sich diese furchtsamen mit solcher be-
kümmernüs schlugen/ fing Nitokris mit der Semesse
ihr kurtz zuvor zerschlagenes gespräche wieder an. Die
Fürstin fragte wohl hundert mahl: ist der schöne Leib-
eigne auch freundlich? ist er auch höflich? ist er auch
fröhlich? ist er auch wohl erzogen? Ja diese und derglei-
chen fragen hatten kein ende. Die Kammerjungfrau
beantwortete sie alle/ mit großem ruhme vor ihn. Son-
derlich aber rühmete sie seine sehr bedachtsame reden/
seine ausbündige vorsichtigkeit im fragen/ seine fürtref-
liche scharfsinnigkeit im antworten. Endlich fragte die
Fürsten: ob sie nicht verstanden/ aus was vor einem ge-
schlechte er sei? Nein/ antwortete die Jungfrau: aber
das weis ich wohl/ daß er Josef heist/ und von He-
bron
aus Kanaan bürtig ist. Als die Fürstin He-
bron
nennen hörete/ traht ihr eine sonderliche freude
von stunden an ins gesichte. Flugs flugs! sagte sie/
ruft ein Kammermägdlein her. So bald das Kam-
mermägdlein ankahm/ befahl ihr die Fürstin/ in die
Königliche küche zu gehen/ und einen Ebreischen Jüng-
ling/ den des Kochs bruder mit von Hebron gebracht/
zu ihr zu hohlen. Von diesem Jünglinge/ sagte die
Fürstin zur Semesse/ werden wir ohne zweifel das
herkommen des schönen Leibeignen erfahren: sonderlich
weil wir wissen/ wie er heisset. Dan jener ist auch von
Hebron/ und erst heute mit des Kochs bruder hierher
kommen. Ach! wie guht ist es/ daß ihr den nahmen
Hebron nennetet. Dan er war mir schon entfallen:
wiewohl er erst itzund über der tafel genennet ward/ als
man erzehlete/ daß des Kochs bruder einen Ebreischen
Jüngling mit sich von Hebron gebracht/ und ihn
morgen mit nach Nubien nehmen würde. Fürwahr!

sing
D iij

zweites Buch.
Kammerjungfrau deswegen zu rahte ginge. Alſo
machte ſie ihre unnoͤhtige ſorge ſehr bange. Alſo brach-
te ſie ihr unnuͤtzer argwahn in die euſerſte angſt.

Indeſſen daß ſich dieſe furchtſamen mit ſolcher be-
kuͤmmernuͤs ſchlugen/ fing Nitokris mit der Semeſſe
ihr kurtz zuvor zerſchlagenes geſpraͤche wieder an. Die
Fuͤrſtin fragte wohl hundert mahl: iſt der ſchoͤne Leib-
eigne auch freundlich? iſt er auch hoͤflich? iſt er auch
froͤhlich? iſt er auch wohl erzogen? Ja dieſe und derglei-
chen fragen hatten kein ende. Die Kammerjungfrau
beantwortete ſie alle/ mit großem ruhme vor ihn. Son-
derlich aber ruͤhmete ſie ſeine ſehr bedachtſame reden/
ſeine ausbuͤndige vorſichtigkeit im fragen/ ſeine fuͤrtref-
liche ſcharfſinnigkeit im antworten. Endlich fragte die
Fuͤrſten: ob ſie nicht verſtanden/ aus was vor einem ge-
ſchlechte er ſei? Nein/ antwortete die Jungfrau: aber
das weis ich wohl/ daß er Joſef heiſt/ und von He-
bron
aus Kanaan buͤrtig iſt. Als die Fuͤrſtin He-
bron
nennen hoͤrete/ traht ihr eine ſonderliche freude
von ſtunden an ins geſichte. Flugs flugs! ſagte ſie/
ruft ein Kammermaͤgdlein her. So bald das Kam-
mermaͤgdlein ankahm/ befahl ihr die Fuͤrſtin/ in die
Koͤnigliche kuͤche zu gehen/ und einen Ebreiſchen Juͤng-
ling/ den des Kochs bruder mit von Hebron gebracht/
zu ihr zu hohlen. Von dieſem Juͤnglinge/ ſagte die
Fuͤrſtin zur Semeſſe/ werden wir ohne zweifel das
herkommen des ſchoͤnen Leibeignen erfahren: ſonderlich
weil wir wiſſen/ wie er heiſſet. Dan jener iſt auch von
Hebron/ und erſt heute mit des Kochs bruder hierher
kommen. Ach! wie guht iſt es/ daß ihr den nahmen
Hebron nennetet. Dan er war mir ſchon entfallen:
wiewohl er erſt itzund uͤber der tafel genennet ward/ als
man erzehlete/ daß des Kochs bruder einen Ebreiſchen
Juͤngling mit ſich von Hebron gebracht/ und ihn
morgen mit nach Nubien nehmen wuͤrde. Fuͤrwahr!

