Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Assenat
setzte sie ihm alsobald eine neue tafel vor: und etwas
brohtes/ und weines/ mit köstlichen gewürtzen/ darauf.
Der Engel begehrte auch einen Honigfladen. Und als
sie betrübet stund/ weil sie keinen hatte: da sagte er/
daß sie in ihrer speisekammer/ auf dem anrichttische/
zusehen solte. Als sie nun hinging zu sehen/ da fand sie
einen schönen Fladen/ vom allerreinesten honige; der
so weis war/ als der schnee/ und gantz lieblich schmäkte.
Diesen trug sie dem Engel vor/ und sagte: Ach! Herr/
ich habe gantz keinen Fladen gehabt: aber mit deinem
heiligen munde hastu es gesprochen; und es ist also ge-
schehen. Darüm ist auch sein geschmak eben so süße/ als
der ahtem deines mundes.

Der Engel erfreuete sich inzwischen über der Asse-
nat
hohem verstande. Auch hub er seine hand auf/ und
legte sie auf ihr heupt. Seelig bistu/ sagte er/ O Asse-
nat/
die du die Abgötter verlaßen/ und an den lebendi-
gen Gott gegleubet hast. Darüm solstu/ und alle die-
selben/ die/ mit hertzlicher reue/ sich zu dem HERRn be-
kehren/ von diesem Fladen essen; den die Bienen des
Paradieses Gottes von seinen edlen Rosen gemacht ha-
ben. Darvon essen alle Engel Gottes: und alle/ die
darvon essen/ werden in ewigkeit nicht sterben. Und er
brach ein stükke vom Fladen/ und aß darvon. Das
übrige stekte er in der Assenat mund/ und sagte zu
ihr: nun hastu das Broht des lebens gegessen/ und bist
mit dem Oehle der heiligkeit gesalbet. Von diesem ta-
ge an solstu gantz erneuert und gesund werden. Du solst
eine Hofstat sein aller derselben/ welche zum Nahmen
des almächtigen Gottes/ des Königes der ewigkeit/ ih-
re zuflucht nehmen. Hierauf rührete er den Fladen an/
da das stükke war abgebrochen: und er ward wieder
gantz. Straks rührete er ihn/ mit dem eusersten des
fingers/ noch einmahl an: und der strichseines fingers
ward zu bluhte. Assenat war verwundert/ als sie sol-

ches

Der Aſſenat
ſetzte ſie ihm alſobald eine neue tafel vor: und etwas
brohtes/ und weines/ mit koͤſtlichen gewuͤrtzen/ darauf.
Der Engel begehrte auch einen Honigfladen. Und als
ſie betruͤbet ſtund/ weil ſie keinen hatte: da ſagte er/
daß ſie in ihrer ſpeiſekammer/ auf dem anrichttiſche/
zuſehen ſolte. Als ſie nun hinging zu ſehen/ da fand ſie
einen ſchoͤnen Fladen/ vom allerreineſten honige; der
ſo weis war/ als der ſchnee/ und gantz lieblich ſchmaͤkte.
Dieſen trug ſie dem Engel vor/ und ſagte: Ach! Herꝛ/
ich habe gantz keinen Fladen gehabt: aber mit deinem
heiligen munde haſtu es geſprochen; und es iſt alſo ge-
ſchehen. Daruͤm iſt auch ſein geſchmak eben ſo ſuͤße/ als
der ahtem deines mundes.

