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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
tze Egipten/ ja über sich selbsten. Und darüm wolte sie
nicht/ daß iemand in der welt diese wüchtige sache wis-
sen solte. Darüm geboht sie auch ihrer Kammerjung-
frau/ stille zu schweigen. Ja sie gebo[h]t ihr selbsten/ sich
gegen keinen menschen verlauten zu [la]ßen/ daß sie den
schönen Leibeignen gesprochen. Doch lies sie ihr zu/ der
Assenat alles zu offenbahren: weil sie wohl wuste/ daß
sie es selbsten nicht ruchtbar machen w[ü]rde. Dan Asse-
nat/
sagte sie/ ist so klug und so schlau/ so jung als sie
ist/ daß sie es niemand/ auch nicht ein[m]ahl ihrer Hof-
meisterin/ anvertrauen wird. Sie wei[s]/ was und wo
sie schweigen/ und reden sol. Sie wei[s]/ was ihr zu
tuhn/ und zu laßen stehet. Und darüm [m]ögt ihr es ihr
kühnlich schreiben. Es wird sehr viel zu ihrem nach-
richte dienen. Guht ist es/ daß sie es wei[s]: ja das beste/
daß sie es alles weis. Und eben aus di[e]sen uhrsachen
wil ich euch über acht tage zu ihr senden. Alsdan kön-
net ihr alles mündlich erzehlen/ was ihr wisset/ und
was euch dünkt/ das ihr zu wissen erspri[e]slich ist. Ja
von diesem allem verhählet ihr nichts. Das wil ich.
Das rahte ich. Das gebiete ich.

Eben als die königliche Fürstin diese le[tz]ten worte re-
dete/ ward sie zur tafel gerufen. Auch kahmen ihre
Stahtsjungfrauen schon an/ sie in den Speisesaal zu
begleiten. Die Fürstin erhub sich alsobald von ihrer stel-
le: und das gantze Frauenzimmer folgte ihr nach. Nur
ihre vertraute/ die Kammerjungfrau/ die ihr diese zei-
tung gebracht/ blieb zurükke. Dan ihre große begierde/
der Assenat die gemelte Erklährung des Josefs kund
zu tuhn/ lies ihr keineruhe. Ja sie trieb und strängte
sie darzu so heftig an/ daß sie des essens/ ja selbst des
schlafens vergaß. Sie nahm dan die feder/ und schrieb
diesen

Brief

Der Aſſenat
tze Egipten/ ja uͤber ſich ſelbſten. Und daruͤm wolte ſie
nicht/ daß iemand in der welt dieſe wuͤchtige ſache wiſ-
ſen ſolte. Daruͤm geboht ſie auch ihrer Kammerjung-
frau/ ſtille zu ſchweigen. Ja ſie gebo[h]t ihr ſelbſten/ ſich
gegen keinen menſchen verlauten zu [la]ßen/ daß ſie den
ſchoͤnen Leibeignen geſprochen. Doch lies ſie ihr zu/ der
Aſſenat alles zu offenbahren: weil ſie wohl wuſte/ daß
ſie es ſelbſten nicht ruchtbar machen w[uͤ]rde. Dan Aſſe-
nat/
ſagte ſie/ iſt ſo klug und ſo ſchlau/ ſo jung als ſie
iſt/ daß ſie es niemand/ auch nicht ein[m]ahl ihrer Hof-
meiſterin/ anvertrauen wird. Sie wei[s]/ was und wo
ſie ſchweigen/ und reden ſol. Sie wei[s]/ was ihr zu
tuhn/ und zu laßen ſtehet. Und daruͤm [m]oͤgt ihr es ihr
kuͤhnlich ſchreiben. Es wird ſehr viel zu ihrem nach-
richte dienen. Guht iſt es/ daß ſie es wei[s]: ja das beſte/
daß ſie es alles weis. Und eben aus di[e]ſen uhrſachen
wil ich euch uͤber acht tage zu ihr ſenden. Alsdan koͤn-
net ihr alles muͤndlich erzehlen/ was ihr wiſſet/ und
was euch duͤnkt/ das ihr zu wiſſen erſpri[e]slich iſt. Ja
von dieſem allem verhaͤhlet ihr nichts. Das wil ich.
Das rahte ich. Das gebiete ich.

