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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Kurtzbündige
tete; der Ismaeler. Und er fragte wieder: wie bistu
dan ihr leibeigner worden? Ich gab zum bescheide: sie
haben mich in
Kanaan gekauft. Aber er wolte es nicht
gleuben/ und sagte/ du bast gelogen. Und darüm lies er
mich nakkend geisseln. Dieses sahe seine Gemahlin durch
das fenster; und lies ihrem Ehherren sagen: ihr tuht
nicht recht/ daß ihr einen gestohlenen freien schlaget und
züchtiget. Hierauf befahl er mich/ weil ich bei meinen
worten blieb/ gefänglich zu bewahren/ bis mein herr
wiederkähme. Aber seine Gemahlin sagte zu ihm: war-
üm setzt ihr doch den edelen Jüngling gefangen? Es
were besser/ daß man ihn loß liesse/ und euch geisselte.
Sie war lüstern/ in ihrer sündlichen lust und begierde/
mich zu sehen: aber ich gedachte kein arges. Und
Potifar
sagte zu ihr: es ist bei den Egiptern nicht ehrlich/ daß
man eines andern guht/ ohne vorbewust und gehörigen
beweis/ wegnimt. Dieses sprach er von dem Kaufman-
ne/ und von mir: und ich muste gefesselt bleiben. Aber
nach 24 tagen kahmen die Ismaeler wieder. Diese/ weil
sie erfahren/ daß
Jakob mein Vater üm meinetweillen be-
trübt war/ sagten zu mir: warüm habt ihr uns berich-
tet/ daß ihr ein Leibeigner weret? Wir wissen nun sehr
wohl/ daß euer Vater ein mächtiger Man ist im lande

Kanaan. Er betrübet sich in dieser sache/ und ist sehr trau-
rig. Ich hette hierauf gern geweinet: aber ich hielt mich
hart/ damit ich meine brüder nicht beschähmen möchte;
und sagte: es ist dem nicht also/ ich bin ein Leibeigner.
Da berieten sie sich miteinander/ wo sie mich am besten
verkauffen möchten; damit ich bei ihnen nicht gefunden
würde. Dan sie fürchteten sich vor
Jakob/ und befahre-
ten/ er möchte sich an ihnen rechen; weil sie wohl wusten/
daß er vor Gott und Menschen groß geachtet were.
Hierauf sagte der Kaufman zu ihnen: so erlöset ihn dan
aus
Potifars urteile. Als sie dieses höreten/ begehreten
sie mich wieder/ und sprachen: daß sie mich üm ein stükke
geldes gekauft. Und
Potifar lies mich loß.

Alles dieses erzehlet Josef in seinem letzten Willen;
welchem ich alhier/ als auch sonsten/ gefolget. Dar-
üm wundere ich mich/ daß Samuel Greiffensohn
diese gantze begäbnüs/ in Josefs Lebensbeschreibung/
so gar anders anführet: und/ ich weis nicht woher/

den

Kurtzbuͤndige
tete; der Ismaeler. Und er fragte wieder: wie biſtu
dan ihr leibeigner worden? Ich gab zum beſcheide: ſie
haben mich in
Kanaan gekauft. Aber er wolte es nicht
gleuben/ und ſagte/ du baſt gelogen. Und daruͤm lies er
mich nakkend geiſſeln. Dieſes ſahe ſeine Gemahlin durch
das fenſter; und lies ihrem Ehherren ſagen: ihr tuht
nicht recht/ daß ihr einen geſtohlenen freien ſchlaget und
zuͤchtiget. Hierauf befahl er mich/ weil ich bei meinen
worten blieb/ gefaͤnglich zu bewahren/ bis mein herꝛ
wiederkaͤhme. Aber ſeine Gemahlin ſagte zu ihm: war-
uͤm ſetzt ihr doch den edelen Juͤngling gefangen? Es
were beſſer/ daß man ihn loß lieſſe/ und euch geiſſelte.
Sie war luͤſtern/ in ihrer ſuͤndlichen luſt und begierde/
mich zu ſehen: aber ich gedachte kein arges. Und
Potifar
ſagte zu ihr: es iſt bei den Egiptern nicht ehrlich/ daß
man eines andern guht/ ohne vorbewuſt und gehoͤrigen
beweis/ wegnimt. Dieſes ſprach er von dem Kaufman-
ne/ und von mir: und ich muſte gefeſſelt bleiben. Aber
nach 24 tagen kahmen die Iſmaeler wieder. Dieſe/ weil
ſie erfahren/ daß
Jakob mein Vater uͤm meinetweillen be-
truͤbt war/ ſagten zu mir: waruͤm habt ihr uns berich-
tet/ daß ihr ein Leibeigner weret? Wir wiſſen nun ſehr
wohl/ daß euer Vater ein maͤchtiger Man iſt im lande

