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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
nigliche Schatzkammer gebracht. Dan die Zeuberer und
Zeichendeuter hatten dem Könige gerahten/ daß er ja
zusehen solte/ sie wohl zu verwahren. Wan er solches nicht
tähte/ und Josefs Leichnam aus Egipten tragen liesse;
so würden große plagen über die Egipter kommen/ ja eine
so dikke fünsternüs das gantze Egipten überfallen/ daß
keiner den andern/ selbst bei brennenden lichtern/ würde
sehen können. Zudem hatte man ausgekundschaffet/ daß
Josef vor seinem absterben selbst befohlen/ seinen Leich-
nam in das Land Kanaan zu tragen; auch darbei von
eben derselben fünsternüs geweissaget.

Nach Josefs seeligem hintritte vermehreten sich
die Kinder Israels in kurtzen jahren dermaßen/
daß sie in ihren städten/ welche sie bisher gehabt/ nicht
raumes genug fanden zu wohnen. Und darüm muste
man noch etliche neue bauen. Ja die Mütter in Is-
rael
gaben den Egiptischen nichts zuvor. In einer eini-
gen tracht brachten sie zu weilen vier/ sechs/ ja acht kin-
der zur welt. Und diese große fruchtbarkeit veruhrsach-
te das stähtige trinken des Nielwassers: welches die
Aekker und Leiber nicht allein fet/ sondern auch so frucht-
bahr machte/ daß beide so überaus reichlich früchte tru-
gen. Man pfleget den Flüssen sonsten gemeiniglich den
nahmen Vater zu geben. Aber keinem scheinet solcher
nahme so rechtmäßig und so eigentühmlich zuzukom-
men/ als dem Niele: der so ein reicher fruchtbarer Va-
ter und Erzieler ist nicht allein der Erdgewächse/ sondern
auch der Menschen/ daß Egipten darinnen schier alle
Reiche der Welt übertrift. Und eben darüm war auch sein
wasser in solchem währte/ daß man es iederzeit als was
heiliges verwahret/ ja als ein sonderbahres geschenk/ in
ferne länder den Gewaltigsten der Welt zugeschikt. Ich
wil mehr sagen/ seine große fruchtbarkeit hat auch den al-
ten Egiptern selbsten anlaß gegeben/ daß sie ihrem Niele/
wie wir droben gemeldet/ Göttliche ehre angetahn/ und
so vielerlei ehrennahmen gegeben.

Wir

Der Aſſenat
nigliche Schatzkammer gebracht. Dan die Zeuberer und
Zeichendeuter hatten dem Koͤnige gerahten/ daß er ja
zuſehen ſolte/ ſie wohl zu verwahren. Wan er ſolches nicht
taͤhte/ und Joſefs Leichnam aus Egipten tragen lieſſe;
ſo wuͤrden große plagen uͤber die Egipter kommen/ ja eine
ſo dikke fuͤnſternuͤs das gantze Egipten uͤberfallen/ daß
keiner den andern/ ſelbſt bei brennenden lichtern/ wuͤrde
ſehen koͤnnen. Zudem hatte man ausgekundſchaffet/ daß
Joſef vor ſeinem abſterben ſelbſt befohlen/ ſeinen Leich-
nam in das Land Kanaan zu tragen; auch darbei von
eben derſelben fuͤnſternuͤs geweiſſaget.

