Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Assenat
ihr meinen gnädigen Fürsten bestohlen. An den galgen
mit solchen buben! Ruben antwortete wieder. Mein
Herr sehe zu/ was er tuht. Hat er etwas verlohren/ so
suche er nach/ bis er es findet. Unterdessen laße man
uns ungeschändet. Wir seind nicht gewohnet des dieb-
stals bezüchtiget zu werden. Wir haben ja das geld/ das
wir in unsern säkken fanden/ wiedergebracht. Wie sol-
ten wir dan darzu kommen/ silber oder gold zu stehlen
aus seines Herrn schlosse? Bei welchem der Bächer/
fing Judah gleichfals an/ gefunden wird/ der sei des to-
des: und wir alle wollen meines Herrn knechte sein.

Musai war damit zu frieden. Zur stunde suchte er
rundherüm in allen säkken. Von des ältesten seinem
fing er an. Er fuhr nach der reihe fort. Zuletzt kahm er
an des jüngsten seinen. Da fand sich endlich der Bächer
in Benjamins sakke. Hierauf lies Musai den täh-
ter straks binden/ ihn wieder mit sich zurükzuführen.
Noch heute/ sagte er/ sol dieser dieb hängen; damit
er morgen nicht auch den König selbsten bestielet. Ihr
aber ziehet mit euren früchten hin. Euch erkennen wir
frei. Mit euch haben wir nichts zu schaffen.

Es ist nicht zu beschreiben/ wie jämmerlich diese Brü-
der tähten. Alle zerrissen ihre kleider. Alle kehreten/ mit
dem Benjamin/ nach der Stadt zu. Zur stunde gingen
sie auf des Schaltköniges schlos. Da tähten sie einen
fußfal. Josef aber sagte zu ihnen: wie habt ihr euch
dürfen unterfangen ein solches zu tuhn? Wisset ihr
nicht/ daß es ein man/ als ich bin/ errahten könte?
Judah fing endlich an/ und sagte: ach! mein Herr/
was sollen wir reden? oder was sollen wir nicht reden?
und womit sollen wir uns rechtfärtigen? Gott hat die
missetaht deiner knechte gefunden. Siehe da? wir/
und der/ bei dem man den Bächer gefunden/ seind mei-
nes Herrn knechte. Josef aber antwortete: das sei
ferne von mir. Der man/ bei dem der Bächer gefun-

den

Der Aſſenat
ihr meinen gnaͤdigen Fuͤrſten beſtohlen. An den galgen
mit ſolchen buben! Ruben antwortete wieder. Mein
Herꝛ ſehe zu/ was er tuht. Hat er etwas verlohren/ ſo
ſuche er nach/ bis er es findet. Unterdeſſen laße man
uns ungeſchaͤndet. Wir ſeind nicht gewohnet des dieb-
ſtals bezuͤchtiget zu werden. Wir haben ja das geld/ das
wir in unſern ſaͤkken fanden/ wiedergebracht. Wie ſol-
ten wir dan darzu kommen/ ſilber oder gold zu ſtehlen
aus ſeines Herꝛn ſchloſſe? Bei welchem der Baͤcher/
fing Judah gleichfals an/ gefunden wird/ der ſei des to-
des: und wir alle wollen meines Herꝛn knechte ſein.

Muſai war damit zu frieden. Zur ſtunde ſuchte er
rundheruͤm in allen ſaͤkken. Von des aͤlteſten ſeinem
fing er an. Er fuhr nach der reihe fort. Zuletzt kahm er
an des juͤngſten ſeinen. Da fand ſich endlich der Baͤcher
in Benjamins ſakke. Hierauf lies Muſai den taͤh-
ter ſtraks binden/ ihn wieder mit ſich zuruͤkzufuͤhren.
Noch heute/ ſagte er/ ſol dieſer dieb haͤngen; damit
er morgen nicht auch den Koͤnig ſelbſten beſtielet. Ihr
aber ziehet mit euren fruͤchten hin. Euch erkennen wir
frei. Mit euch haben wir nichts zu ſchaffen.

