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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
Auch baht sie ihn mit den allerbeweglichsten worten:
Er solte sie doch endlich einmahl ihre lust büßen laßen.
Ja diese worte vermischete sie mit seufzen und trähnen.
Josef aber lies den Rok in ihrer hand/ lief zum zim-
mer hinaus/ und flohe darvon. Und also behielt der
erkaufte sein freies gemüht: der geliebte enthielt sich der
liebe: der gebähtene ward nicht erbähten; und der er-
griffene lies sich nicht halten.

Straks machte Sefira ein solches er schrökliches ge-
schrei/ daß ihre Stahtsjungfrauen und Kammermägd-
lein zugelauffen kahmen. Diese entsetzten sich aus der
maßen über ihrer Fürstin so abscheuliche gestalt. Kurtz
zuvor war sie ihnen vorgekommen/ als eine Alsgöttin
der liebe. Nun sahe sie aus als eine leibliche Teufelin.
Der Zorn/ der has/ die rachgier blitzten ihr aus den au-
gen. Lauter donnerschläge/ lauter blitze gingen aus ih-
rem munde. Ein flammender dampf stieg aus ihrer
nase. Ihre blikke waren feurige strahlen: ihre worte
zerschmetternde donnerkeule. Ihr haar hing gantz zer-
zauset über die zerkratzten wangen. Sie tobete/ sie rase-
te/ sie wühtete/ sie fluchete/ ja sie stellete sich so ungebähr-
dig/ daß die Jungfern genug zu tuhn hatten sie wieder
zu besänftigen.

So bald diese halbtolle Fürstin ein wenig wieder zu
ihr selbst gekommen/ sing sie an ihren Herrn selbst zu be-
schuldigen. Sehet! sagte sie/ Er hat uns diesen Ebrei-
schen knecht herein gebracht/ daß er uns zu schanden
mache. Er kahm zu mir in mein zimmer/ und wolte
mich nohtzüchtigen. Ich rief aber überlaut. Da flohe
er darvon/ und lies mir seinen Rok in der hand. Eben
diese worte sprach sie auch zu ihrem Herrn/ so bald er zu
hause kahm. Ja/ fügte sie hinzu/ sehet doch nur/ wie
mich der ehrvergessene schelm/ der ehbrecherische hund
zugerichtet/ als ich mich zur wehre stellete. Und hier-
mit wiese sie ihm auch den Rok; den sie zum zeugnüsse

be-

Der Aſſenat
Auch baht ſie ihn mit den allerbeweglichſten worten:
Er ſolte ſie doch endlich einmahl ihre luſt buͤßen laßen.
Ja dieſe worte vermiſchete ſie mit ſeufzen und traͤhnen.
Joſef aber lies den Rok in ihrer hand/ lief zum zim-
mer hinaus/ und flohe darvon. Und alſo behielt der
erkaufte ſein freies gemuͤht: der geliebte enthielt ſich der
liebe: der gebaͤhtene ward nicht erbaͤhten; und der er-
griffene lies ſich nicht halten.

Straks machte Sefira ein ſolches er ſchroͤkliches ge-
ſchrei/ daß ihre Stahtsjungfrauen und Kammermaͤgd-
lein zugelauffen kahmen. Dieſe entſetzten ſich aus der
maßen uͤber ihrer Fuͤrſtin ſo abſcheuliche geſtalt. Kurtz
zuvor war ſie ihnen vorgekommen/ als eine Alsgoͤttin
der liebe. Nun ſahe ſie aus als eine leibliche Teufelin.
Der Zorn/ der has/ die rachgier blitzten ihr aus den au-
gen. Lauter donnerſchlaͤge/ lauter blitze gingen aus ih-
rem munde. Ein flammender dampf ſtieg aus ihrer
naſe. Ihre blikke waren feurige ſtrahlen: ihre worte
zerſchmetternde donnerkeule. Ihr haar hing gantz zer-
zauſet uͤber die zerkratzten wangen. Sie tobete/ ſie raſe-
te/ ſie wuͤhtete/ ſie fluchete/ ja ſie ſtellete ſich ſo ungebaͤhr-
dig/ daß die Jungfern genug zu tuhn hatten ſie wieder
zu beſaͤnftigen.

