Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Assenat
machen könte; so wolte er ihn zuvörderst vor diese fe-
stung/ sie zu gewinnen/ gewiesen haben. Eben als
der König diese worte redete/ kahm zu guhtem glükke
die Königliche Fürstin in den laubergang/ da sie saßen.
Sie ging/ in tieffen gedanken/ eine guhte weile fort.
Und also ward sie ihrer nicht eher gewahr/ als bis sie
gantz nahe zu ihnen gelangte. So bald sie des Libischen
Fürstens ansichtig ward/ kehrete sie eilend zurük. Aber
der König rief; sie solte stand halten. Und hiermit er-
huben sie sich/ ihr entgegen zu gehen. Ist meine
Tochter
/ redete sie der König an/ nun so schüch-
tern worden/ daß sie vor Menschen fliehet?
Hier siehet sie vor ihren augen zwee/ die ihr alle
liebe zu erzeigen gebohren. Der eine ist ihr Vater:
der andere/ wan es den Göttern beliebet/ ihr
künftiges Ehgemahl.

Auf diese worte traht der Fürstin die schaamröhte
so stark insgesichte/ daß sie sich gantz entfärbete. Das
antlitz schlug sie züchtiglich nieder. Die blödigkeit/ die
eingezogenheit/ die sitsamkeit mischeten sich alle zusam-
men unter ihre stille gebährden. Die schaam schlos ihre
lippen dermaßen/ daß sie schier zu keiner bewegung zu
bringen. Der mund vermochte kein wort zu machen.
Die augen stunden in ihren höhlen gantz stil/ und kaum
halb offen. Wan ein Mahler die Schaamhaftigkeit
abbilden wollen/ so hette er es eigendlicher nicht tuhn
können/ als nach diesem so niedergeschlagenem wesen.
Eine guhte weile blieb sie so schaamhaftig stehen. Eine
guhte weile durfte sie nicht aufblikken/ weder nach dem
Könige/ noch dem Königlichen Fürsten zu. Endlich
begunte sie ihrer was mächtig zu werden. Endlich er-
hub sich ein bliklein/ erst nach dem Könige/ und dan
nach dem Libier. Den blikken folgete die sprache; wie-
wohl sehr schwach/ und halb gebrochen. Sie begunte
sich zu entschuldigen. Sie wendete vor/ daß ihr nicht

gezie-

Der Aſſenat
machen koͤnte; ſo wolte er ihn zuvoͤrderſt vor dieſe fe-
ſtung/ ſie zu gewinnen/ gewieſen haben. Eben als
der Koͤnig dieſe worte redete/ kahm zu guhtem gluͤkke
die Koͤnigliche Fuͤrſtin in den laubergang/ da ſie ſaßen.
Sie ging/ in tieffen gedanken/ eine guhte weile fort.
Und alſo ward ſie ihrer nicht eher gewahr/ als bis ſie
gantz nahe zu ihnen gelangte. So bald ſie des Libiſchen
Fuͤrſtens anſichtig ward/ kehrete ſie eilend zuruͤk. Aber
der Koͤnig rief; ſie ſolte ſtand halten. Und hiermit er-
huben ſie ſich/ ihr entgegen zu gehen. Iſt meine
Tochter
/ redete ſie der Koͤnig an/ nun ſo ſchuͤch-
tern worden/ daß ſie vor Menſchen fliehet?
Hier ſiehet ſie vor ihren augen zwee/ die ihr alle
liebe zu erzeigen gebohren. Der eine iſt ihr Vater:
der andere/ wan es den Goͤttern beliebet/ ihr
kuͤnftiges Ehgemahl.