Eben als die koͤnigliche Fuͤrſtin dieſe le[tz]ten worte re-
dete/ ward ſie zur tafel gerufen. Auch kahmen ihre
Stahtsjungfrauen ſchon an/ ſie in den Speiſeſaal zu
begleiten. Die Fuͤrſtin erhub ſich alſobald von ihrer ſtel-
le: und das gantze Frauenzimmer folgte ihr nach. Nur
ihre vertraute/ die Kammerjungfrau/ die ihr dieſe zei-
tung gebracht/ blieb zuruͤkke. Dan ihre große begierde/
der Aſſenat die gemelte Erklaͤhrung des Joſefs kund
zu tuhn/ lies ihr keineruhe. Ja ſie trieb und ſtraͤngte
ſie darzu ſo heftig an/ daß ſie des eſſens/ ja ſelbſt des
ſchlafens vergaß. Sie nahm dan die feder/ und ſchrieb
dieſen

Brief
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[50/0074] Der Aſſenat tze Egipten/ ja uͤber ſich ſelbſten. Und daruͤm wolte ſie nicht/ daß iemand in der welt dieſe wuͤchtige ſache wiſ- ſen ſolte. Daruͤm geboht ſie auch ihrer Kammerjung- frau/ ſtille zu ſchweigen. Ja ſie geboht ihr ſelbſten/ ſich gegen keinen menſchen verlauten zu laßen/ daß ſie den ſchoͤnen Leibeignen geſprochen. Doch lies ſie ihr zu/ der Aſſenat alles zu offenbahren: weil ſie wohl wuſte/ daß ſie es ſelbſten nicht ruchtbar machen wuͤrde. Dan Aſſe- nat/ ſagte ſie/ iſt ſo klug und ſo ſchlau/ ſo jung als ſie iſt/ daß ſie es niemand/ auch nicht einmahl ihrer Hof- meiſterin/ anvertrauen wird. Sie weis/ was und wo ſie ſchweigen/ und reden ſol. Sie weis/ was ihr zu tuhn/ und zu laßen ſtehet. Und daruͤm moͤgt ihr es ihr kuͤhnlich ſchreiben. Es wird ſehr viel zu ihrem nach- richte dienen. Guht iſt es/ daß ſie es weis: ja das beſte/ daß ſie es alles weis. Und eben aus dieſen uhrſachen wil ich euch uͤber acht tage zu ihr ſenden. Alsdan koͤn- net ihr alles muͤndlich erzehlen/ was ihr wiſſet/ und was euch duͤnkt/ das ihr zu wiſſen erſprieslich iſt. Ja von dieſem allem verhaͤhlet ihr nichts. Das wil ich. Das rahte ich. Das gebiete ich. Eben als die koͤnigliche Fuͤrſtin dieſe letzten worte re- dete/ ward ſie zur tafel gerufen. Auch kahmen ihre Stahtsjungfrauen ſchon an/ ſie in den Speiſeſaal zu begleiten. Die Fuͤrſtin erhub ſich alſobald von ihrer ſtel- le: und das gantze Frauenzimmer folgte ihr nach. Nur ihre vertraute/ die Kammerjungfrau/ die ihr dieſe zei- tung gebracht/ blieb zuruͤkke. Dan ihre große begierde/ der Aſſenat die gemelte Erklaͤhrung des Joſefs kund zu tuhn/ lies ihr keineruhe. Ja ſie trieb und ſtraͤngte ſie darzu ſo heftig an/ daß ſie des eſſens/ ja ſelbſt des ſchlafens vergaß. Sie nahm dan die feder/ und ſchrieb dieſen Brief

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/74>, abgerufen am 27.11.2024.