Kanaan. Er betruͤbet ſich in dieſer ſache/ und iſt ſehr trau-
rig. Ich hette hierauf gern geweinet: aber ich hielt mich
hart/ damit ich meine bruͤder nicht beſchaͤhmen moͤchte;
und ſagte: es iſt dem nicht alſo/ ich bin ein Leibeigner.
Da berieten ſie ſich miteinander/ wo ſie mich am beſten
verkauffen moͤchten; damit ich bei ihnen nicht gefunden
wuͤrde. Dan ſie fuͤrchteten ſich vor
Jakob/ und befahre-
ten/ er moͤchte ſich an ihnen rechen; weil ſie wohl wuſten/
daß er vor Gott und Menſchen groß geachtet were.
Hierauf ſagte der Kaufman zu ihnen: ſo erloͤſet ihn dan
aus
Potifars urteile. Als ſie dieſes hoͤreten/ begehreten
ſie mich wieder/ und ſprachen: daß ſie mich uͤm ein ſtuͤkke
geldes gekauft. Und
Potifar lies mich loß.

Alles dieſes erzehlet Joſef in ſeinem letzten Willen;
welchem ich alhier/ als auch ſonſten/ gefolget. Dar-
uͤm wundere ich mich/ daß Samuel Greiffenſohn
dieſe gantze begaͤbnuͤs/ in Joſefs Lebensbeſchreibung/
ſo gar anders anfuͤhret: und/ ich weis nicht woher/

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[442/0466] Kurtzbuͤndige tete; der Ismaeler. Und er fragte wieder: wie biſtu dan ihr leibeigner worden? Ich gab zum beſcheide: ſie haben mich in Kanaan gekauft. Aber er wolte es nicht gleuben/ und ſagte/ du baſt gelogen. Und daruͤm lies er mich nakkend geiſſeln. Dieſes ſahe ſeine Gemahlin durch das fenſter; und lies ihrem Ehherren ſagen: ihr tuht nicht recht/ daß ihr einen geſtohlenen freien ſchlaget und zuͤchtiget. Hierauf befahl er mich/ weil ich bei meinen worten blieb/ gefaͤnglich zu bewahren/ bis mein herꝛ wiederkaͤhme. Aber ſeine Gemahlin ſagte zu ihm: war- uͤm ſetzt ihr doch den edelen Juͤngling gefangen? Es were beſſer/ daß man ihn loß lieſſe/ und euch geiſſelte. Sie war luͤſtern/ in ihrer ſuͤndlichen luſt und begierde/ mich zu ſehen: aber ich gedachte kein arges. Und Potifar ſagte zu ihr: es iſt bei den Egiptern nicht ehrlich/ daß man eines andern guht/ ohne vorbewuſt und gehoͤrigen beweis/ wegnimt. Dieſes ſprach er von dem Kaufman- ne/ und von mir: und ich muſte gefeſſelt bleiben. Aber nach 24 tagen kahmen die Iſmaeler wieder. Dieſe/ weil ſie erfahren/ daß Jakob mein Vater uͤm meinetweillen be- truͤbt war/ ſagten zu mir: waruͤm habt ihr uns berich- tet/ daß ihr ein Leibeigner weret? Wir wiſſen nun ſehr wohl/ daß euer Vater ein maͤchtiger Man iſt im lande Kanaan. Er betruͤbet ſich in dieſer ſache/ und iſt ſehr trau- rig. Ich hette hierauf gern geweinet: aber ich hielt mich hart/ damit ich meine bruͤder nicht beſchaͤhmen moͤchte; und ſagte: es iſt dem nicht alſo/ ich bin ein Leibeigner. Da berieten ſie ſich miteinander/ wo ſie mich am beſten verkauffen moͤchten; damit ich bei ihnen nicht gefunden wuͤrde. Dan ſie fuͤrchteten ſich vor Jakob/ und befahre- ten/ er moͤchte ſich an ihnen rechen; weil ſie wohl wuſten/ daß er vor Gott und Menſchen groß geachtet were. Hierauf ſagte der Kaufman zu ihnen: ſo erloͤſet ihn dan aus Potifars urteile. Als ſie dieſes hoͤreten/ begehreten ſie mich wieder/ und ſprachen: daß ſie mich uͤm ein ſtuͤkke geldes gekauft. Und Potifar lies mich loß. Alles dieſes erzehlet Joſef in ſeinem letzten Willen; welchem ich alhier/ als auch ſonſten/ gefolget. Dar- uͤm wundere ich mich/ daß Samuel Greiffenſohn dieſe gantze begaͤbnuͤs/ in Joſefs Lebensbeſchreibung/ ſo gar anders anfuͤhret: und/ ich weis nicht woher/ den

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/466>, abgerufen am 23.11.2024.