Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Assenat
schöne und fette Kühe oder Ochsen/ seind sieben
fruchtbahre oder wohlfeile jahre. Die sieben guh-
te und volle Ahren gleichesfals. Aber die sieben
magere und häsliche Ochsen oder Kühe seind sie-
ben unfruchtbahre und teure jahre. Die sieben
leere und dürre Ahren ebenmäßig.
Hierdurch wird
dem Könige angezeiget/ daß im gantzen Egipten sie-
ben reiche Jahre
kommen; und straks auf diese/ sie-
ben magere Hungersjahre
folgen werden/ in wel-
chen man aller fülle der vorigen sieben fetten jahre verges-
sen/ und die teurung das land verzehren wird. Alsdan
wird aller vorraht/ den man in den sieben fruchtbah-
ren jahren gesamlet/ aufgehen; und es wird dannoch
teuer sein und bleiben. Und dieses bedeuten die sieben
magere Ochsen/ und die sieben dürre Ahren;
welche die sieben fette Ochsen/ und Ahren ver-
schlungen/ und gleichwohlso mager geblieben/
daß man es nicht gemärket/ daß sie die fetten
gefressen.
Daß aber der König diese zween einerlei
treume straks aufeinander gehabt hat/ dasselbe bedeu-
tet/ daß es Gott gar gewis und eilend tuhn werde.

Hierauf fragte der König: Warüm haben dan die
fetten/ und mageren Ochsen eben aus dem Niele stei-
gen müssen? Darüm/ gab Josef zur antwort: weil der
Niel dem Egiptischen lande seine fruchtbarkeit und
fettigkeit/ wan er sich hoch genug ergeust; oder aber
seine unfruchtbarkeit und magerheit/ wan er nicht
hoch genug/ oder alzuübermäßig hoch aufleuft/ veruhr-
sachet. Der König fragte ferner: wie sol man ihm
aber tuhn/ daß die Teurung in den sieben unfruchtba-
ren jahren nicht alzusehr überhand nehme/ und meine
untertahnen vor hunger nicht gantz verschmachten?
Hierzu weis ich keinen besseren raht/ antwortete Jo-
sef/
als daß der König sich nach einem weisen und ver-
ständigem Manne ümtuhe/ und ihn über das gantze E-

gip-

Der Aſſenat
ſchoͤne und fette Kuͤhe oder Ochſen/ ſeind ſieben
fruchtbahre oder wohlfeile jahre. Die ſieben guh-
te und volle Ahren gleichesfals. Aber die ſieben
magere und haͤsliche Ochſen oder Kuͤhe ſeind ſie-
ben unfruchtbahre und teure jahre. Die ſieben
leere und duͤrre Ahren ebenmaͤßig.
Hierdurch wird
dem Koͤnige angezeiget/ daß im gantzen Egipten ſie-
ben reiche Jahre
kommen; und ſtraks auf dieſe/ ſie-
ben magere Hungersjahre
folgen werden/ in wel-
chen man aller fuͤlle der vorigen ſieben fetten jahre vergeſ-
ſen/ und die teurung das land verzehren wird. Alsdan
wird aller vorraht/ den man in den ſieben fruchtbah-
ren jahren geſamlet/ aufgehen; und es wird dannoch
teuer ſein und bleiben. Und dieſes bedeuten die ſieben
magere Ochſen/ und die ſieben duͤrre Ahren;
welche die ſieben fette Ochſen/ und Ahren ver-
ſchlungen/ und gleichwohlſo mager geblieben/
daß man es nicht gemaͤrket/ daß ſie die fetten
gefreſſen.
Daß aber der Koͤnig dieſe zween einerlei
treume ſtraks aufeinander gehabt hat/ daſſelbe bedeu-
tet/ daß es Gott gar gewis und eilend tuhn werde.

Hierauf fragte der Koͤnig: Waruͤm haben dan die
fetten/ und mageren Ochſen eben aus dem Niele ſtei-
gen muͤſſen? Daruͤm/ gab Joſef zur antwort: weil der
Niel dem Egiptiſchen lande ſeine fruchtbarkeit und
fettigkeit/ wan er ſich hoch genug ergeuſt; oder aber
ſeine unfruchtbarkeit und magerheit/ wan er nicht
hoch genug/ oder alzuuͤbermaͤßig hoch aufleuft/ veruhr-
ſachet. Der Koͤnig fragte ferner: wie ſol man ihm
aber tuhn/ daß die Teurung in den ſieben unfruchtba-
ren jahren nicht alzuſehr uͤberhand nehme/ und meine
untertahnen vor hunger nicht gantz verſchmachten?
Hierzu weis ich keinen beſſeren raht/ antwortete Jo-
ſef/
als daß der Koͤnig ſich nach einem weiſen und ver-
ſtaͤndigem Manne uͤmtuhe/ und ihn uͤber das gantze E-