Nach Joſefs ſeeligem hintritte vermehreten ſich
die Kinder Israels in kurtzen jahren dermaßen/
daß ſie in ihren ſtaͤdten/ welche ſie bisher gehabt/ nicht
raumes genug fanden zu wohnen. Und daruͤm muſte
man noch etliche neue bauen. Ja die Muͤtter in Is-
rael
gaben den Egiptiſchen nichts zuvor. In einer eini-
gen tracht brachten ſie zu weilen vier/ ſechs/ ja acht kin-
der zur welt. Und dieſe große fruchtbarkeit veruhrſach-
te das ſtaͤhtige trinken des Nielwaſſers: welches die
Aekker und Leiber nicht allein fet/ ſondern auch ſo frucht-
bahr machte/ daß beide ſo uͤberaus reichlich fruͤchte tru-
gen. Man pfleget den Fluͤſſen ſonſten gemeiniglich den
nahmen Vater zu geben. Aber keinem ſcheinet ſolcher
nahme ſo rechtmaͤßig und ſo eigentuͤhmlich zuzukom-
men/ als dem Niele: der ſo ein reicher fruchtbarer Va-
ter und Erzieler iſt nicht allein der Erdgewaͤchſe/ ſondern
auch der Menſchen/ daß Egipten darinnen ſchier alle
Reiche der Welt uͤbertrift. Und eben daruͤm war auch ſein
waſſer in ſolchem waͤhrte/ daß man es iederzeit als was
heiliges verwahret/ ja als ein ſonderbahres geſchenk/ in
ferne laͤnder den Gewaltigſten der Welt zugeſchikt. Ich
wil mehr ſagen/ ſeine große fruchtbarkeit hat auch den al-
ten Egiptern ſelbſten anlaß gegeben/ daß ſie ihrem Niele/
wie wir droben gemeldet/ Goͤttliche ehre angetahn/ und
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[342/0366] Der Aſſenat nigliche Schatzkammer gebracht. Dan die Zeuberer und Zeichendeuter hatten dem Koͤnige gerahten/ daß er ja zuſehen ſolte/ ſie wohl zu verwahren. Wan er ſolches nicht taͤhte/ und Joſefs Leichnam aus Egipten tragen lieſſe; ſo wuͤrden große plagen uͤber die Egipter kommen/ ja eine ſo dikke fuͤnſternuͤs das gantze Egipten uͤberfallen/ daß keiner den andern/ ſelbſt bei brennenden lichtern/ wuͤrde ſehen koͤnnen. Zudem hatte man ausgekundſchaffet/ daß Joſef vor ſeinem abſterben ſelbſt befohlen/ ſeinen Leich- nam in das Land Kanaan zu tragen; auch darbei von eben derſelben fuͤnſternuͤs geweiſſaget. Nach Joſefs ſeeligem hintritte vermehreten ſich die Kinder Israels in kurtzen jahren dermaßen/ daß ſie in ihren ſtaͤdten/ welche ſie bisher gehabt/ nicht raumes genug fanden zu wohnen. Und daruͤm muſte man noch etliche neue bauen. Ja die Muͤtter in Is- rael gaben den Egiptiſchen nichts zuvor. In einer eini- gen tracht brachten ſie zu weilen vier/ ſechs/ ja acht kin- der zur welt. Und dieſe große fruchtbarkeit veruhrſach- te das ſtaͤhtige trinken des Nielwaſſers: welches die Aekker und Leiber nicht allein fet/ ſondern auch ſo frucht- bahr machte/ daß beide ſo uͤberaus reichlich fruͤchte tru- gen. Man pfleget den Fluͤſſen ſonſten gemeiniglich den nahmen Vater zu geben. Aber keinem ſcheinet ſolcher nahme ſo rechtmaͤßig und ſo eigentuͤhmlich zuzukom- men/ als dem Niele: der ſo ein reicher fruchtbarer Va- ter und Erzieler iſt nicht allein der Erdgewaͤchſe/ ſondern auch der Menſchen/ daß Egipten darinnen ſchier alle Reiche der Welt uͤbertrift. Und eben daruͤm war auch ſein waſſer in ſolchem waͤhrte/ daß man es iederzeit als was heiliges verwahret/ ja als ein ſonderbahres geſchenk/ in ferne laͤnder den Gewaltigſten der Welt zugeſchikt. Ich wil mehr ſagen/ ſeine große fruchtbarkeit hat auch den al- ten Egiptern ſelbſten anlaß gegeben/ daß ſie ihrem Niele/ wie wir droben gemeldet/ Goͤttliche ehre angetahn/ und ſo vielerlei ehrennahmen gegeben. Wir

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/366>, abgerufen am 13.05.2024.