ſing
D iij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0077" n="53"/><fw place="top" type="header">zweites Buch.</fw><lb/>
Kammerjungfrau deswegen zu rahte ginge. Al&#x017F;o<lb/>
machte &#x017F;ie ihre unno&#x0364;htige &#x017F;orge &#x017F;ehr bange. Al&#x017F;o brach-<lb/>
te &#x017F;ie ihr unnu&#x0364;tzer argwahn in die eu&#x017F;er&#x017F;te ang&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Inde&#x017F;&#x017F;en daß &#x017F;ich die&#x017F;e furcht&#x017F;amen mit &#x017F;olcher be-<lb/>
ku&#x0364;mmernu&#x0364;s &#x017F;chlugen/ fing <hi rendition="#fr">Nitokris</hi> mit der <hi rendition="#fr">Seme&#x017F;&#x017F;e</hi><lb/>
ihr kurtz zuvor zer&#x017F;chlagenes ge&#x017F;pra&#x0364;che wieder an. Die<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;tin fragte wohl hundert mahl: i&#x017F;t der &#x017F;cho&#x0364;ne Leib-<lb/>
eigne auch freundlich? i&#x017F;t er auch ho&#x0364;flich? i&#x017F;t er auch<lb/>
fro&#x0364;hlich? i&#x017F;t er auch wohl erzogen? Ja die&#x017F;e und derglei-<lb/>
chen fragen hatten kein ende. Die Kammerjungfrau<lb/>
beantwortete &#x017F;ie alle/ mit großem ruhme vor ihn. Son-<lb/>
derlich aber ru&#x0364;hmete &#x017F;ie &#x017F;eine &#x017F;ehr bedacht&#x017F;ame reden/<lb/>
&#x017F;eine ausbu&#x0364;ndige vor&#x017F;ichtigkeit im fragen/ &#x017F;eine fu&#x0364;rtref-<lb/>
liche &#x017F;charf&#x017F;innigkeit im antworten. Endlich fragte die<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten: ob &#x017F;ie nicht ver&#x017F;tanden/ aus was vor einem ge-<lb/>
&#x017F;chlechte er &#x017F;ei? Nein/ antwortete die Jungfrau: aber<lb/>
das weis ich wohl/ daß er <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> hei&#x017F;t/ und von <hi rendition="#fr">He-<lb/>
bron</hi> aus <hi rendition="#fr">Kanaan</hi> bu&#x0364;rtig i&#x017F;t. Als die Fu&#x0364;r&#x017F;tin <hi rendition="#fr">He-<lb/>
bron</hi> nennen ho&#x0364;rete/ traht ihr eine &#x017F;onderliche freude<lb/>
von &#x017F;tunden an ins ge&#x017F;ichte. Flugs flugs! &#x017F;agte &#x017F;ie/<lb/>
ruft ein Kammerma&#x0364;gdlein her. So bald das Kam-<lb/>
merma&#x0364;gdlein ankahm/ befahl ihr die Fu&#x0364;r&#x017F;tin/ in die<lb/>
Ko&#x0364;nigliche ku&#x0364;che zu gehen/ und einen Ebrei&#x017F;chen Ju&#x0364;ng-<lb/>
ling/ den des Kochs bruder mit von <hi rendition="#fr">Hebron</hi> gebracht/<lb/>
zu ihr zu hohlen. Von die&#x017F;em Ju&#x0364;nglinge/ &#x017F;agte die<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;tin zur <hi rendition="#fr">Seme&#x017F;&#x017F;e/</hi> werden wir ohne zweifel das<lb/>
herkommen des &#x017F;cho&#x0364;nen Leibeignen erfahren: &#x017F;onderlich<lb/>
weil wir wi&#x017F;&#x017F;en/ wie er hei&#x017F;&#x017F;et. Dan jener i&#x017F;t auch von<lb/><hi rendition="#fr">Hebron/</hi> und er&#x017F;t heute mit des Kochs bruder hierher<lb/>