Der Engel erfreuete ſich inzwiſchen uͤber der Aſſe-
nat
hohem verſtande. Auch hub er ſeine hand auf/ und
legte ſie auf ihr heupt. Seelig biſtu/ ſagte er/ O Aſſe-
nat/
die du die Abgoͤtter verlaßen/ und an den lebendi-
gen Gott gegleubet haſt. Daruͤm ſolſtu/ und alle die-
ſelben/ die/ mit hertzlicher reue/ ſich zu dem HERRn be-
kehren/ von dieſem Fladen eſſen; den die Bienen des
Paradieſes Gottes von ſeinen edlen Roſen gemacht ha-
ben. Darvon eſſen alle Engel Gottes: und alle/ die
darvon eſſen/ werden in ewigkeit nicht ſterben. Und er
brach ein ſtuͤkke vom Fladen/ und aß darvon. Das
uͤbrige ſtekte er in der Aſſenat mund/ und ſagte zu
ihr: nun haſtu das Broht des lebens gegeſſen/ und biſt
mit dem Oehle der heiligkeit geſalbet. Von dieſem ta-
ge an ſolſtu gantz erneuert und geſund werden. Du ſolſt
eine Hofſtat ſein aller derſelben/ welche zum Nahmen
des almaͤchtigen Gottes/ des Koͤniges der ewigkeit/ ih-
re zuflucht nehmen. Hierauf ruͤhrete er den Fladen an/
da das ſtuͤkke war abgebrochen: und er ward wieder
gantz. Straks ruͤhrete er ihn/ mit dem euſerſten des
fingers/ noch einmahl an: und der ſtrichſeines fingers
ward zu bluhte. Aſſenat war verwundert/ als ſie ſol-

