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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
sehen. Da konten sie frei und ungehindert sprache hal-
ten. Sobald sie Josef erblikte/ ging er zu ihr zu. Nach
erwiesenen höfligkeiten gegeneinander/ fing Nitokris
straks an zu fragen: wie es ihm im gefängnüsse gegan-
gen? Ob er auch mangel gelitten? Ob man ihn auch
ehrlich gehalten? Als nun Josef geantwortet: daß es
ihm im gefängnüsse besser gegangen/ als bei Fürst Po-
tifarn:
da fing die Fürstin an zu lächlen. Wie so?
fragte sie ferner. Er hatte ja alda ungezweifelt mehr
lust/ sonderlich bei einer so schönen und holdseeligen
Fraue. Die Fraue war guht/ fing Josef hierauf an:
aber ich war dannoch unglüklich. Ihre guhtheit konte
mir wenig helfen.

Weil nun Nitokris sahe/ daß Josef sich nicht her-
auslaßen wolte/ und diese reden ihm nur verdrüßlich
fielen: so führete sie seine gedanken wieder ins gefäng-
nüs. Aber/ fragte sie/ wie stellete sich der Gefängnüs-
meister gegen ihn an? Sehr wohl/ antwortete Josef:
und ich bin von ihm gehalten worden/ als wan ich sein
sohn gewesen. Das pflegt er sonst nicht zu tuhn/ fuhr
die Fürstin fort: darüm bin ich verwundert. Vielleicht
hat er einen guhten Freund gehabt/ der sein Wort gere-
det. Vielleicht ist iemand gewesen/ der ihm zu liebe
dem Gefängnüsmeister solche guhtheit belohnet.

Aus diesen verblühmten reden muhtmaßete Josef
von stunden an/ daß es die Königliche Fürstin sein mü-
ste/ die ihn dem Gefängnüsmeister so hoch anbefohlen.
Darüm gab er zur antwort: Ja freilich habe ich sol-
ches einem großen Freunde zu danken; der große barm-
hertzigkeit an mir erwiesen: der dem Gefängnüsmeister
alles/ was er mir guhtes getahn/ reichlich bezahlet. Be-
zahlet! fing ihm die Fürstin das wort auf. Hat ihm dan
iemand geld geschikt? Ja freilich/ antwortete Josef/
ihm/ und mir. Und das kleid/ das ich gestern anhatte/
habe ich demselben/ ja noch viel mehr/ ebenmäßig zu

dan

Der Aſſenat
ſehen. Da konten ſie frei und ungehindert ſprache hal-
ten. Sobald ſie Joſef erblikte/ ging er zu ihr zu. Nach
erwieſenen hoͤfligkeiten gegeneinander/ fing Nitokris
ſtraks an zu fragen: wie es ihm im gefaͤngnuͤſſe gegan-
gen? Ob er auch mangel gelitten? Ob man ihn auch
ehrlich gehalten? Als nun Joſef geantwortet: daß es
ihm im gefaͤngnuͤſſe beſſer gegangen/ als bei Fuͤrſt Po-
tifarn:
da fing die Fuͤrſtin an zu laͤchlen. Wie ſo?
fragte ſie ferner. Er hatte ja alda ungezweifelt mehr
luſt/ ſonderlich bei einer ſo ſchoͤnen und holdſeeligen
Fraue. Die Fraue war guht/ fing Joſef hierauf an:
aber ich war dannoch ungluͤklich. Ihre guhtheit konte
mir wenig helfen.

Weil nun Nitokris ſahe/ daß Joſef ſich nicht her-
auslaßen wolte/ und dieſe reden ihm nur verdruͤßlich
fielen: ſo fuͤhrete ſie ſeine gedanken wieder ins gefaͤng-
nuͤs. Aber/ fragte ſie/ wie ſtellete ſich der Gefaͤngnuͤs-
meiſter gegen ihn an? Sehr wohl/ antwortete Joſef:
und ich bin von ihm gehalten worden/ als wan ich ſein
ſohn geweſen. Das pflegt er ſonſt nicht zu tuhn/ fuhr
die Fuͤrſtin fort: daruͤm bin ich verwundert. Vielleicht
hat er einen guhten Freund gehabt/ der ſein Wort gere-
det. Vielleicht iſt iemand geweſen/ der ihm zu liebe
dem Gefaͤngnuͤsmeiſter ſolche guhtheit belohnet.

