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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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fünftes Buch.
der Leiche/ auf heiligen bahren/ nachgetragen. Dan
die Egipter hatten die gewohnheit/ wan sie ihrer ver-
storbenen begräbnüsse/ sonderlich der Könige/ Priester/
oder anderer vornehmen leute/ hielten/ daß sie ihnen
die Bilder der fürnehmsten Abgötter/ in eben der ord-
nung/ als in den ümgängen der hohen festtage gebreuch-
lich/ nachtragen ließen. Und hierdurch wähneten sie/
wan ihre Götzen sie solchergestalt gleichsam mit zu gra-
be begleiteten/ daß sie ihre Seelen üm so viel eher in die
seelige wohnung führen/ und vor aller gewalt der ge-
genstrebenden bösen Geister vertähtigen würden. Ja
eben dasselbe augenmärk hatten sie auch/ wan sie die
gemelten rollen/ mit den bildnüssen solcher Abgötter be-
mahlet/ zu den leichen in die särge legten.

In einer Grabspitze sahen sie auch etliche Todtenge-
fäße/ darinnen man die Leichen der Königlichen Kin-
der gelegt hatte. Diese waren länglichtrund/ über dem
fuße dikbeuchicht/ und warden nach dem halse zu im-
mer schmähler und schmähler. Etliche hatten oben auf
des Kanopus angesicht/ andere einen Habichtskopf ste-
hen. Rund ümher waren sie mit Egiptischen Sinbil-
dern reihenweise gezieret. Bei diesen Leichengefäßen/
als auch in etlichen Grabgewölben unter der erde/ fan-
den sie zugleich ewigbrennende Lichter oder Lampen.
Diese Lampen waren von gekochter kreide zubereitet.
Teils hatten die gestalt eines hundes/ teils eines
Menschen/ teils eines habichts/ teils eines stiers/
auch wohl einer schlange. Etliche branten mit drei/ an-
dere mit vier/ auch wohl mit acht/ ja zwölf daachten.
Die daachte waren von unverbrenlichem steinichtem
flachse: welche mit Steinöhl oder Jüdenpeche/ durch
verborgene röhren/ die man aus den öhl- oder pech-
brunnen in die Lampen geleitet/ fort und fort befeuch-
tet und getränket warden.

Mit solchen ewigen Lichtern wolte man die unsterb-

lig-

fuͤnftes Buch.
der Leiche/ auf heiligen bahren/ nachgetragen. Dan
die Egipter hatten die gewohnheit/ wan ſie ihrer ver-
ſtorbenen begraͤbnuͤſſe/ ſonderlich der Koͤnige/ Prieſter/
oder anderer vornehmen leute/ hielten/ daß ſie ihnen
die Bilder der fuͤrnehmſten Abgoͤtter/ in eben der ord-
nung/ als in den uͤmgaͤngen der hohen feſttage gebreuch-
lich/ nachtragen ließen. Und hierdurch waͤhneten ſie/
wan ihre Goͤtzen ſie ſolchergeſtalt gleichſam mit zu gra-
be begleiteten/ daß ſie ihre Seelen uͤm ſo viel eher in die
ſeelige wohnung fuͤhren/ und vor aller gewalt der ge-
genſtrebenden boͤſen Geiſter vertaͤhtigen wuͤrden. Ja
eben daſſelbe augenmaͤrk hatten ſie auch/ wan ſie die
gemelten rollen/ mit den bildnuͤſſen ſolcher Abgoͤtter be-
mahlet/ zu den leichen in die ſaͤrge legten.

