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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
Der da war/ der da ist/ und der da sein wird/
mache/ durch seine Göttliche kraft/ die Abgestor-
bene seelig.

Nachdem nun der Assenat Leichnam wider die ver-
wesung mit balsemen/ und mit dem köstlichsten leichen-
schmukke genug versehen war; da ward sie endlich in
ihres Vaters/ des Heliopelschen Ertzbischofs/ prachti-
ges Grabmahl/ mit gewöhnlichen trauergeprängen/
beigesetzt. Die liebe/ die ihr Josef in ihrem leben zu-
getragen/ konte er nicht vergessen/ so lange er lebete.
Darüm vermochte ihn auch niemand zu bereden zur
zweiten vermählung zu schreiten. Man schlug ihm
zwar diese und jene Fürstin vor. Man suchte ihn/ durch
gastereien/ mit dem schönsten und fürnehmsten Frauen-
zimmer bekant zu machen. Aber er hatte beschlossen ein
einsames leben zu führen. Er hatte den witwenstand
erwehlet. Er hatte die keuschheit zu seiner liebsten er-
lesen. Darbei blieb er beständig. Davon konte niemand
ihn abbringen. Hatte er in seiner jugend das Frauen-
zimmer geflohen; hatte er ihren ümgang vermieden: so
täht er es itzund noch vielmehr. Er hielt sich stähts al-
lein/ als ein einsamer Turtelteubrich/ dem sein Teub-
lein gestorben. Ob er schon in der besten zeit seines le-
bens war/ ob er schon seine beste kraft noch hatte; so war
es doch ferne von ihm auf eine andere Gemahlin zu den-
ken. Noch sechzig jahre lebte er nach seiner liebsten As-
senat
tode. Aber in aller dieser zeit kahmen ihm nicht
die geringsten frauersgedanken in den sin. Er war einig
und allein bedacht/ Gott und dem Könige zu dienen.

Aber Manasse und Efraim/ Josefs söhne/ die
nunmehr ihre jahre zu erreichen begunten/ waren ge-
neugter zur ehe. Sie waren so scheu vor der Liebe nicht.
Sie mochten ein schönes Frauenzimmer wohl sehen.
Und hierinnen ahrteten sie weder Vater/ noch Mutter
nach. Es war auch kein wunder. Sie warden erzogen

als

Der Aſſenat
Der da war/ der da iſt/ und der da ſein wird/
mache/ durch ſeine Goͤttliche kraft/ die Abgeſtor-
bene ſeelig.

Nachdem nun der Aſſenat Leichnam wider die ver-
weſung mit balſemen/ und mit dem koͤſtlichſten leichen-
ſchmukke genug verſehen war; da ward ſie endlich in
ihres Vaters/ des Heliopelſchen Ertzbiſchofs/ pråchti-
ges Grabmahl/ mit gewoͤhnlichen trauergepraͤngen/
beigeſetzt. Die liebe/ die ihr Joſef in ihrem leben zu-
getragen/ konte er nicht vergeſſen/ ſo lange er lebete.
Daruͤm vermochte ihn auch niemand zu bereden zur
zweiten vermaͤhlung zu ſchreiten. Man ſchlug ihm
zwar dieſe und jene Fuͤrſtin vor. Man ſuchte ihn/ durch
gaſtereien/ mit dem ſchoͤnſten und fuͤrnehmſten Frauen-
zimmer bekant zu machen. Aber er hatte beſchloſſen ein
einſames leben zu fuͤhren. Er hatte den witwenſtand
erwehlet. Er hatte die keuſchheit zu ſeiner liebſten er-
leſen. Darbei blieb er beſtaͤndig. Davon konte niemand
ihn abbringen. Hatte er in ſeiner jugend das Frauen-
zimmer geflohen; hatte er ihren uͤmgang vermieden: ſo
taͤht er es itzund noch vielmehr. Er hielt ſich ſtaͤhts al-
lein/ als ein einſamer Turtelteubrich/ dem ſein Teub-
lein geſtorben. Ob er ſchon in der beſten zeit ſeines le-
bens war/ ob er ſchon ſeine beſte kraft noch hatte; ſo war
es doch ferne von ihm auf eine andere Gemahlin zu den-
ken. Noch ſechzig jahre lebte er nach ſeiner liebſten Aſ-
ſenat
tode. Aber in aller dieſer zeit kahmen ihm nicht
die geringſten fråuersgedanken in den ſin. Er war einig
und allein bedacht/ Gott und dem Koͤnige zu dienen.

Aber Manaſſe und Efraim/ Joſefs ſoͤhne/ die
nunmehr ihre jahre zu erreichen begunten/ waren ge-
neugter zur ehe. Sie waren ſo ſcheu vor der Liebe nicht.
Sie mochten ein ſchoͤnes Frauenzimmer wohl ſehen.
Und hierinnen ahrteten ſie weder Vater/ noch Mutter
nach. Es war auch kein wunder. Sie warden erzogen

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[308/0332] Der Aſſenat Der da war/ der da iſt/ und der da ſein wird/ mache/ durch ſeine Goͤttliche kraft/ die Abgeſtor- bene ſeelig. Nachdem nun der Aſſenat Leichnam wider die ver- weſung mit balſemen/ und mit dem koͤſtlichſten leichen- ſchmukke genug verſehen war; da ward ſie endlich in ihres Vaters/ des Heliopelſchen Ertzbiſchofs/ pråchti- ges Grabmahl/ mit gewoͤhnlichen trauergepraͤngen/ beigeſetzt. Die liebe/ die ihr Joſef in ihrem leben zu- getragen/ konte er nicht vergeſſen/ ſo lange er lebete. Daruͤm vermochte ihn auch niemand zu bereden zur zweiten vermaͤhlung zu ſchreiten. Man ſchlug ihm zwar dieſe und jene Fuͤrſtin vor. Man ſuchte ihn/ durch gaſtereien/ mit dem ſchoͤnſten und fuͤrnehmſten Frauen- zimmer bekant zu machen. Aber er hatte beſchloſſen ein einſames leben zu fuͤhren. Er hatte den witwenſtand erwehlet. Er hatte die keuſchheit zu ſeiner liebſten er- leſen. Darbei blieb er beſtaͤndig. Davon konte niemand ihn abbringen. Hatte er in ſeiner jugend das Frauen- zimmer geflohen; hatte er ihren uͤmgang vermieden: ſo taͤht er es itzund noch vielmehr. Er hielt ſich ſtaͤhts al- lein/ als ein einſamer Turtelteubrich/ dem ſein Teub- lein geſtorben. Ob er ſchon in der beſten zeit ſeines le- bens war/ ob er ſchon ſeine beſte kraft noch hatte; ſo war es doch ferne von ihm auf eine andere Gemahlin zu den- ken. Noch ſechzig jahre lebte er nach ſeiner liebſten Aſ- ſenat tode. Aber in aller dieſer zeit kahmen ihm nicht die geringſten fråuersgedanken in den ſin. Er war einig und allein bedacht/ Gott und dem Koͤnige zu dienen. Aber Manaſſe und Efraim/ Joſefs ſoͤhne/ die nunmehr ihre jahre zu erreichen begunten/ waren ge- neugter zur ehe. Sie waren ſo ſcheu vor der Liebe nicht. Sie mochten ein ſchoͤnes Frauenzimmer wohl ſehen. Und hierinnen ahrteten ſie weder Vater/ noch Mutter nach. Es war auch kein wunder. Sie warden erzogen als

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/332>, abgerufen am 12.05.2024.