Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.Der Assenat jahr zu gewarten. Wächset er dreizehen ellen hoch/ danbringet er wohl etwas/ aber noch wenig fruchtbarkeit mit sich. Wan er aber vierzehen ellen erreichet/ macht er das gantze Egipten/ durch die hofnung einer reichen ärnte/ fröhlich. Komt er auf funfzehen ellen in die höhe/ so verheisset er uns getreidigs volauf. Ja wan er noch eine elle höher steiget/ dan haben wir aus einer mehr als reichen ärnte/ allerlei wohllust/ und einen milden über- flus aller dinge zu gewarten. Seine höchste höhe hat er gemeiniglich/ wan die Sonne mitten im Leuen ist. Als- dan stehen alle länder und äkker mit wasser überschwäm- met. Und also tränket er das erdreich/ wan es am dur- stigsten ist. Also machet er es fet/ wan es am mager- sten ist. Ja er tränket es so wohl/ und macht es so fet/ daß es ein gantzes jahr genug hat. Von dieser zeit an beginnet er wieder zu fallen: aber viel viel langsamer/ als er gestiegen. Dan er bleibet fast in derselben höhe/ bis die Sonne in die Jungfrau gehet. Da sinket er al- gemach/ und lauffet von den ländern mehr und mehr ab. Um das ende des herbstmohndes/ wan die Sonne in der Wage stehet/ ist er erst volkömlich von den äkkern abgelauffen/ und wieder in sein eigenes ufer gefallen. Und also pfleget der Niel/ wie er nach dem längsten tage zu steigen begonnen/ erst recht von den feldern in seinem busem gefallen zu sein/ wan man im herbste tag und nacht gleich gesehen. Alsdan wird/ nicht lange darnach/ in den feuchten schlam/ damit er das erdreich gleichsam übertünchet/ und alle aufgespaltene ritzen ge- füllet/ der samen ausgesäet. Nach dieser saatzeit/ die gemeiniglich mit dem weinmohnde zu ende leuft/ stehet gleichwohl der Niel in seinem busen noch sehr hoch; und verharret in solchem stande fast den gantzen win- ter durch. Darnach beginnet er immer mehr und mehr zu fallen. Und dieses fallen währet bis zum ausgange des Rosenmohndes im folgenden jahre/ ja oftmahls noch
Der Aſſenat jahr zu gewarten. Waͤchſet er dreizehen ellen hoch/ danbringet er wohl etwas/ aber noch wenig fruchtbarkeit mit ſich. Wan er aber vierzehen ellen erreichet/ macht er das gantze Egipten/ durch die hofnung einer reichen aͤrnte/ froͤhlich. Komt er auf funfzehen ellen in die hoͤhe/ ſo verheiſſet er uns getreidigs volauf. Ja wan er noch eine elle hoͤher ſteiget/ dan haben wir aus einer mehr als reichen aͤrnte/ allerlei wohlluſt/ und einen milden uͤber- flus aller dinge zu gewarten. Seine hoͤchſte hoͤhe hat er gemeiniglich/ wan die Sonne mitten im Leuen iſt. Als- dan ſtehen alle laͤnder und aͤkker mit waſſer uͤberſchwaͤm- met. Und alſo traͤnket er das erdreich/ wan es am dur- ſtigſten iſt. Alſo machet er es fet/ wan es am mager- ſten iſt. Ja er traͤnket es ſo wohl/ und macht es ſo fet/ daß es ein gantzes jahr genug hat. Von dieſer zeit an beginnet er wieder zu fallen: aber viel viel langſamer/ als er geſtiegen. Dan er bleibet faſt in derſelben hoͤhe/ bis die Sonne in die Jungfrau gehet. Da ſinket er al- gemach/ und lauffet von den laͤndern mehr und mehr ab. Um das ende des herbſtmohndes/ wan die Sonne in der Wage ſtehet/ iſt er erſt volkoͤmlich von den aͤkkern abgelauffen/ und wieder in ſein eigenes ufer gefallen. Und alſo pfleget der Niel/ wie er nach dem laͤngſten tage zu ſteigen begonnen/ erſt recht von den feldern in ſeinem buſem gefallen zu ſein/ wan man im herbſte tag und nacht gleich geſehen. Alsdan wird/ nicht lange darnach/ in den feuchten ſchlam/ damit er das erdreich gleichſam uͤbertuͤnchet/ und alle aufgeſpaltene ritzen ge- fuͤllet/ der ſamen ausgeſaͤet. Nach dieſer ſaatzeit/ die gemeiniglich mit dem weinmohnde zu ende leuft/ ſtehet gleichwohl der Niel in ſeinem buſen noch ſehr hoch; und verharret in ſolchem ſtande faſt den gantzen win- ter durch. Darnach beginnet er immer mehr und mehr zu fallen. Und dieſes fallen waͤhret bis zum ausgange des Roſenmohndes im folgenden jahre/ ja oftmahls noch