In einer Grabſpitze ſahen ſie auch etliche Todtenge-
faͤße/ darinnen man die Leichen der Koͤniglichen Kin-
der gelegt hatte. Dieſe waren laͤnglichtrund/ uͤber dem
fuße dikbeuchicht/ und warden nach dem halſe zu im-
mer ſchmaͤhler und ſchmaͤhler. Etliche hatten oben auf
des Kanopus angeſicht/ andere einen Habichtskopf ſte-
hen. Rund uͤmher waren ſie mit Egiptiſchen Sinbil-
dern reihenweiſe gezieret. Bei dieſen Leichengefaͤßen/
als auch in etlichen Grabgewoͤlben unter der erde/ fan-
den ſie zugleich ewigbrennende Lichter oder Lampen.
Dieſe Lampen waren von gekochter kreide zubereitet.
Teils hatten die geſtalt eines hundes/ teils eines
Menſchen/ teils eines habichts/ teils eines ſtiers/
auch wohl einer ſchlange. Etliche branten mit drei/ an-
dere mit vier/ auch wohl mit acht/ ja zwoͤlf daachten.
Die daachte waren von unverbrenlichem ſteinichtem
flachſe: welche mit Steinoͤhl oder Juͤdenpeche/ durch
verborgene roͤhren/ die man aus den oͤhl- oder pech-
brunnen in die Lampen geleitet/ fort und fort befeuch-
tet und getraͤnket warden.

Mit ſolchen ewigen Lichtern wolte man die unſterb-

lig-
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[239/0263] fuͤnftes Buch. der Leiche/ auf heiligen bahren/ nachgetragen. Dan die Egipter hatten die gewohnheit/ wan ſie ihrer ver- ſtorbenen begraͤbnuͤſſe/ ſonderlich der Koͤnige/ Prieſter/ oder anderer vornehmen leute/ hielten/ daß ſie ihnen die Bilder der fuͤrnehmſten Abgoͤtter/ in eben der ord- nung/ als in den uͤmgaͤngen der hohen feſttage gebreuch- lich/ nachtragen ließen. Und hierdurch waͤhneten ſie/ wan ihre Goͤtzen ſie ſolchergeſtalt gleichſam mit zu gra- be begleiteten/ daß ſie ihre Seelen uͤm ſo viel eher in die ſeelige wohnung fuͤhren/ und vor aller gewalt der ge- genſtrebenden boͤſen Geiſter vertaͤhtigen wuͤrden. Ja eben daſſelbe augenmaͤrk hatten ſie auch/ wan ſie die gemelten rollen/ mit den bildnuͤſſen ſolcher Abgoͤtter be- mahlet/ zu den leichen in die ſaͤrge legten. In einer Grabſpitze ſahen ſie auch etliche Todtenge- faͤße/ darinnen man die Leichen der Koͤniglichen Kin- der gelegt hatte. Dieſe waren laͤnglichtrund/ uͤber dem fuße dikbeuchicht/ und warden nach dem halſe zu im- mer ſchmaͤhler und ſchmaͤhler. Etliche hatten oben auf des Kanopus angeſicht/ andere einen Habichtskopf ſte- hen. Rund uͤmher waren ſie mit Egiptiſchen Sinbil- dern reihenweiſe gezieret. Bei dieſen Leichengefaͤßen/ als auch in etlichen Grabgewoͤlben unter der erde/ fan- den ſie zugleich ewigbrennende Lichter oder Lampen. Dieſe Lampen waren von gekochter kreide zubereitet. Teils hatten die geſtalt eines hundes/ teils eines Menſchen/ teils eines habichts/ teils eines ſtiers/ auch wohl einer ſchlange. Etliche branten mit drei/ an- dere mit vier/ auch wohl mit acht/ ja zwoͤlf daachten. Die daachte waren von unverbrenlichem ſteinichtem flachſe: welche mit Steinoͤhl oder Juͤdenpeche/ durch verborgene roͤhren/ die man aus den oͤhl- oder pech- brunnen in die Lampen geleitet/ fort und fort befeuch- tet und getraͤnket warden. Mit ſolchen ewigen Lichtern wolte man die unſterb- lig-

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/263>, abgerufen am 27.11.2024.