Es iſt nicht zu beſchreiben/ wie jaͤmmerlich dieſe Bruͤ-
der taͤhten. Alle zerriſſen ihre kleider. Alle kehreten/ mit
dem Benjamin/ nach der Stadt zu. Zur ſtunde gingen
ſie auf des Schaltkoͤniges ſchlos. Da taͤhten ſie einen
fußfal. Joſef aber ſagte zu ihnen: wie habt ihr euch
duͤrfen unterfangen ein ſolches zu tuhn? Wiſſet ihr
nicht/ daß es ein man/ als ich bin/ errahten koͤnte?
Judah fing endlich an/ und ſagte: ach! mein Herꝛ/
was ſollen wir reden? oder was ſollen wir nicht reden?
und womit ſollen wir uns rechtfaͤrtigen? Gott hat die
miſſetaht deiner knechte gefunden. Siehe da? wir/
und der/ bei dem man den Baͤcher gefunden/ ſeind mei-
nes Herrn knechte. Joſef aber antwortete: das ſei
ferne von mir. Der man/ bei dem der Baͤcher gefun-

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0300" n="276"/><fw place="top" type="header">Der A&#x017F;&#x017F;enat</fw><lb/>
ihr meinen gna&#x0364;digen Fu&#x0364;r&#x017F;ten be&#x017F;tohlen. An den galgen<lb/>
mit &#x017F;olchen buben! <hi rendition="#fr">Ruben</hi> antwortete wieder. Mein<lb/>
Her&#xA75B; &#x017F;ehe zu/ was er tuht. Hat er etwas verlohren/ &#x017F;o<lb/>
&#x017F;uche er nach/ bis er es findet. Unterde&#x017F;&#x017F;en laße man<lb/>
uns unge&#x017F;cha&#x0364;ndet. Wir &#x017F;eind nicht gewohnet des dieb-<lb/>
&#x017F;tals bezu&#x0364;chtiget zu werden. Wir haben ja das geld/ das<lb/>
wir in un&#x017F;ern &#x017F;a&#x0364;kken fanden/ wiedergebracht. Wie &#x017F;ol-<lb/>
ten wir dan darzu kommen/ &#x017F;ilber oder gold zu &#x017F;tehlen<lb/>
aus &#x017F;eines Her&#xA75B;n &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;e? Bei welchem der Ba&#x0364;cher/<lb/>
fing <hi rendition="#fr">Judah</hi> gleichfals an/ gefunden wird/ der &#x017F;ei des to-<lb/>
des: und wir alle wollen meines Her&#xA75B;n knechte &#x017F;ein.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Mu&#x017F;ai</hi> war damit zu frieden. Zur &#x017F;tunde &#x017F;uchte er<lb/>
rundheru&#x0364;m in allen &#x017F;a&#x0364;kken. Von des a&#x0364;lte&#x017F;ten &#x017F;einem<lb/>
fing er an. Er fuhr nach der reihe fort. Zuletzt kahm er<lb/>
an des ju&#x0364;ng&#x017F;ten &#x017F;einen. Da fand &#x017F;ich endlich der Ba&#x0364;cher<lb/>
in <hi rendition="#fr">Benjamins</hi> &#x017F;akke. Hierauf lies <hi rendition="#fr">Mu&#x017F;ai</hi> den ta&#x0364;h-<lb/>
ter &#x017F;traks binden/ ihn wieder mit &#x017F;ich zuru&#x0364;kzufu&#x0364;hren.<lb/>
Noch heute/ &#x017F;agte er/ &#x017F;ol die&#x017F;er dieb ha&#x0364;ngen; damit<lb/>
er morgen nicht auch den Ko&#x0364;nig &#x017F;elb&#x017F;ten be&#x017F;tielet. Ihr<lb/>
aber ziehet mit euren fru&#x0364;chten hin. Euch erkennen wir<lb/>
frei. Mit euch haben wir nichts zu &#x017F;chaffen.</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t nicht zu be&#x017F;chreiben/ wie ja&#x0364;mmerlich die&#x017F;e Bru&#x0364;-<lb/>
der ta&#x0364;hten. Alle zerri&#x017F;&#x017F;en ihre kleider. Alle kehreten/ mit<lb/>
dem <hi rendition="#fr">Benjamin/</hi> nach der Stadt zu. Zur &#x017F;tunde gingen<lb/>