Auf dieſe worte traht der Fuͤrſtin die ſchaamroͤhte
ſo ſtark insgeſichte/ daß ſie ſich gantz entfaͤrbete. Das
antlitz ſchlug ſie zuͤchtiglich nieder. Die bloͤdigkeit/ die
eingezogenheit/ die ſitſamkeit miſcheten ſich alle zuſam-
men unter ihre ſtille gebaͤhrden. Die ſchaam ſchlos ihre
lippen dermaßen/ daß ſie ſchier zu keiner bewegung zu
bringen. Der mund vermochte kein wort zu machen.
Die augen ſtunden in ihren hoͤhlen gantz ſtil/ und kaum
halb offen. Wan ein Mahler die Schaamhaftigkeit
abbilden wollen/ ſo hette er es eigendlicher nicht tuhn
koͤnnen/ als nach dieſem ſo niedergeſchlagenem weſen.
Eine guhte weile blieb ſie ſo ſchaamhaftig ſtehen. Eine
guhte weile durfte ſie nicht aufblikken/ weder nach dem
Koͤnige/ noch dem Koͤniglichen Fuͤrſten zu. Endlich
begunte ſie ihrer was maͤchtig zu werden. Endlich er-
hub ſich ein bliklein/ erſt nach dem Koͤnige/ und dan
nach dem Libier. Den blikken folgete die ſprache; wie-
wohl ſehr ſchwach/ und halb gebrochen. Sie begunte
ſich zu entſchuldigen. Sie wendete vor/ daß ihr nicht