Aus dieſen verbluͤhmten reden muhtmaßete Joſef
von ſtunden an/ daß es die Koͤnigliche Fuͤrſtin ſein muͤ-
ſte/ die ihn dem Gefaͤngnuͤsmeiſter ſo hoch anbefohlen.
Daruͤm gab er zur antwort: Ja freilich habe ich ſol-
ches einem großen Freunde zu danken; der große barm-
hertzigkeit an mir erwieſen: der dem Gefaͤngnuͤsmeiſter
alles/ was er mir guhtes getahn/ reichlich bezahlet. Be-
zahlet! fing ihm die Fuͤrſtin das wort auf. Hat ihm dan
iemand geld geſchikt? Ja freilich/ antwortete Joſef/
ihm/ und mir. Und das kleid/ das ich geſtern anhatte/
habe ich demſelben/ ja noch viel mehr/ ebenmaͤßig zu

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[188/0212] Der Aſſenat ſehen. Da konten ſie frei und ungehindert ſprache hal- ten. Sobald ſie Joſef erblikte/ ging er zu ihr zu. Nach erwieſenen hoͤfligkeiten gegeneinander/ fing Nitokris ſtraks an zu fragen: wie es ihm im gefaͤngnuͤſſe gegan- gen? Ob er auch mangel gelitten? Ob man ihn auch ehrlich gehalten? Als nun Joſef geantwortet: daß es ihm im gefaͤngnuͤſſe beſſer gegangen/ als bei Fuͤrſt Po- tifarn: da fing die Fuͤrſtin an zu laͤchlen. Wie ſo? fragte ſie ferner. Er hatte ja alda ungezweifelt mehr luſt/ ſonderlich bei einer ſo ſchoͤnen und holdſeeligen Fraue. Die Fraue war guht/ fing Joſef hierauf an: aber ich war dannoch ungluͤklich. Ihre guhtheit konte mir wenig helfen. Weil nun Nitokris ſahe/ daß Joſef ſich nicht her- auslaßen wolte/ und dieſe reden ihm nur verdruͤßlich fielen: ſo fuͤhrete ſie ſeine gedanken wieder ins gefaͤng- nuͤs. Aber/ fragte ſie/ wie ſtellete ſich der Gefaͤngnuͤs- meiſter gegen ihn an? Sehr wohl/ antwortete Joſef: und ich bin von ihm gehalten worden/ als wan ich ſein ſohn geweſen. Das pflegt er ſonſt nicht zu tuhn/ fuhr die Fuͤrſtin fort: daruͤm bin ich verwundert. Vielleicht hat er einen guhten Freund gehabt/ der ſein Wort gere- det. Vielleicht iſt iemand geweſen/ der ihm zu liebe dem Gefaͤngnuͤsmeiſter ſolche guhtheit belohnet. Aus dieſen verbluͤhmten reden muhtmaßete Joſef von ſtunden an/ daß es die Koͤnigliche Fuͤrſtin ſein muͤ- ſte/ die ihn dem Gefaͤngnuͤsmeiſter ſo hoch anbefohlen. Daruͤm gab er zur antwort: Ja freilich habe ich ſol- ches einem großen Freunde zu danken; der große barm- hertzigkeit an mir erwieſen: der dem Gefaͤngnuͤsmeiſter alles/ was er mir guhtes getahn/ reichlich bezahlet. Be- zahlet! fing ihm die Fuͤrſtin das wort auf. Hat ihm dan iemand geld geſchikt? Ja freilich/ antwortete Joſef/ ihm/ und mir. Und das kleid/ das ich geſtern anhatte/ habe ich demſelben/ ja noch viel mehr/ ebenmaͤßig zu dan

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/212>, abgerufen am 27.04.2024.