kommen. Ach! wie guht i&#x017F;t es/ daß ihr den nahmen<lb/><hi rendition="#fr">Hebron</hi> nennetet. Dan er war mir &#x017F;chon entfallen:<lb/>
wiewohl er er&#x017F;t itzund u&#x0364;ber der tafel genennet ward/ als<lb/>
man erzehlete/ daß des Kochs bruder einen Ebrei&#x017F;chen<lb/>
Ju&#x0364;ngling mit &#x017F;ich von <hi rendition="#fr">Hebron</hi> gebracht/ und ihn<lb/>
morgen mit nach <hi rendition="#fr">Nubien</hi> nehmen wu&#x0364;rde. Fu&#x0364;rwahr!<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D iij</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ing</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0077] zweites Buch. Kammerjungfrau deswegen zu rahte ginge. Alſo machte ſie ihre unnoͤhtige ſorge ſehr bange. Alſo brach- te ſie ihr unnuͤtzer argwahn in die euſerſte angſt. Indeſſen daß ſich dieſe furchtſamen mit ſolcher be- kuͤmmernuͤs ſchlugen/ fing Nitokris mit der Semeſſe ihr kurtz zuvor zerſchlagenes geſpraͤche wieder an. Die Fuͤrſtin fragte wohl hundert mahl: iſt der ſchoͤne Leib- eigne auch freundlich? iſt er auch hoͤflich? iſt er auch froͤhlich? iſt er auch wohl erzogen? Ja dieſe und derglei- chen fragen hatten kein ende. Die Kammerjungfrau beantwortete ſie alle/ mit großem ruhme vor ihn. Son- derlich aber ruͤhmete ſie ſeine ſehr bedachtſame reden/ ſeine ausbuͤndige vorſichtigkeit im fragen/ ſeine fuͤrtref- liche ſcharfſinnigkeit im antworten. Endlich fragte die Fuͤrſten: ob ſie nicht verſtanden/ aus was vor einem ge- ſchlechte er ſei? Nein/ antwortete die Jungfrau: aber das weis ich wohl/ daß er Joſef heiſt/ und von He- bron aus Kanaan buͤrtig iſt. Als die Fuͤrſtin He- bron nennen hoͤrete/ traht ihr eine ſonderliche freude von ſtunden an ins geſichte. Flugs flugs! ſagte ſie/ ruft ein Kammermaͤgdlein her. So bald das Kam- mermaͤgdlein ankahm/ befahl ihr die Fuͤrſtin/ in die Koͤnigliche kuͤche zu gehen/ und einen Ebreiſchen Juͤng- ling/ den des Kochs bruder mit von Hebron gebracht/ zu ihr zu hohlen. Von dieſem Juͤnglinge/ ſagte die Fuͤrſtin zur Semeſſe/ werden wir ohne zweifel das herkommen des ſchoͤnen Leibeignen erfahren: ſonderlich weil wir wiſſen/ wie er heiſſet. Dan jener iſt auch von Hebron/ und erſt heute mit des Kochs bruder hierher kommen. Ach! wie guht iſt es/ daß ihr den nahmen Hebron nennetet. Dan er war mir ſchon entfallen: wiewohl er erſt itzund uͤber der tafel genennet ward/ als man erzehlete/ daß des Kochs bruder einen Ebreiſchen Juͤngling mit ſich von Hebron gebracht/ und ihn morgen mit nach Nubien nehmen wuͤrde. Fuͤrwahr! ſing D iij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/77
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/77>, abgerufen am 27.11.2024.