ches
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0238" n="214"/><fw place="top" type="header">Der A&#x017F;&#x017F;enat</fw><lb/>
&#x017F;etzte &#x017F;ie ihm al&#x017F;obald eine neue tafel vor: und etwas<lb/>
brohtes/ und weines/ mit ko&#x0364;&#x017F;tlichen gewu&#x0364;rtzen/ darauf.<lb/>
Der Engel begehrte auch einen Honigfladen. Und als<lb/>
&#x017F;ie betru&#x0364;bet &#x017F;tund/ weil &#x017F;ie keinen hatte: da &#x017F;agte er/<lb/>
daß &#x017F;ie in ihrer &#x017F;pei&#x017F;ekammer/ auf dem anrichtti&#x017F;che/<lb/>
zu&#x017F;ehen &#x017F;olte. Als &#x017F;ie nun hinging zu &#x017F;ehen/ da fand &#x017F;ie<lb/>
einen &#x017F;cho&#x0364;nen Fladen/ vom allerreine&#x017F;ten honige; der<lb/>
&#x017F;o weis war/ als der &#x017F;chnee/ und gantz lieblich &#x017F;chma&#x0364;kte.<lb/>
Die&#x017F;en trug &#x017F;ie dem Engel vor/ und &#x017F;agte: Ach! Her&#xA75B;/<lb/>
ich habe gantz keinen Fladen gehabt: aber mit deinem<lb/>
heiligen munde ha&#x017F;tu es ge&#x017F;prochen; und es i&#x017F;t al&#x017F;o ge-<lb/>
&#x017F;chehen. Daru&#x0364;m i&#x017F;t auch &#x017F;ein ge&#x017F;chmak eben &#x017F;o &#x017F;u&#x0364;ße/ als<lb/>
der ahtem deines mundes.</p><lb/>
        <p>Der Engel erfreuete &#x017F;ich inzwi&#x017F;chen u&#x0364;ber der <hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
nat</hi> hohem ver&#x017F;tande. Auch hub er &#x017F;eine hand auf/ und<lb/>
legte &#x017F;ie auf ihr heupt. Seelig bi&#x017F;tu/ &#x017F;agte er/ <hi rendition="#fr">O A&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
nat/</hi> die du die Abgo&#x0364;tter verlaßen/ und an den lebendi-<lb/>
gen Gott gegleubet ha&#x017F;t. Daru&#x0364;m &#x017F;ol&#x017F;tu/ und alle die-<lb/>
&#x017F;elben/ die/ mit hertzlicher reue/ &#x017F;ich zu dem HERRn be-<lb/>
kehren/ von die&#x017F;em Fladen e&#x017F;&#x017F;en; den die Bienen des<lb/>
Paradie&#x017F;es Gottes von &#x017F;einen edlen Ro&#x017F;en gemacht ha-<lb/>
ben. Darvon e&#x017F;&#x017F;en alle Engel Gottes: und alle/ die<lb/>
darvon e&#x017F;&#x017F;en/ werden in ewigkeit nicht &#x017F;terben. Und er<lb/>
brach ein &#x017F;tu&#x0364;kke vom Fladen/ und aß darvon. Das<lb/>
u&#x0364;brige &#x017F;tekte er in der <hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;enat</hi> mund/ und &#x017F;agte zu<lb/>
ihr: nun ha&#x017F;tu das Broht des lebens gege&#x017F;&#x017F;en/ und bi&#x017F;t<lb/>
mit dem Oehle der heiligkeit ge&#x017F;albet. Von die&#x017F;em ta-<lb/>
ge an &#x017F;ol&#x017F;tu gantz erneuert und ge&#x017F;und werden. Du &#x017F;ol&#x017F;t<lb/>
eine Hof&#x017F;tat &#x017F;ein aller der&#x017F;elben/ welche zum Nahmen<lb/>
des alma&#x0364;chtigen Gottes/ des Ko&#x0364;niges der ewigkeit/ ih-<lb/>
re zuflucht nehmen. Hierauf ru&#x0364;hrete er den Fladen an/<lb/>
da das &#x017F;tu&#x0364;kke war abgebrochen: und er ward wieder<lb/>
gantz. Straks ru&#x0364;hrete er ihn/ mit dem eu&#x017F;er&#x017F;ten des<lb/>
fingers/ noch einmahl an: und der &#x017F;trich&#x017F;eines fingers<lb/>
ward zu bluhte. <hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;enat</hi> war verwundert/ als &#x017F;ie &#x017F;ol-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ches</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0238] Der Aſſenat ſetzte ſie ihm alſobald eine neue tafel vor: und etwas brohtes/ und weines/ mit koͤſtlichen gewuͤrtzen/ darauf. Der Engel begehrte auch einen Honigfladen. Und als ſie betruͤbet ſtund/ weil ſie keinen hatte: da ſagte er/ daß ſie in ihrer ſpeiſekammer/ auf dem anrichttiſche/ zuſehen ſolte. Als ſie nun hinging zu ſehen/ da fand ſie einen ſchoͤnen Fladen/ vom allerreineſten honige; der ſo weis war/ als der ſchnee/ und gantz lieblich ſchmaͤkte. Dieſen trug ſie dem Engel vor/ und ſagte: Ach! Herꝛ/ ich habe gantz keinen Fladen gehabt: aber mit deinem heiligen munde haſtu es geſprochen; und es iſt alſo ge- ſchehen. Daruͤm iſt auch ſein geſchmak eben ſo ſuͤße/ als der ahtem deines mundes. Der Engel erfreuete ſich inzwiſchen uͤber der Aſſe- nat hohem verſtande. Auch hub er ſeine hand auf/ und legte ſie auf ihr heupt. Seelig biſtu/ ſagte er/ O Aſſe- nat/ die du die Abgoͤtter verlaßen/ und an den lebendi- gen Gott gegleubet haſt. Daruͤm ſolſtu/ und alle die- ſelben/ die/ mit hertzlicher reue/ ſich zu dem HERRn be- kehren/ von dieſem Fladen eſſen; den die Bienen des Paradieſes Gottes von ſeinen edlen Roſen gemacht ha- ben. Darvon eſſen alle Engel Gottes: und alle/ die darvon eſſen/ werden in ewigkeit nicht ſterben. Und er brach ein ſtuͤkke vom Fladen/ und aß darvon. Das uͤbrige ſtekte er in der Aſſenat mund/ und ſagte zu ihr: nun haſtu das Broht des lebens gegeſſen/ und biſt mit dem Oehle der heiligkeit geſalbet. Von dieſem ta- ge an ſolſtu gantz erneuert und geſund werden. Du ſolſt eine Hofſtat ſein aller derſelben/ welche zum Nahmen des almaͤchtigen Gottes/ des Koͤniges der ewigkeit/ ih- re zuflucht nehmen. Hierauf ruͤhrete er den Fladen an/ da das ſtuͤkke war abgebrochen: und er ward wieder gantz. Straks ruͤhrete er ihn/ mit dem euſerſten des fingers/ noch einmahl an: und der ſtrichſeines fingers ward zu bluhte. Aſſenat war verwundert/ als ſie ſol- ches

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/238
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/238>, abgerufen am 28.04.2024.