gip-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0196" n="172"/><fw place="top" type="header">Der A&#x017F;&#x017F;enat</fw><lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;cho&#x0364;ne und fette Ku&#x0364;he oder Och&#x017F;en/ &#x017F;eind &#x017F;ieben<lb/>
fruchtbahre oder wohlfeile jahre. Die &#x017F;ieben guh-<lb/>
te und volle Ahren gleichesfals. Aber die &#x017F;ieben<lb/>
magere und ha&#x0364;sliche Och&#x017F;en oder Ku&#x0364;he &#x017F;eind &#x017F;ie-<lb/>
ben unfruchtbahre und teure jahre. Die &#x017F;ieben<lb/>
leere und du&#x0364;rre Ahren ebenma&#x0364;ßig.</hi> Hierdurch wird<lb/>
dem Ko&#x0364;nige angezeiget/ daß im gantzen <hi rendition="#fr">Egipten &#x017F;ie-<lb/>
ben reiche Jahre</hi> kommen; und &#x017F;traks auf die&#x017F;e/ <hi rendition="#fr">&#x017F;ie-<lb/>
ben magere Hungersjahre</hi> folgen werden/ in wel-<lb/>
chen man aller fu&#x0364;lle der vorigen &#x017F;ieben fetten jahre verge&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en/ und die teurung das land verzehren wird. Alsdan<lb/>
wird aller vorraht/ den man in den &#x017F;ieben fruchtbah-<lb/>
ren jahren ge&#x017F;amlet/ aufgehen; und es wird dannoch<lb/>
teuer &#x017F;ein und bleiben. Und die&#x017F;es bedeuten die <hi rendition="#fr">&#x017F;ieben<lb/>
magere Och&#x017F;en/ und die &#x017F;ieben du&#x0364;rre Ahren;<lb/>
welche die &#x017F;ieben fette Och&#x017F;en/ und Ahren ver-<lb/>
&#x017F;chlungen/ und gleichwohl&#x017F;o mager geblieben/<lb/>
daß man es nicht gema&#x0364;rket/ daß &#x017F;ie die fetten<lb/>
gefre&#x017F;&#x017F;en.</hi> Daß aber der Ko&#x0364;nig die&#x017F;e zween einerlei<lb/>
treume &#x017F;traks aufeinander gehabt hat/ da&#x017F;&#x017F;elbe bedeu-<lb/>
tet/ daß es Gott gar gewis und eilend tuhn werde.</p><lb/>
        <p>Hierauf fragte der Ko&#x0364;nig: Waru&#x0364;m haben dan die<lb/>
fetten/ und mageren Och&#x017F;en eben aus dem <hi rendition="#fr">Niele</hi> &#x017F;tei-<lb/>
gen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en? Daru&#x0364;m/ gab <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> zur antwort: weil der<lb/><hi rendition="#fr">Niel</hi> dem Egipti&#x017F;chen lande &#x017F;eine fruchtbarkeit und<lb/>
fettigkeit/ wan er &#x017F;ich hoch genug ergeu&#x017F;t; oder aber<lb/>
&#x017F;eine unfruchtbarkeit und magerheit/ wan er nicht<lb/>
hoch genug/ oder alzuu&#x0364;berma&#x0364;ßig hoch aufleuft/ veruhr-<lb/>
&#x017F;achet. Der Ko&#x0364;nig fragte ferner: wie &#x017F;ol man ihm<lb/>
aber tuhn/ daß die Teurung in den &#x017F;ieben unfruchtba-<lb/>
ren jahren nicht alzu&#x017F;ehr u&#x0364;berhand nehme/ und meine<lb/>
untertahnen vor hunger nicht gantz ver&#x017F;chmachten?<lb/>
Hierzu weis ich keinen be&#x017F;&#x017F;eren raht/ antwortete <hi rendition="#fr">Jo-<lb/>
&#x017F;ef/</hi> als daß der Ko&#x0364;nig &#x017F;ich nach einem wei&#x017F;en und ver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndigem Manne u&#x0364;mtuhe/ und ihn u&#x0364;ber das gantze E-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gip-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0196] Der Aſſenat ſchoͤne und fette Kuͤhe oder Ochſen/ ſeind ſieben fruchtbahre oder wohlfeile jahre. Die ſieben guh- te und volle Ahren gleichesfals. Aber die ſieben magere und haͤsliche Ochſen oder Kuͤhe ſeind ſie- ben unfruchtbahre und teure jahre. Die ſieben leere und duͤrre Ahren ebenmaͤßig. Hierdurch wird dem Koͤnige angezeiget/ daß im gantzen Egipten ſie- ben reiche Jahre kommen; und ſtraks auf dieſe/ ſie- ben magere Hungersjahre folgen werden/ in wel- chen man aller fuͤlle der vorigen ſieben fetten jahre vergeſ- ſen/ und die teurung das land verzehren wird. Alsdan wird aller vorraht/ den man in den ſieben fruchtbah- ren jahren geſamlet/ aufgehen; und es wird dannoch teuer ſein und bleiben. Und dieſes bedeuten die ſieben magere Ochſen/ und die ſieben duͤrre Ahren; welche die ſieben fette Ochſen/ und Ahren ver- ſchlungen/ und gleichwohlſo mager geblieben/ daß man es nicht gemaͤrket/ daß ſie die fetten gefreſſen. Daß aber der Koͤnig dieſe zween einerlei treume ſtraks aufeinander gehabt hat/ daſſelbe bedeu- tet/ daß es Gott gar gewis und eilend tuhn werde. Hierauf fragte der Koͤnig: Waruͤm haben dan die fetten/ und mageren Ochſen eben aus dem Niele ſtei- gen muͤſſen? Daruͤm/ gab Joſef zur antwort: weil der Niel dem Egiptiſchen lande ſeine fruchtbarkeit und fettigkeit/ wan er ſich hoch genug ergeuſt; oder aber ſeine unfruchtbarkeit und magerheit/ wan er nicht hoch genug/ oder alzuuͤbermaͤßig hoch aufleuft/ veruhr- ſachet. Der Koͤnig fragte ferner: wie ſol man ihm aber tuhn/ daß die Teurung in den ſieben unfruchtba- ren jahren nicht alzuſehr uͤberhand nehme/ und meine untertahnen vor hunger nicht gantz verſchmachten? Hierzu weis ich keinen beſſeren raht/ antwortete Jo- ſef/ als daß der Koͤnig ſich nach einem weiſen und ver- ſtaͤndigem Manne uͤmtuhe/ und ihn uͤber das gantze E- gip-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/196
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/196>, abgerufen am 21.12.2024.