gezie-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0280" n="256"/><fw place="top" type="header">Der A&#x017F;&#x017F;enat</fw><lb/>
machen ko&#x0364;nte; &#x017F;o wolte er ihn zuvo&#x0364;rder&#x017F;t vor die&#x017F;e fe-<lb/>
&#x017F;tung/ &#x017F;ie zu gewinnen/ gewie&#x017F;en haben. Eben als<lb/>
der Ko&#x0364;nig die&#x017F;e worte redete/ kahm zu guhtem glu&#x0364;kke<lb/>
die Ko&#x0364;nigliche Fu&#x0364;r&#x017F;tin in den laubergang/ da &#x017F;ie &#x017F;aßen.<lb/>
Sie ging/ in tieffen gedanken/ eine guhte weile fort.<lb/>
Und al&#x017F;o ward &#x017F;ie ihrer nicht eher gewahr/ als bis &#x017F;ie<lb/>
gantz nahe zu ihnen gelangte. So bald &#x017F;ie des Libi&#x017F;chen<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;tens an&#x017F;ichtig ward/ kehrete &#x017F;ie eilend zuru&#x0364;k. Aber<lb/>
der Ko&#x0364;nig rief; &#x017F;ie &#x017F;olte &#x017F;tand halten. Und hiermit er-<lb/>
huben &#x017F;ie &#x017F;ich/ ihr entgegen zu gehen. <hi rendition="#fr">I&#x017F;t meine<lb/>
Tochter</hi>/ redete &#x017F;ie der Ko&#x0364;nig an/ <hi rendition="#fr">nun &#x017F;o &#x017F;chu&#x0364;ch-<lb/>
tern worden/ daß &#x017F;ie vor Men&#x017F;chen fliehet?<lb/>
Hier &#x017F;iehet &#x017F;ie vor ihren augen zwee/ die ihr alle<lb/>
liebe zu erzeigen gebohren. Der eine i&#x017F;t ihr Vater:<lb/>
der andere/ wan es den Go&#x0364;ttern beliebet/ ihr<lb/>
ku&#x0364;nftiges Ehgemahl.</hi></p><lb/>
        <p>Auf die&#x017F;e worte traht der Fu&#x0364;r&#x017F;tin die &#x017F;chaamro&#x0364;hte<lb/>
&#x017F;o &#x017F;tark insge&#x017F;ichte/ daß &#x017F;ie &#x017F;ich gantz entfa&#x0364;rbete. Das<lb/>
antlitz &#x017F;chlug &#x017F;ie zu&#x0364;chtiglich nieder. Die blo&#x0364;digkeit/ die<lb/>
eingezogenheit/ die &#x017F;it&#x017F;amkeit mi&#x017F;cheten &#x017F;ich alle zu&#x017F;am-<lb/>
men unter ihre &#x017F;tille geba&#x0364;hrden. Die &#x017F;chaam &#x017F;chlos ihre<lb/>
lippen dermaßen/ daß &#x017F;ie &#x017F;chier zu keiner bewegung zu<lb/>
bringen. Der mund vermochte kein wort zu machen.<lb/>
Die augen &#x017F;tunden in ihren ho&#x0364;hlen gantz &#x017F;til/ und kaum<lb/>
halb offen. Wan ein Mahler die Schaamhaftigkeit<lb/>
abbilden wollen/ &#x017F;o hette er es eigendlicher nicht tuhn<lb/>
ko&#x0364;nnen/ als nach die&#x017F;em &#x017F;o niederge&#x017F;chlagenem we&#x017F;en.<lb/>
Eine guhte weile blieb &#x017F;ie &#x017F;o &#x017F;chaamhaftig &#x017F;tehen. Eine<lb/>
guhte weile durfte &#x017F;ie nicht aufblikken/ weder nach dem<lb/>
Ko&#x0364;nige/ noch dem Ko&#x0364;niglichen Fu&#x0364;r&#x017F;ten zu. Endlich<lb/>
begunte &#x017F;ie ihrer was ma&#x0364;chtig zu werden. Endlich er-<lb/>
hub &#x017F;ich ein bliklein/ er&#x017F;t nach dem Ko&#x0364;nige/ und dan<lb/>
nach dem <hi rendition="#fr">Libier.</hi> Den blikken folgete die &#x017F;prache; wie-<lb/>
wohl &#x017F;ehr &#x017F;chwach/ und halb gebrochen. Sie begunte<lb/>
&#x017F;ich zu ent&#x017F;chuldigen. Sie wendete vor/ daß ihr nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gezie-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0280] Der Aſſenat machen koͤnte; ſo wolte er ihn zuvoͤrderſt vor dieſe fe- ſtung/ ſie zu gewinnen/ gewieſen haben. Eben als der Koͤnig dieſe worte redete/ kahm zu guhtem gluͤkke die Koͤnigliche Fuͤrſtin in den laubergang/ da ſie ſaßen. Sie ging/ in tieffen gedanken/ eine guhte weile fort. Und alſo ward ſie ihrer nicht eher gewahr/ als bis ſie gantz nahe zu ihnen gelangte. So bald ſie des Libiſchen Fuͤrſtens anſichtig ward/ kehrete ſie eilend zuruͤk. Aber der Koͤnig rief; ſie ſolte ſtand halten. Und hiermit er- huben ſie ſich/ ihr entgegen zu gehen. Iſt meine Tochter/ redete ſie der Koͤnig an/ nun ſo ſchuͤch- tern worden/ daß ſie vor Menſchen fliehet? Hier ſiehet ſie vor ihren augen zwee/ die ihr alle liebe zu erzeigen gebohren. Der eine iſt ihr Vater: der andere/ wan es den Goͤttern beliebet/ ihr kuͤnftiges Ehgemahl. Auf dieſe worte traht der Fuͤrſtin die ſchaamroͤhte ſo ſtark insgeſichte/ daß ſie ſich gantz entfaͤrbete. Das antlitz ſchlug ſie zuͤchtiglich nieder. Die bloͤdigkeit/ die eingezogenheit/ die ſitſamkeit miſcheten ſich alle zuſam- men unter ihre ſtille gebaͤhrden. Die ſchaam ſchlos ihre lippen dermaßen/ daß ſie ſchier zu keiner bewegung zu bringen. Der mund vermochte kein wort zu machen. Die augen ſtunden in ihren hoͤhlen gantz ſtil/ und kaum halb offen. Wan ein Mahler die Schaamhaftigkeit abbilden wollen/ ſo hette er es eigendlicher nicht tuhn koͤnnen/ als nach dieſem ſo niedergeſchlagenem weſen. Eine guhte weile blieb ſie ſo ſchaamhaftig ſtehen. Eine guhte weile durfte ſie nicht aufblikken/ weder nach dem Koͤnige/ noch dem Koͤniglichen Fuͤrſten zu. Endlich begunte ſie ihrer was maͤchtig zu werden. Endlich er- hub ſich ein bliklein/ erſt nach dem Koͤnige/ und dan nach dem Libier. Den blikken folgete die ſprache; wie- wohl ſehr ſchwach/ und halb gebrochen. Sie begunte ſich zu entſchuldigen. Sie wendete vor/ daß ihr nicht gezie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/280
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/280>, abgerufen am 30.12.2024.