&#x017F;ie auf des Schaltko&#x0364;niges &#x017F;chlos. Da ta&#x0364;hten &#x017F;ie einen<lb/>
fußfal. <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> aber &#x017F;agte zu ihnen: wie habt ihr euch<lb/>
du&#x0364;rfen unterfangen ein &#x017F;olches zu tuhn? Wi&#x017F;&#x017F;et ihr<lb/>
nicht/ daß es ein man/ als ich bin/ errahten ko&#x0364;nte?<lb/><hi rendition="#fr">Judah</hi> fing endlich an/ und &#x017F;agte: ach! mein Her&#xA75B;/<lb/>
was &#x017F;ollen wir reden? oder was &#x017F;ollen wir nicht reden?<lb/>
und womit &#x017F;ollen wir uns rechtfa&#x0364;rtigen? Gott hat die<lb/>
mi&#x017F;&#x017F;etaht deiner knechte gefunden. Siehe da? wir/<lb/>
und der/ bei dem man den Ba&#x0364;cher gefunden/ &#x017F;eind mei-<lb/>
nes Herrn knechte. <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> aber antwortete: das &#x017F;ei<lb/>
ferne von mir. Der man/ bei dem der Ba&#x0364;cher gefun-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0300] Der Aſſenat ihr meinen gnaͤdigen Fuͤrſten beſtohlen. An den galgen mit ſolchen buben! Ruben antwortete wieder. Mein Herꝛ ſehe zu/ was er tuht. Hat er etwas verlohren/ ſo ſuche er nach/ bis er es findet. Unterdeſſen laße man uns ungeſchaͤndet. Wir ſeind nicht gewohnet des dieb- ſtals bezuͤchtiget zu werden. Wir haben ja das geld/ das wir in unſern ſaͤkken fanden/ wiedergebracht. Wie ſol- ten wir dan darzu kommen/ ſilber oder gold zu ſtehlen aus ſeines Herꝛn ſchloſſe? Bei welchem der Baͤcher/ fing Judah gleichfals an/ gefunden wird/ der ſei des to- des: und wir alle wollen meines Herꝛn knechte ſein. Muſai war damit zu frieden. Zur ſtunde ſuchte er rundheruͤm in allen ſaͤkken. Von des aͤlteſten ſeinem fing er an. Er fuhr nach der reihe fort. Zuletzt kahm er an des juͤngſten ſeinen. Da fand ſich endlich der Baͤcher in Benjamins ſakke. Hierauf lies Muſai den taͤh- ter ſtraks binden/ ihn wieder mit ſich zuruͤkzufuͤhren. Noch heute/ ſagte er/ ſol dieſer dieb haͤngen; damit er morgen nicht auch den Koͤnig ſelbſten beſtielet. Ihr aber ziehet mit euren fruͤchten hin. Euch erkennen wir frei. Mit euch haben wir nichts zu ſchaffen. Es iſt nicht zu beſchreiben/ wie jaͤmmerlich dieſe Bruͤ- der taͤhten. Alle zerriſſen ihre kleider. Alle kehreten/ mit dem Benjamin/ nach der Stadt zu. Zur ſtunde gingen ſie auf des Schaltkoͤniges ſchlos. Da taͤhten ſie einen fußfal. Joſef aber ſagte zu ihnen: wie habt ihr euch duͤrfen unterfangen ein ſolches zu tuhn? Wiſſet ihr nicht/ daß es ein man/ als ich bin/ errahten koͤnte? Judah fing endlich an/ und ſagte: ach! mein Herꝛ/ was ſollen wir reden? oder was ſollen wir nicht reden? und womit ſollen wir uns rechtfaͤrtigen? Gott hat die miſſetaht deiner knechte gefunden. Siehe da? wir/ und der/ bei dem man den Baͤcher gefunden/ ſeind mei- nes Herrn knechte. Joſef aber antwortete: das ſei ferne von mir. Der man/ bei dem der Baͤcher gefun- den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/300
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/300>, abgerufen am 30.12.2024.