So bald dieſe halbtolle Fuͤrſtin ein wenig wieder zu
ihr ſelbſt gekommen/ ſing ſie an ihren Herꝛn ſelbſt zu be-
ſchuldigen. Sehet! ſagte ſie/ Er hat uns dieſen Ebrei-
ſchen knecht herein gebracht/ daß er uns zu ſchanden
mache. Er kahm zu mir in mein zimmer/ und wolte
mich nohtzuͤchtigen. Ich rief aber uͤberlaut. Da flohe
er darvon/ und lies mir ſeinen Rok in der hand. Eben
dieſe worte ſprach ſie auch zu ihrem Herꝛn/ ſo bald er zu
hauſe kahm. Ja/ fuͤgte ſie hinzu/ ſehet doch nur/ wie
mich der ehrvergeſſene ſchelm/ der ehbrecheriſche hund
zugerichtet/ als ich mich zur wehre ſtellete. Und hier-
mit wieſe ſie ihm auch den Rok; den ſie zum zeugnuͤſſe

be-
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[140/0164] Der Aſſenat Auch baht ſie ihn mit den allerbeweglichſten worten: Er ſolte ſie doch endlich einmahl ihre luſt buͤßen laßen. Ja dieſe worte vermiſchete ſie mit ſeufzen und traͤhnen. Joſef aber lies den Rok in ihrer hand/ lief zum zim- mer hinaus/ und flohe darvon. Und alſo behielt der erkaufte ſein freies gemuͤht: der geliebte enthielt ſich der liebe: der gebaͤhtene ward nicht erbaͤhten; und der er- griffene lies ſich nicht halten. Straks machte Sefira ein ſolches er ſchroͤkliches ge- ſchrei/ daß ihre Stahtsjungfrauen und Kammermaͤgd- lein zugelauffen kahmen. Dieſe entſetzten ſich aus der maßen uͤber ihrer Fuͤrſtin ſo abſcheuliche geſtalt. Kurtz zuvor war ſie ihnen vorgekommen/ als eine Alsgoͤttin der liebe. Nun ſahe ſie aus als eine leibliche Teufelin. Der Zorn/ der has/ die rachgier blitzten ihr aus den au- gen. Lauter donnerſchlaͤge/ lauter blitze gingen aus ih- rem munde. Ein flammender dampf ſtieg aus ihrer naſe. Ihre blikke waren feurige ſtrahlen: ihre worte zerſchmetternde donnerkeule. Ihr haar hing gantz zer- zauſet uͤber die zerkratzten wangen. Sie tobete/ ſie raſe- te/ ſie wuͤhtete/ ſie fluchete/ ja ſie ſtellete ſich ſo ungebaͤhr- dig/ daß die Jungfern genug zu tuhn hatten ſie wieder zu beſaͤnftigen. So bald dieſe halbtolle Fuͤrſtin ein wenig wieder zu ihr ſelbſt gekommen/ ſing ſie an ihren Herꝛn ſelbſt zu be- ſchuldigen. Sehet! ſagte ſie/ Er hat uns dieſen Ebrei- ſchen knecht herein gebracht/ daß er uns zu ſchanden mache. Er kahm zu mir in mein zimmer/ und wolte mich nohtzuͤchtigen. Ich rief aber uͤberlaut. Da flohe er darvon/ und lies mir ſeinen Rok in der hand. Eben dieſe worte ſprach ſie auch zu ihrem Herꝛn/ ſo bald er zu hauſe kahm. Ja/ fuͤgte ſie hinzu/ ſehet doch nur/ wie mich der ehrvergeſſene ſchelm/ der ehbrecheriſche hund zugerichtet/ als ich mich zur wehre ſtellete. Und hier- mit wieſe ſie ihm auch den Rok; den ſie zum zeugnuͤſſe be-

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/164>, abgerufen am 04.05.2024.