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0060" n="36"/><fw place="top" type="header">Der Aſſenat</fw><lb/> jahr zu gewarten. Waͤchſet er dreizehen ellen hoch/ dan<lb/> bringet er wohl etwas/ aber noch wenig fruchtbarkeit<lb/> mit ſich. Wan er aber vierzehen ellen erreichet/ macht<lb/> er das gantze Egipten/ durch die hofnung einer reichen<lb/> aͤrnte/ froͤhlich. Komt er auf funfzehen ellen in die hoͤhe/<lb/> ſo verheiſſet er uns getreidigs volauf. Ja wan er noch<lb/> eine elle hoͤher ſteiget/ dan haben wir aus einer mehr als<lb/> reichen aͤrnte/ allerlei wohlluſt/ und einen milden uͤber-<lb/> flus aller dinge zu gewarten. Seine hoͤchſte hoͤhe hat er<lb/> gemeiniglich/ wan die Sonne mitten im Leuen iſt. Als-<lb/> dan ſtehen alle laͤnder und aͤkker mit waſſer uͤberſchwaͤm-<lb/> met. Und alſo traͤnket er das erdreich/ wan es am dur-<lb/> ſtigſten iſt. Alſo machet er es fet/ wan es am mager-<lb/> ſten iſt. Ja er traͤnket es ſo wohl/ und macht es ſo fet/<lb/> daß es ein gantzes jahr genug hat. Von dieſer zeit an<lb/> beginnet er wieder zu fallen: aber viel viel langſamer/<lb/> als er geſtiegen. Dan er bleibet faſt in derſelben hoͤhe/<lb/> bis die Sonne in die Jungfrau gehet. Da ſinket er al-<lb/> gemach/ und lauffet von den laͤndern mehr und mehr<lb/> ab. Um das ende des herbſtmohndes/ wan die Sonne<lb/> in der Wage ſtehet/ iſt er erſt volkoͤmlich von den aͤkkern<lb/> abgelauffen/ und wieder in ſein eigenes ufer gefallen.<lb/> Und alſo pfleget der <hi rendition="#fr">Niel/</hi> wie er nach dem laͤngſten<lb/> tage zu ſteigen begonnen/ erſt recht von den feldern in<lb/> ſeinem buſem gefallen zu ſein/ wan man im herbſte tag<lb/> und nacht gleich geſehen. Alsdan wird/ nicht lange<lb/> darnach/ in den feuchten ſchlam/ damit er das erdreich<lb/> gleichſam uͤbertuͤnchet/ und alle aufgeſpaltene ritzen ge-<lb/> fuͤllet/ der ſamen ausgeſaͤet. Nach dieſer ſaatzeit/ die<lb/> gemeiniglich mit dem weinmohnde zu ende leuft/ ſtehet<lb/> gleichwohl der Niel in ſeinem buſen noch ſehr hoch;<lb/> und verharret in ſolchem ſtande faſt den gantzen win-<lb/> ter durch. Darnach beginnet er immer mehr und mehr<lb/> zu fallen. Und dieſes fallen waͤhret bis zum ausgange<lb/> des Roſenmohndes im folgenden jahre/ ja oftmahls<lb/> <fw place="bottom" type="catch">noch</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [36/0060]
Der Aſſenat
jahr zu gewarten. Waͤchſet er dreizehen ellen hoch/ dan
bringet er wohl etwas/ aber noch wenig fruchtbarkeit
mit ſich. Wan er aber vierzehen ellen erreichet/ macht
er das gantze Egipten/ durch die hofnung einer reichen
aͤrnte/ froͤhlich. Komt er auf funfzehen ellen in die hoͤhe/
ſo verheiſſet er uns getreidigs volauf. Ja wan er noch
eine elle hoͤher ſteiget/ dan haben wir aus einer mehr als
reichen aͤrnte/ allerlei wohlluſt/ und einen milden uͤber-
flus aller dinge zu gewarten. Seine hoͤchſte hoͤhe hat er
gemeiniglich/ wan die Sonne mitten im Leuen iſt. Als-
dan ſtehen alle laͤnder und aͤkker mit waſſer uͤberſchwaͤm-
met. Und alſo traͤnket er das erdreich/ wan es am dur-
ſtigſten iſt. Alſo machet er es fet/ wan es am mager-
ſten iſt. Ja er traͤnket es ſo wohl/ und macht es ſo fet/
daß es ein gantzes jahr genug hat. Von dieſer zeit an
beginnet er wieder zu fallen: aber viel viel langſamer/
als er geſtiegen. Dan er bleibet faſt in derſelben hoͤhe/
bis die Sonne in die Jungfrau gehet. Da ſinket er al-
gemach/ und lauffet von den laͤndern mehr und mehr
ab. Um das ende des herbſtmohndes/ wan die Sonne
in der Wage ſtehet/ iſt er erſt volkoͤmlich von den aͤkkern
abgelauffen/ und wieder in ſein eigenes ufer gefallen.
Und alſo pfleget der Niel/ wie er nach dem laͤngſten
tage zu ſteigen begonnen/ erſt recht von den feldern in
ſeinem buſem gefallen zu ſein/ wan man im herbſte tag
und nacht gleich geſehen. Alsdan wird/ nicht lange
darnach/ in den feuchten ſchlam/ damit er das erdreich
gleichſam uͤbertuͤnchet/ und alle aufgeſpaltene ritzen ge-
fuͤllet/ der ſamen ausgeſaͤet. Nach dieſer ſaatzeit/ die
gemeiniglich mit dem weinmohnde zu ende leuft/ ſtehet
gleichwohl der Niel in ſeinem buſen noch ſehr hoch;
und verharret in ſolchem ſtande faſt den gantzen win-
ter durch. Darnach beginnet er immer mehr und mehr
zu fallen. Und dieſes fallen waͤhret bis zum ausgange
des Roſenmohndes im folgenden jahre/ ja oftmahls
noch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |